# taz.de -- Rechtsreform in Spanien: Geteiltes Tierrecht | |
> Spanien hat die Rechte von Hunden, Katzen und anderen Freunden des | |
> Menschen gestärkt. Den Papst hat allerdings niemand nach seinem Segen | |
> gefragt. | |
Bild: In Spanien sind Haustiere nun bald womöglich Teil des Ehevertrags | |
MADRID taz | „¡Ai, qué cosa más bonita!“ – „Ach, was für ein schön… | |
Ding!“, rufen die Spanier gerne aus, wenn sie einen süßes Kätzchen oder | |
einen knuddeligen Hund sehen. Damit ist jetzt – zumindest rein rechtlich – | |
Schluss. Denn seit Dienstag sind Tiere keine Dinge mehr. Eine Reform des | |
Zivilrechts sowie des Hypothekengesetzes spricht ihnen nun den Status eines | |
„fühlenden Wesens“ zu. Sie haben als solche Würde und gehören zur Famili… | |
Deshalb dürfen die Haustiere fortan nicht verpfändet, verlassen, | |
misshandelt oder von einem ihrer Eigentümer getrennt werden. | |
„Es ist ein moralischer Sieg in einem Land, in dem jedes Jahr mehr als | |
200.000 Tiere ausgesetzt werden“, sagte Juantxo López de Uralde, | |
ehemaliger Greenpeace-Chef in Spanien und nun Angeordneter von Unidas | |
Podemos (UP), dem linksalternativen Juniorpartner [1][in der | |
Regierungskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez.] Die Reform geht | |
auf eine Initiative der UP zurück. Sie ist der erste Schritt hin zu einem | |
„Gesetz zum Tierwohl“, das die UP ausgearbeitet hat. | |
Es soll in den nächsten Monaten dem Parlament vorgelegt werden. Es besagt, | |
dass nur die Züchter selbst mit Tieren handeln dürfen. Tierheime sollen | |
nicht zu vermittelnde Tiere nicht mehr einschläfern dürfen. Und natürlich | |
geht es um Gewalt gegen Tiere. Genau hier wird Spaniens Rechte hellhörig. | |
Die rechtsextreme Vox stimmte gegen die am Dienstag in Kraft getretene | |
Reform. Sie sei „Unsinn“. Denn die „Tiere werden vermenschlicht, und der | |
Mensch wird entmenschlicht“, erklärte ein Sprecher der neofranquistischen | |
Partei und drittstärksten Kraft im spanischen Parlament. | |
Die konservative Partido Popular (PP) stimmte dieses Mal zu, aber kündigte | |
bereits an, dass dies bei weiteren Maßnahmen nicht unbedingt so sein werde. | |
Denn was dem einen Gewalt gegen Tiere und Misshandlung ist, ist dem anderen | |
Brauchtum. „Geben Sie nicht dem extremistischen Druck ihrer Partner nach, | |
die unsere Tradition, unsere Kultur, unsere ländliche Welt angreifen“, | |
richtete sich eine Sprecherin der PP an Premier Sánchez. Neben dem | |
Stierkampf meint die PP mit „ländlicher Welt“ wohl die Jagd. | |
## Und die Kirche? | |
Ein Großteil der 2020 ausgesetzten 258.300 Tiere sind Hunde, viele davon | |
Jagdhunde, die zu alt und zu schwach geworden sind, um ihren Job | |
befriedigend zu erfüllen. Vor allem Windhunde werden immer wieder gefunden: | |
misshandelt und oft gar mit Schlingen erhängt. Einige haben Glück und | |
landen in der Stadt. Urbane Gutmenschen adoptieren sie gerne. Je | |
gentrifizierter der Stadtteil, umso mehr Paare mit Windhunden gibt es. Was | |
aber, wenn sich die „Papis“, wie die Spanier die Hundebesitzer nennen, | |
trennen? Bei wem bleibt dann das Symbol für das große, tierliebe Herz? Auch | |
hier hat die am Dienstag in Kraft getretene Reform eine Antwort. | |
Scheidungsgerichte müssen sich fortan nicht mehr nur um die gemeinsame | |
Wohnung oder um die Sprösslinge kümmern, sondern auch um die „fühlenden | |
Wesen“. Nach einer Scheidung haben beide Teile das Recht, abwechselnd mit | |
dem geliebten Tier – egal welcher Art – Zeit zu verbringen. Wenn eine der | |
Konfliktparteien nachweislich das Tier quält, kann ihr das Sorgerecht | |
entzogen werden. Verkauft kann das Tier nur dann werden, wenn alle | |
Co-Eigentümer dem zustimmen. | |
Und, wie immer, die Kirche hat mal wieder keiner gefragt. Als hätte er | |
[2][Spaniens Linksalternative – deren Sprecherin in der Regierung, | |
Arbeitsministerin Yolanda Díaz], kürzlich im Vatikan zur Audienz war – im | |
Sinn, nahm sich Papst Franziskus des Themas Haustiere an. „Viele Paare | |
haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben nur eins – aber | |
sie haben zwei Hunde, zwei Katzen“, beklagte der 85-Jährige. Haustiere | |
nähmen oft den Platz von Kindern ein. „Ein Kind zu bekommen ist immer ein | |
Risiko, ob auf natürlichem Wege oder durch Adoption. Aber es ist riskanter, | |
keine zu bekommen“, sagte der Papst. Ob Franziskus Haustiere hat, ist nicht | |
bekannt. | |
6 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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