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# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Atempause für Conte
> Auch wenn Ministerpräsident Conte die Vertrauensabstimmung im Parlament
> überstanden hat: Die Regierung ist schwächer als zuvor.
Bild: Nicht wirklich fest im Sattel: Italiens Premier Giuseppe Conte
Rom taz | Italiens Regierung unter [1][Ministerpräsident Giuseppe Conte]
hat am Montag im Abgeordnetenhaus und am Dienstag im Senat die beiden
Vertrauensabstimmungen überstanden und bleibt damit vorerst im Amt.
Notwendig waren die beiden Abstimmungen geworden, weil die kleine
Mittepartei Italia Viva (IV) unter dem früheren Ministerpräsidenten Matteo
Renzi in der vergangenen Woche [2][den Koalitionsbruch] vollzogen und ihre
beiden Ministerinnen aus dem Kabinett abgezogen hatte.
Renzi, dessen Partei in den Meinungsumfragen gegenwärtig bestenfalls bei 3
Prozent liegt, hatte sich beschwert, wichtige Einwände seinerseits gegen
den Regierungskurs – vorneweg gegen die Pläne zur Verwendung der 209
Milliarden Euro, die Europa Italien im Rahmen des Wiederaufbauprogramms
Next Generation EU zur Verfügung stellt – seien nicht berücksichtigt
worden.
Völlig anders ist die Lesart, die Conte ebenso wie die drei ihm
verbleibenden Koalitionspartner – das Movimento5 Stelle (M5S –
5-Sterne-Bewegung), die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) und die
kleine radikal linke Liste Liberi e Uguali (LeU – Freie und Gleiche) in den
Debatten der beiden Häuser vorbrachten.
Conte schaffte es, in seinen Reden Renzi kein einziges Mal zu erwähnen und
ihn gleichsam zur Unperson zu erklären, doch er warf ihm vor,
verantwortungslos gehandelt und der Koalition eine nicht zu heilende Wunde
zugefügt zu haben. Ähnlich argumentierten die Koalitionsparteien. Der
Tenor: Wenn Renzi habe pokern wollen, um sein Gewicht in der Koalition zu
erhöhen, habe er zu hoch gereizt, denn mit den bisherigen Partnern gehe
vorerst nichts mehr, die Tür sei zu.
## Knapper Ausgang
Doch Conte hat im Parlament alles andere als einen Kantersieg errungen. Im
Abgeordnetenhaus mit seinen 630 Abgeordneten kam die Regierung zwar auf 321
Stimmen und lag damit über der absoluten Mehrheit. Im Senat dagegen fiel am
Dienstagabend das Ergebnis weit bescheidener aus. Am Ende votierten 156 der
321 Senator*innen für die Regierung – fünf Stimmen unter der absoluten
Mehrheit. Hätten die 18 Parlamentarier*innen aus Renzis Italia Viva
im Senat sich nicht der Stimme enthalten, sondern mit Nein gestimmt, wäre
die Regierung schon am Dienstag gescheitert.
Aber nicht nur deshalb hängt die Regierung Conte gegenwärtig von den Launen
anderer ab. Diverse Stimmen für sie kamen gleichsam von auswärts: von
früheren M5S-Senator*innen, die im Streit bei den Fünf Sternen
ausgeschieden waren, von zwei abtrünnigen Senator*innen aus den Reihen
von Berlusconis Forza Italia und von diversen frei flottierenden
Mitte-Parlamentarier*innen. Die Regierung hat zwar fürs erste überlebt,
doch sie ist instabiler als zuvor.
Conte und seine Koalitionspartner haben sich vorgenommen, in den nächsten
Wochen mit weiteren Verhandlungen einen neuen Stabilitätsanker einzuziehen.
Schon bei seinen Auftritten vor dem Abgeordnetenhaus und dem Senat
appellierte der Ministerpräsident an die „Willigen“ unter den
Parlamentarier*innen, an die pro-europäisch Gesinnten unter ihnen, sich zur
Unterstützung von Regierung und Koalition aufzuraffen. Doch mit einer auf
diese Weise zusammengewürfelten Mannschaft von Unterstützer*innen ist
die Regierung schwächer als zuvor.
Conte darf deshalb die zweifelhafte Freude genießen, als Punktsieger mit
allerdings ziemlich wenigen Punkten aus dem Duell mit Renzi hervorgegangen
zu sein. Renzi wiederum steht vor einem Scherbenhaufen. Wenn er glaubte,
die Eskalation des Konflikts mit dem Regierungschef und den anderen
Koalitionspartnern könne seine Partei Italia Viva („Lebendiges Italien“)
wiederbeleben, hat er sich gründlich verrechnet. Die Renzi-Formation ist in
den Meinungsumfragen von 3 Prozent im Dezember auf jetzt 2,5 Prozent weiter
abgesunken und droht außerhalb der Regierung völlig in der
Bedeutungslosigkeit zu versinken.
20 Jan 2021
## LINKS
[1] /Geplatzte-Regierungskoalition-in-Italien/!5741515
[2] /Regierungskoalition-in-Italien-geplatzt/!5744254
## AUTOREN
Michael Braun
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