# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Koalition geplatzt | |
> Die Partei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi verlässt die | |
> Regierung. Die Wege aus der Krise sind offen. Auch Neuwahlen scheinen | |
> jetzt möglich. | |
Bild: Matteo Renzi, Chef der kleinen Mittepartei Italia Viva. Diese verließ am… | |
ROM taz | Italiens Regierungskoalition unter Ministerpräsident Giuseppe | |
Conte ist geplatzt. Am Mittwochabend trat Matteo Renzi, Chef der kleinen | |
Mittepartei Italia Viva, zusammen mit den beiden Ministerinnen und dem | |
Staatsekretär seiner Formation vor die Presse und gab deren Rücktritt von | |
ihren Regierungsämtern bekannt. | |
Renzi, selbst in den Jahren 2014-2016 Regierungschef, beendet damit [1][das | |
fünfwöchige Koalitionsgezerre], das er selbst im Dezember eingeleitet | |
hatte. Vordergründig ging es ihm um die Verwendung des | |
209-Milliarden-Euro-Paketes, das Italien aus dem EU-Programm „Next | |
Generation EU“ erhält. Außerdem hatte Renzi ursprünglich große Einwände | |
gegen das sechsköpfige Gremium, das die Verwendung dieser Mittel | |
kontrollieren und [2][Premier Conte] direkt unterstehen sollte. | |
In beiden Punkten konnte Renzi sich weitgehend durchsetzen. Das | |
Sechserkomitee wurde gestrichen, bei der geplanten Mittelvergabe für den | |
Wiederaufbau besserte die Koalition ganz in Renzis Sinne nach. | |
Am Dienstagabend verabschiedete das Kabinett den Wiederaufbauplan – und | |
Renzis beide Ministerinnen enthielten sich. Als Grund führten sie nicht so | |
sehr Bedenken gegen den Plan an, sondern, dass die Regierung nicht | |
zusätzlich weitere 37 Milliarden aus dem Europäischen | |
Stabilitätsmechanismus abrufen will. | |
## Noch eins drauf satteln | |
Eben dies war die Taktik der Kleinpartei Italia Viva in den vergangenen | |
Wochen und Tagen: bei jedem Entgegenkommen Contes und der anderen | |
Koalitionspartner noch eins drauf zu satteln. So reklamierte Renzi unter | |
anderem, die Regierung solle gefälligst auch den Bau der Brücke von Messina | |
– sie würde Sizilien mit dem Festland verbinden – auf den Weg bringen. | |
Deshalb liegt der Eindruck auf der Hand, Renzi habe von Anfang an auf den | |
Sturz des in der Bevölkerung populären Conte hinarbeiten wollen. Conte | |
allerdings konnte die drei anderen Koalitionspartner – die | |
Anti-Establishment-Bewegung der Fünf Sterne, die gemäßigt linke Partito | |
Democratico, von der Renzis Italia Viva sich im Herbst 2019 abgespalten | |
hatte, und die radikal linke Liste Liberi e Uguali – hinter sich vereinen. | |
Doch auch seine Isolation in der Koalition konnte Renzi nicht beeindrucken. | |
Der frühere Ministerpräsident und Präsident der EU-Kommission Romano Prodi | |
kommentierte schon am Dienstagabend in einem TV-Interview, Renzi wolle um | |
jeden Preis den Bruch, wenn nötig verlange er dazu auch noch den Bau „einer | |
Brücke nach Sardinien“. | |
Und Staatspräsident Sergio Mattarella ließ am Dienstag „Entsetzen und | |
Bestürzung“ über den Koalitionskrach mitten in der Pandemie durchsickern, | |
der in keiner Weise „dem realen Land“ Rechnung trage. | |
## Mehrere Optionen | |
Doch auch diese Stimmen konnten Renzi vom Koalitionsbruch nicht abbringen. | |
Völlig offen ist jetzt, welche Wege es aus der Krise gibt. Conte könnte | |
versuchen, die ihm fehlenden Stimmen aus den Reihen der Italia Viva mit der | |
Anwerbung anderer Mitte-Politiker*innen zu kompensieren, ohne überhaupt den | |
Rücktritt einzureichen. | |
Die zweite Option wäre sein Rücktritt mit neuen Koalitionsverhandlungen. | |
Die anderen Partner aber denken vorerst nicht daran, Conte als Premier zu | |
opfern, wie es Renzi wünscht. Ein dritter Ausweg wäre eine | |
Technokratenregierung mit All-Parteien-Konsens, die jedoch weder die Fünf | |
Sterne noch die Partito Democratico wollen. Damit könnten schließlich | |
Neuwahlen am Ende der Regierungskrise stehen. | |
13 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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