# taz.de -- Ringen um Spitzenämter in der EU: Webers Aussichten schwinden | |
> Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer konnten sich nicht | |
> auf einen neuen Kommissionschef einigen. Die Entscheidung ist auf Ende | |
> Juni vertagt. | |
Bild: Die Tapete im Brüsseler Europahaus wird gewechselt, die in der Kommissio… | |
Brüssel dpa | Die Europäische Union ist völlig uneins über ihre künftige | |
Brüsseler Führung und vertagt die Suche bis zu einem Sondergipfel am 30. | |
Juni. Der CSU-Politiker Manfred Weber hat keine Mehrheit – die anderen | |
Spitzenkandidaten allerdings auch nicht, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in der Nacht zum Freitag sagte. Das sei | |
ein „Befund, der uns natürlich vor Herausforderungen stellt“. Ratschef | |
Donald Tusk soll nächste Woche mit dem EU-Parlament einen Ausweg aus der | |
[1][Sackgasse] suchen. | |
Merkel und Tusk schlossen nicht aus, dass Weber doch noch eine Chance hat, | |
der erste deutsche Kommissionspräsident seit mehr als 50 Jahren zu werden. | |
„Heute ist es zu früh, um sich auf Namen und Posten festzulegen“, sagte | |
Tusk. Der estnische Regierungschef Jüri Ratas sagte, alle Namen seien noch | |
auf dem Tisch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der stets gegen Weber | |
war, machte aber deutlich, dass er neue Namen will. | |
Auch Spekulationen über potenzielle weitere Kandidaten werden aufgefrischt: | |
Christine Lagarde als neue Kommissionschefin etwa. Die IWF-Chef hat diese | |
Gerüchte aber zurückgeworfen. Gleichzeitig fühle sie sich geschmeichelt, | |
dass man ihr den Vorsitz etwa der EU-Kommission zutraue, sagte sie am Rande | |
des Eurogruppentreffens am Donnerstag in Luxemburg. | |
Es geht nicht nur um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude | |
Juncker, sondern noch um vier weitere Spitzenposten: die Präsidenten des | |
Europäischen Rats, des Europaparlaments, der Europäischen Zentralbank (EZB) | |
und den Posten der EU-Außenbeauftragten. Geschnürt werden soll ein | |
ausgewogenes Personalpaket mit Männern und Frauen, verschiedenen Parteien | |
und europäischen Regionen. | |
CSU-Vize Weber erhebt Anspruch auf die Juncker-Nachfolge, da seine | |
Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl erneut stärkste Kraft | |
geworden ist. Als Kandidaten ihrer Parteien beworben haben sich auch der | |
Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager. Der | |
Rat der Staats- und Regierungschefs hat das Nominierungsrecht, doch das | |
EU-Parlament muss den Kommissionschef wählen. In beiden Gremien sind also | |
Mehrheiten nötig. | |
## Macron gegen Weber | |
Merkel unterstützt [2][Weber]. Macron und andere Regierungschefs stellen | |
sich mit der Begründung gegen den CSU-Politiker, die EU brauche eine | |
Führungspersönlichkeit mit mehr Erfahrung. Weber ist seit fünf Jahren | |
EVP-Fraktionschef im Europaparlament, hat aber keine Regierungserfahrung. | |
Er hatte mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen über eine Art | |
Koalitionsvereinbarung verhandelt, die ihm eine Mehrheit sichern sollte. | |
Doch hatten Sozialdemokraten und Liberale Weber am Donnerstag bedeutet, | |
dass sie ihn nicht unterstützen. Die EVP will ihrerseits keinen der | |
Konkurrenten mitwählen. | |
Nach den Verhandlungen drang Merkel auf eine gemeinsame Lösung mit dem | |
EU-Parlament. Es hätte keinen Sinn, wenn der Rat jemanden nominierte, der | |
später im Parlament durchfiele. Deshalb werde Tusk nun sehr schnell | |
Konsultationen mit den Fraktionen aufnehmen und ein Paket „mit ausgewogenen | |
Kräfteverhältnissen schnüren“. Merkel beschrieb die Personaldiskussion beim | |
Gipfel als intensiv. | |
Macron sagte, ihn überrasche der Ausgang des Abends nicht und er werte die | |
ausgebliebene Einigung auch nicht als Niederlage. Er spielte damit darauf | |
an, dass er ohnehin immer dafür plädiert hatte, nicht nur | |
Europawahl-Spitzenkandidaten für Junckers Nachfolge in Betracht zu ziehen. | |
„Ich denke, diese Etappe war angesichts des erreichten Spannungsniveaus | |
notwendig“, sagte Macron. | |
## Keine Einigung über neues Klimaziel | |
Vor dem Personalpoker hatten sich die 28 Staats- und Regierungschefs auch | |
über Sachfragen zerstritten. So wurden sie sich in stundenlangen | |
Diskussionen nicht einig über ein neues ehrgeiziges Klimaziel. Die | |
Festlegung auf einen [3][Umbau zur „klimaneutralen“ Wirtschaft bis 2050] | |
wurde aus der Gipfelerklärung gestrichen, weil Polen und einige weitere | |
Länder sie nicht mittragen wollten. | |
Dass das Ziel platzte, erboste Umweltverbände wie das Climate Action | |
Network, Greenpeace oder WWF. Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller | |
sprach von einer Schande. | |
Auch bei den Verhandlungen über den nächsten EU-Haushaltsrahmen für die | |
Jahre bis 2027 kamen die EU-Staaten nicht weiter. Sie gaben ihr | |
ursprüngliches Ziel auf, im Oktober eine Einigung zu erzielen. Neue Frist | |
ist jetzt das Jahresende. | |
Einig waren sich die 28 Staaten immerhin bei der Verlängerung der | |
Wirtschaftssanktionen, die 2014 wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland | |
verhängt worden waren. Die EU hatte die Handels- und | |
Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische | |
Unternehmen zuletzt im Dezember 2018 bis zum 31. Juli 2019 verlängert. Sie | |
sollen nun weitere sechs Monate gelten. Auf eine Aufhebung soll Russland | |
erst hoffen können, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum | |
Ukraine-Konflikt erfüllt sind. | |
21 Jun 2019 | |
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