# taz.de -- Schwangerschaftsabbruch in Argentinien: Parlament stimmt für Abtre… | |
> Nach einer Marathondebatte stimmt die Mehrheit für eine Liberalisierung | |
> des Abtreibungsgesetzes. Das ist auch ein Sieg für die Frauenbewegung. | |
Bild: Argentinische Frauen demonstrieren für das Recht auf Schwangerschaftsabb… | |
BUENOS AIRES taz | In Argentinien hat das neue Abtreibungsgesetz die erste | |
parlamentarische Hürde übersprungen. Mit knapper Mehrheit stimmten die | |
Abgeordneten am Donnerstagmorgen erstmals für eine Liberalisierung der | |
Abtreibung. 129 Abgeordnete votierten mit Ja, 125 mit Nein, bei einer | |
Enthaltung. | |
Vorausgegangen war eine 23-stündige mitunter hitzig und polemisch geführte | |
Debatte. Pro und Contra gingen dabei quer durch die Parteien. Jetzt muss | |
der Senat entscheiden. | |
Vor dem Kongressgebäude jubelten die BefürworterInnen, während die | |
GegnerInnen zwischen Schweigen und Pfiffen schwankten. Die ganze Nacht über | |
hielten beide Seiten Mahnwachen ab. Trotz winterlicher Kälte waren | |
zeitweise mehrere zehntausend auf den Straßen rund um das Kongressgebäude | |
unterwegs. Rund drei Viertel zeigten mit grünen Halstüchern ihre | |
Zustimmung. Knapp ein Viertel dokumentierte mit hellblauen Halstüchern die | |
Ablehnung. Frühzeitig hatte die Polizei mit Absperrgittern einen neutralen | |
Korridor eingerichtet, um beide Seiten auf Distanz zu halten. | |
Abgesehen von einigen Verbalattacken war die Nacht friedlich verlaufen. | |
„Argentinien ist noch immer tief von der katholischen Sexualmoral geprägt,“ | |
sagt Marcelo Flugsman, das grüne Halstuch um den Arm gebunden. In Europa | |
seien die Liberalisierungsdebatten vor 30, 40 Jahren gelaufen, so der | |
62-jährige Rentner. | |
## Protest von religiösen Gruppierungen | |
„Unsere Gesellschaft muss da noch durch.“ Die intensive Diskussion der | |
letzten Wochen habe das ganze Land sensibilisiert und die Stimmung habe | |
sich eindeutig in Richtung Liberalisierung gedreht. „Hier, die vielen | |
jungen Menschen, das ist nicht mehr aufzuhalten.“ | |
Vor allem junge Frauen prägten mit grüngeschminkten Gesichtern das Bild. | |
„Dieses Gesetz ist überfällig,“ sagt Sofia Jampietri. Weiter jährlich ü… | |
500.000 illegale Abtreibungen zu dulden, sei ein Verbrechen, so die | |
21-Jährige, die mit einer Gruppe junger Frauen Aufklärungsunterricht an | |
Schulen in den Armenvierteln gibt. Am häufigsten werde sie nach der Pille | |
danach gefragt, die es in jeder Apotheke frei zu kaufen gibt. „Viele | |
Mädchen verhüten nur mit der Pille danach und nehmen sie nach jedem Sex.“ | |
Auf der anderen Seite der neutralen Zone ist der Andrang weniger groß, doch | |
auch hier sind überwiegend junge Erwachsene vor die aufgebaute Bühne | |
gekommen. Auf der Bühne wird unermüdlich der Schutz des ungeborenen Lebens | |
gefordert, das unmittelbar nach dem Zeugungsakt entstehe. Deshalb, so die | |
Ansagerin, sei jede Abtreibung ein Mord mehr. „Ich bin hier, um das Leben | |
zu verteidigen,“ sagt Sofia Camilla. | |
Die 18-jährige Mathematikstudentin an der katholischen Universität Fasta | |
ist zuversichtlich, dass das Gesetz spätestens im Senat gestoppt werden | |
wird. | |
Davon ist auch Gonzalo Sanchez von der Frente Joven (Jungen Front) | |
überzeugt. „Das Gesetz richtet sich gegen die Schwächsten der Gesellschaft | |
und hilft den Frauen in keiner Weise,“ sagt der 22-Jährige, der an der | |
katholischen Universität UCA Geschichte studiert. Seine sich weltlich | |
gebende Jugendorganisation hat sich mit über 130 konservativen und | |
religiösen Gruppierungen zur Unidad Provida zusammengeschlossen, der | |
argentinischen Variante der aus den USA kommenden konservativen | |
Pro-Life-Bewegung. | |
Sollte der Senat zustimmen, könnte zukünftig jede Frau während der ersten | |
14 Wochen der Schwangerschaft selbst über einen Abbruch entscheiden. Danach | |
wäre eine Abtreibung im Fall einer Vergewaltigung, bei Gefahr für das Leben | |
der Frau und bei schwerwiegenden Missbildungen beim Fötus erlaubt. | |
14 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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