| # taz.de -- Russland nach Achtelfinal-Sieg: Macho-Show in Moskau | |
| > Ein ganzes Land steht Kopf, in der russischen Hauptstadt herrscht | |
| > Aunahmezustand. Nur Trainer Stanislaw Tschertschessow gibt die coole Sau. | |
| Bild: Russlands Torwart Igor Akinfeev hält den entscheidenden Elfmeter mit ein… | |
| Moskau taz | Am frühen Morgen im Chovrino, einem Stadtteil ganz im Norden | |
| Moskaus, da war es nur einer. „Rossija, Rossija!“, schallte es durch die | |
| Häuserschluchten. Der Rausch des Vortags lag noch auf der Stimme des frühen | |
| Fans. Doch alle, den dem Mann begegneten, schenkten ihm ein Lächeln. Am | |
| Abend dann war er die ganze Stadt. „Rossija, Rossija!“. | |
| Es wurde gesungen, getanzt, gehupt, geschrien, gelacht, gesoffen und ganz | |
| viel geknutscht. Karneval in Moskau, so etwas hat es noch nie gegeben! | |
| Russland steht im Viertelfinale der Weltmeisterschaft, und ein ganzes Land | |
| steht kopf. Nur einer nicht. Trainer Stanislaw Tschertschessow gab die | |
| coole Sau nach dem [1][Sieg im Elfmeterschießen gegen Spanien]. „Wir müssen | |
| unsere Emotionen aufsparen. Das Turnier beginnt doch erst“, sagte er. | |
| Es geht weiter für die Russen. Wie, das wissen sie vielleicht selbst nicht | |
| so genau. So wie sie nicht so recht wussten, wie sie es ins | |
| Elfmeterschießen dieses Achtelfinals geschafft hatten. „Mit Gottes Hilfe“, | |
| sagte Tschertschessow und eine kleine Nummer kleiner sagte fast das Gleiche | |
| Artjom Dsjuba der Torschütze zum 1:1-Endstand nach Verlängerung: „Der | |
| Fußballgott war auf unserer Seite.“ | |
| Es war eine Abwehrschlacht, die die Russen da geschlagen haben, wie man sie | |
| lange nicht gesehen hat. Sie hatte etwas ansteckendes. Die meisten der fast | |
| 80.000 Zuschauer im Luschniki-Stadion von Moskau hatten ihren Spaß. Wann | |
| ist zum letzten Mal ein Befreiungsschlag so laut bejubelt worden, dass es | |
| sich anhört, als sein ein Tor gefallen? Die russische Mannschaft wehrte | |
| sich mehr wacker als begabt gegen die spanischen Ballmonopolisierer, | |
| während sich das Publikum in einen wahren Rausch steigerte. | |
| ## „Molodzy!“ und „Muschiki!“ | |
| „Rossija!“, riefen sie. „Molodzy!“ und „Muschiki!“. „Supertypen!�… | |
| „Kerle!“. Tschertschessow meinte dazu. „Kerle, was heißt schon Kerle? Das | |
| sind Männer!“ Wer mitfeiern wollte mit den Russen in dieser magischen Nacht | |
| von Moskau, der musste sich schon auch auf eine große Macho-Show einlassen. | |
| Die soll möglichst weitergehen. „Die Vorbereitung auf das Spiel der Kroaten | |
| hat begonnen“, sagte Tschertschessow, der sich wieder etwas einfallen | |
| lassen will. | |
| So wie er es gegen Spanien getan hat. Er hat mit drei Innenverteidigern | |
| gespielt, um den Spaniern den Zutritt zum Strafraum möglichst ganz zu | |
| verwehren. Dafür hat er den besten Spieler seines Teams bei dieser WM | |
| draußen gelassen. Ausgerechnet Denis Cheryschew, der in Spanien | |
| aufgewachsen ist, bei Real Madrid ausgebildet wurde und bei Villareal | |
| spielt, musste draußen bleiben. Wer die Aufstellung sah, der wusste, was da | |
| kommen würde. Eine Verteidigungsschlacht. | |
| Sie wurde gewonnen. Ein weiteres Mal bei dieser WM ist der | |
| Ballbesitzfußball mit wehenden Fahnen untergegangen. Wie kann es sein, dass | |
| er so einfach entschlüsselt worden ist. Die Russen jedenfalls haben etwas | |
| zu bieten, was es im modernen Fußball bisher noch nicht gegeben hat. Noch | |
| nie sind derartige Athleten bei einer WM aufgetreten. In der Leichtathletik | |
| darf Russland nach all den Dopingenthüllungen der vergangen Jahren noch | |
| immer kein Team zu internationalen Wettkämpfen schicken. Im Fußball läuft | |
| dafür eine wahre Leichtathletiktruppe auf. | |
| Wie in den vergangenen Spielen hat es den Russen bis zum Ende nichts | |
| ausgemacht, einfach mehr und schneller zu laufen als die Spanier. Immer | |
| wenn der Ball nach vorne geschlagen wurde, hämmerten die russischen | |
| Angreifer in einem irren Rhythmus ihre Beine auf den Rasen. Und ab ging die | |
| Post vor allem für Alexandr Golovin, der 60 Mal zu Sprints angesetzt hat. | |
| Mit dieser Tempoausdauer ist es auch möglich, die ballsichersten Gegner 120 | |
| Minuten lang anzulaufen, die besten wie den letztlich überforderten | |
| Spielmacher Isco immer zu doppeln. Der Ballbesitzfußball ist also | |
| entschlüsselt. Die Athletik hat ihn besiegt. | |
| ## Nadeleinstiche an den Armen | |
| Dass es in diesem irren Tempo weitergehen kann, will niemand so recht | |
| glauben. Das Misstrauen läuft immer mit, und so kursieren Bilder im Netz, | |
| die Nadeleinstiche an den Armen von Artjom Dzjuba und Daler Kuzjajew zeigen | |
| sollen. Und die Frage steht im Raum, welchen Inhalts das Fläschchen war, an | |
| dem Wladimir Granat vor seiner Einwechslung geschnüffelt hat. Gegen | |
| Kroatien am kommenden Samstag in Sotschi wird man sehen, wie weit die | |
| russischen Beine tragen werden oder das russische Wunder weitergeht, das | |
| vor allem ein Laufwunder war. | |
| Und wunderbar ist auch die Geschichte des Helden dieses Abends. Torwart | |
| Igor Akinfejew hatte schon während des Spiels dafür gesorgt, dass seine | |
| Russen im Spiel bleiben. Dann hielt er zwei Elfmeter. Und wie! Wer ist | |
| nochmal der bekannteste russische Fußballer aller Zeiten? Genau, Lew | |
| Jaschin, ein Torwart. Und hat nicht er mit der UdSSR sogar mal einen Titel | |
| gewonnen? 1960 wurde Jaschin Europameister. Man wird ja wohl noch träumen | |
| dürfen. Feiern sowieso. | |
| 2 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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