# taz.de -- Buch über die „Lebensschutz“-Bewegung: Marsch durch die Instit… | |
> Sie nutzen Lücken in der Gesetzgebung und versuchen, ihr eigenes | |
> Rechtsverständnis zu etablieren. Ein neue Studie widmet sich den | |
> „Lebensschützern“. | |
Bild: Jedes Jahr laufen Abtreibungsgegner*innen auf dem „Marsch für das Lebe… | |
Die Debatte über Abtreibungen in Deutschland ist wieder da. Ausgelöst wurde | |
sie durch die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Website | |
darüber informiert hatte, dass sie Abtreibungen durchführt. Mit ihrem | |
Einspruch gegen das Urteil kochte eine längst eingeschlafene | |
Auseinandersetzung über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen* wieder hoch. | |
In „Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der | |
,Lebensschutz'-Bewegung“ beschreiben Kirsten Achtelik, Ulli Jentsch und | |
Eike Sanders wie christliche Fundamentalist_innen zunehmend in der | |
Öffentlichkeit ihre reaktionäre Ideologie verbreiten. Sie bezeichnen sich | |
als „Lebensschützer“, vertreten autoritäre Positionen und lehnen nicht nur | |
Abtreibungen ab, sondern richten ihre teils antidemokratische Kulturkritik | |
auch gegen die 1968er, gesellschaftlichen Fortschritt und Feminismus. Die | |
Anhänger_innen dieser Bewegung seien durch das gemeinsame christliche | |
Bekenntnis verbunden, schreiben die Autor_innen. Um sich der | |
säkularisierten Debatte anzupassen, entwickelten sie aber auch | |
naturwissenschaftliche, medizinethische und juristische Strategien. Den | |
Aufschwung der Rechten nutzten sie, um sich auf einen Marsch durch die | |
Institutionen zu begeben. | |
Gesteigerte Aufmerksamkeit erzielen die „Lebensschützer“ durch die „Mär… | |
für das Leben“, die sie alljährlich in verschiedenen Städten Deutschlands | |
gegen das Recht auf Abtreibung organisieren. Die Autor_innen berichten, | |
dass die „Lebensschützer“ vermehrt gegen Beratungsstellen für Schwangere | |
und Ärzt_innen vorgehen, die Abtreibungen vornehmen. Sie überziehen diese | |
mit juristischen Klagen und halten Kundgebungen vor deren Einrichtungen ab, | |
deklariert als „Mahnwachen“. | |
Schwangere Frauen auf dem Weg zu den Beratungsstellen belästigen sie mit | |
ihren reaktionären Vorstellungen und Gebeten, die sie als | |
„Gehsteigberatung“ beschönigen. Wie die Autor_innen erklären, geht es den | |
„Lebensschützern“ darum, Schwangere und Ärzt_innen, die Abtreibungen | |
vornehmen, als Mörder_innen zu stigmatisieren. Um das Angebot von | |
Schwangerschaftsabbrüchen einzuschränken, ziele die Bewegung aber auch auf | |
Ärzt_innen als potenzielle Verbündete ab. Sie appelliere an deren Gewissen, | |
sich der Beteiligung an Abtreibungen zu verweigern, und benutze das Recht | |
der Religionsfreiheit, um ihre Argumentation zu untermauern. | |
Anhand von Lücken und Widersprüchen in der Gesetzgebung versuchen die | |
„Lebensschützer“, ihr eigenes Rechtsverständnis zu etablieren, wo ihrer | |
Meinung nach eine Liberalisierung drohe. Sie versuchen gezielt, Bereiche zu | |
beeinflussen, in denen die gesellschaftliche Klärung bioethischer Fragen | |
nicht mit dem medizinischen Fortschritt mithalten kann. Techniken wie | |
Präimplantations- und Pränataldiagnostik, mit denen Erbkrankheiten und | |
Behinderungen vor der Geburt festgestellt werden sollen, aber auch die | |
Sterbehilfe rücken sie in die Nähe der nationalsozialistischen Euthanasie. | |
Gleichzeitig versuchen sie an Forderungen der Behindertenbewegung und | |
feministischer Organisationen anzuknüpfen, unterscheiden sich aber | |
grundlegend von deren Zielen: Während diese sich für eine Gesellschaft | |
einsetzen, in der behinderte Menschen gleichberechtigt leben können, geht | |
es den „Lebensschützern“ nur darum, das Recht auf Abtreibung abzuschaffen. | |
Die Autor_innen zeigen, wie wenig Sicherheit die derzeitige Gesetzgebung | |
dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen* bietet, und fordern, den Diskurs | |
über Abtreibungen, Reproduktionsmedizin und Sterbehilfe mit | |
emanzipatorischen Inhalten zu füllen. | |
10 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Zoe Sona | |
## TAGS | |
Lebensschützer | |
Fundamentalismus | |
Frauenrechte | |
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Studiengang Medizin | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
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