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# taz.de -- Recht auf Abtreibung in Argentinien: Frauen auf der Straße
> Argentiniens neuer Präsident Fernandez will das strikte Abtreibungsverbot
> in seinem Land lockern. Befürworter und Gegner machen mobil.
Bild: Ein Meer von Grün für das Recht auf Abtreibung: Buenos Aires, Mittwocha…
Buenos Aires taz | „El aborto será ley – die Abtreibung werde Gesetz!“
Tausendfach schallte die Forderung am Mittwoch in Buenos Aires aus einem
wogenden Meer von grünen Halstüchern. Vor allem junge Frauen skandierten
sie und streckten das grüne Symbol der Abtreibungskampagne in Richtung
Parlamentsgebäude. Dort soll in diesem Jahr endlich das strikte
Abtreibungsverbot in Argentinien fallen.
Mit der „Manifestation der grünen Halstücher“ startete jetzt die „Kampa…
für das Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung“ ihre
jährliche Mobilisierung. „Seit fünfzehn Jahren streiten wir für das Recht
auf eine legale Abtreibung. Dieses Jahr wird es klappen“, zeigten sich die
Veranstalterinnen optimistisch. Die Kampagne vereint über 300 Gruppen. Und
Optimismus war überall zu spüren. „Legale Abtreibung 2020“ prangte in
großen Lettern auf der Bühne vor dem Kongressgebäude, als das
Frauenkollektiv LASTESIS mit ihrer [1][Performance „Un Violador En Tu
Camino“] (Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) die grüne Menge in rhythmische
Bewegungen versetzte.
Die vier Frauen aus Chile hatten ihre Originalversion der argentinische
Realität angepasst: „Es ist der Kongress, in dem sie für die klandestine
Abtreibung stimmen“, intonierten sie. 2018 hatte der Kongress, das
argentinische Parlament, erstmals über die Lockerung des Abtreibungsverbots
abgestimmt. Während das [2][Abgeordnetenhaus] sich knapp für die Lockerung
aussprach, wurde sie im [3][Senat] letztlich abgelehnt.
Es war die erste große Pro-Abtreibungs-Demo in der Amtszeit des neuen
Präsidenten [4][Alberto Fernández]. Er hatte im Wahlkampf die
Entkriminalisierung der Abtreibung versprochen und dies bei seinem
Amtsantritt im Dezember 2019 bekräftigt. „In Argentinien ist Abtreibung ein
Verbrechen. Was ist die Folge? Dass jede Abtreibung klandestin vorgenommen
wird und sich so das Risiko für das Leben und die Gesundheit der Frauen
erhöht“, erklärte der Präsident zuletzt Anfang Februar vor Studierenden bei
einem Besuch in Paris. „Ich habe schon tausendmal gesagt, man muss die
Abtreibung entkriminalisieren und legalisieren. Legalisierung bedeutet,
dass alle Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem haben, um eine
angemessene Versorgung zu bekommen.“
Gegenwärtig ist ein [5][Schwangerschaftsabbruch in Argentinien] nur in zwei
Ausnahmefällen erlaubt: Wenn das Leben der Frau bedroht ist oder wenn die
Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. In beiden Fällen muss zuvor
eine richterliche Bestätigung eingeholt werden. Diese Bestimmung gilt seit
Anfang der 1920er Jahre. Jeder andere Abbruch kann mit bis zu vier Jahren
Haft bestraft werden.
Die Dunkelziffer der nichtlegalen Abtreibungen liegt nach unterschiedlichen
Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 im Jahr. Nach Angaben der Kampagne
sind seit 1983 über 3.000 Frauen an den Folgen eines klandestinen Abbruchs
gestorben.
## Was sagt der Papst aus Argentinien dazu?
Fernández hat zwei Gesetzesvorlagen in Auftrag gegeben. Eine soll den
Rahmen der erlaubten Abtreibungen abstecken. Die andere, unter dem Motto
„Nachhaltige Mutterschaft“, soll die staatliche Begleitung und
Unterstützung schwangerer Frauen bis zu Geburt des Kindes definieren. Damit
will der Präsident dem Widerstand der Abtreibungsgegner*innen begegnen,
allen voran der katholischen Kirche.
Für den argentinischen Papst in Rom wäre jedwede Lockerung des
Abtreibungsverbots in seinem Heimatland eine herbe Niederlage. Argentiniens
Kirchenspitze bleibt nicht untätig. Ausgerechnet für den Frauentag am 8.
März hat sie alle Bischöfe zu einer Messe zum Wallfahrtsort Luján unter dem
Motto „Ja zu Frauen. Ja zum Leben“ gerufen. Dort sollen die Gläubigen für
den „Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen
Tod“ eintreten.
Auch dazu haben sich die Frauen von LASTESIS eine Songzeile einfallen
lassen: „Schlaf ruhig, minderjährige Mutter. Egal wer dich vergewaltigt hat
– über dein Kind, das unschuldige Baby, wacht die Heilige Inquisition.“
20 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=BVAwApd4zw8
[2] /Schwangerschaftsabbruch-in-Argentinien/!5510697
[3] /Abstimmung-in-Argentiniens-Senat/!5526951
[4] /Neuer-Praesident-in-Argentinien/!5649275
[5] /Schwangerschaftsabbruch-in-Argentinien/!5510697
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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