# taz.de -- Repressionen in Belarus: Liebe statt Wut | |
> Die Haftstrafe für einen Ex-Präsidentschaftskandidaten löst im Netz | |
> lebhafte Debatten aus. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in | |
> Minsk. Folge 94. | |
Bild: Polizist vor dem Wahlkampfbüro von Wiktor Babaryko in Minsk | |
Der Schuldspruch überraschte niemanden. In der vergangenen Woche | |
verurteilte das Oberste Gericht in Belarus Wiktor Babaryko zu 14 Jahren | |
Straflager „unter verschärften Bedingungen“. Er war der einzige Angeklagte | |
im Fall Belgazprombank, der seine Schuld nicht eingestanden hatte, da er | |
nichts Gesetzwidriges getan hatte. Genau das hatten seine Anwälte während | |
der Verhandlung nachgewiesen. | |
„Wiktor Babaryko wird die 14 Jahre nicht absitzen, das verstehen alle“ sagt | |
Anton Motolko. Der Gründer eines Telegram-Kanals hatte Belarus verlassen | |
müssen, weil er nach der Präsidentenwahl am 9. August vom Staat verfolgt | |
worden war. „Auch ich plane nicht, Emigrant zu sein, sondern ich will zu | |
Hause leben, in der Heimat, in Belarus. Lasst uns alles tun, was möglich | |
ist und in unseren Kräften steht, und sogar noch mehr.“ | |
„Am 11. Juli hat Wiktor Babaryko die letzte Pressekonferenz vor seiner | |
Festnahme gegeben“, schreibt die Journalistin Ljubow Kasperowitsch auf | |
Facebook. „Zuerst entschuldigte er sich dafür, dass die Räumlichkeiten | |
nicht bequem seien (andere waren nicht zu finden), dann antwortete er eine | |
halbe Stunde auf Fragen. Bevor er hinaus ging, sagte er: „Ich liebe Euch | |
wirklich sehr“. Und das klang aufrichtig, authentisch, ganz von Herzen. | |
Genau eine Woche später wurden er und sein Sohn festgenommen. Am Montag hat | |
das unabhängigste Gericht der Welt Babaryko – darüber möge niemand lachen … | |
zu 14 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Aber aus irgendeinem Grund ist da | |
keine Wut. Da ist nur Liebe und großer Respekt vor diesem Menschen, der | |
sich und uns alle nicht verraten hat.“ | |
„Heute wurde Belarus zu weiteren 14 Jahren Wirtschaftskrise, zu 14 Jahren | |
der Zerstörung von Institutionen, zu 14 Jahren zerstörter Karrieren, | |
menschlicher Leben und Pläne für die Zukunft verurteilt“, sagt der Minsker | |
Lew Lwowski. „Geurteilt haben Menschen, die Belarus bereits ein ganzes Jahr | |
die Freiheit, Reformen und Träume geraubt haben. Doch die Zeit ist | |
unerbittlich: Die Staatsmacht ist in diesem Jahr nicht populärer geworden, | |
Babaryko jedoch hat seine Anhänger nicht verloren. Misstrauen und | |
Widerstand werden das System untergraben und Wiktor wird sich immer mehr | |
von einem populären Kandidaten zu einer Persönlichkeit von historischem | |
Ausmaß wandeln.“ | |
„[1][Der politische Kampf] hat im August 2020 aufgehört politisch zu sein“, | |
schreibt der Minsker Sergej Nikitenko. Anfangs ging er in den Bereich des | |
Terrors über, jetzt in den Bereich des Wahnsinns. Die Gesetze sind pervers, | |
die Verfassung funktioniert nicht. Das, was passiert, ist zu einer | |
umgekehrten Realität geworden. Die Staatsmacht mit einer Videokamera, die | |
Wächter der neuen Ordnung sind wie Außerirdische aus amerikanischen Filmen, | |
die die Erde übernommen haben. Aber das ist kein Kino! | |
„Es besteht kein Zweifel, dass derjenige, der Babaryko für 14 Jahre hinter | |
Gitter gebracht hat, lebenslang sitzen wird“, sagt der Dokumentarfilmer | |
Roman Romanow. „Ich weiß eins, es gab nur ein Motiv: Ich möchte in einem | |
Land leben, in dem das Gesetz herrscht“, sagte Wiktor Babaryko vor zwei | |
Monaten vor Gericht. | |
Die Instagram-Seite von Babaryko haben fast 300.000 Menschen abonniert, der | |
Blog ist sehr populär. Das ist die größte Gruppe von Followern unter allen | |
Politikern in Belarus. Derzeit gibt es in Belarus 500 anerkannte | |
[2][politische Gefangene]. | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
13 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Olga Deksnis | |
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