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# taz.de -- Abtreibungsdebatte in Argentinien: Hellblaue gegen grüne Halstüch…
> In Argentinien entscheidet der Senat über eine Abschaffung des strikten
> Abtreibungsverbots. Das Abgeordnetenhaus hat schon zugestimmt.
Bild: Für das Recht auf Abtreibung: Demonstrantin vor dem Kongressgebäude in …
Buenos Aires taz | Marco freut sich auf gute Geschäfte. Der fliegende
Händler steht vor dem Kongressgebäude in der Hauptstadt Buenos Aires und
verkauft Halstücher in den Farben Grün und Hellblau. Die grünen sind das
Symbol der AbtreibungsbefürworterInnen, die hellblauen das der GegnerInnen.
Dass er zwei äußerst unterschiedliche Zielgruppen im Visier hat, macht ihm
nichts aus. „Ich bin neutral, und beide Halstücher schützen auch gut gegen
den Winterwind“, lächelt der 36-Jährige.
Am Mittwoch beginnt im Senat die entscheidende Debatte über die mögliche
Lockerung des strikten Abtreibungsverbots. Bereits Mitte Juni hatte das
Abgeordnetenhaus [1][mit knapper Mehrheit dafür gestimmt]. Jetzt muss der
Senat noch zustimmen, dann kann zukünftig jede Frau selbst über einen
Abbruch während der ersten 14 Wochen der Schwangerschaft entscheiden.
Nach dieser Frist soll eine Abtreibung im Fall einer Vergewaltigung, bei
Gefahr für das Leben der Frau und bei schwerwiegenden Missbildungen des
Fötus erlaubt sein. Der Ausgang der Abstimmung ist offen.
## Die katholische Kirche hat den Ton deutlich verschärft
Am Abend der Entscheidung im Abgeordnetenhaus hatte sich Marco auf die
hellblaue Seite geschlagen. „Mein grünes Angebot war schnell vergriffen.“
Die Fassungslosigkeit der GegnerInnen nach Bekanntgabe des Ergebnisses war
beeindruckend, erzählt er. „Denen wurde ja eingebläut, dass auf der anderen
Seite nur potenzielle Mörder stehen, während sie auf der Seite des Lebens
stünden.“
In den vergangenen Wochen hat sich der Tonfall wesentlich verschärft. Indem
er [2][Abtreibungen mit nationalsozialistischen Praktiken verglich], hatte
der argentinische Papst aus Rom das Signal zum Angriff gegeben.
Nur wenig später forderte Víctor Fernández, der neue Erzbischof von La
Plata, Präsident Mauricio Macri müsse notfalls per Präsidentenveto das
Gesetz verhindern, „sollte er eine tiefe Überzeugung zu diesem Thema
haben“, so Fernández.
Ein Passant nähert sich, schaut auf die Halstücher: „Na, welche Farbe geht
besser?“ Ein provokanter Tonfall begleitet die Frage. Marco, ganz
neutraler Verkäufer, wiegt wortlos den Kopf hin und her. „Die Kirche hat
Macri richtig an den Eiern“, sagt der Passant. Dass der die Debatte im
Kongress überhaupt zugelassen habe, sei für den Armenpapst in Rom eine
Kriegserklärung gewesen. „Wenn Macri kein Veto einlegt, dann setzt der
Papst die Armen aus den Elendsvierteln Richtung Präsidentenpalast in
Marsch.“ Sagt es, tippt an seine Mütze und geht.
## „Wir können den Jungen nicht den Weg versperren“
In der kommenden Woche hofft Marco auf eine kräftige Umsatzsteigerung. Dann
werden wieder große Demonstrationen von GegnerInnen und BefürworterInnen
vor dem Kongress erwartet. Spätestens am Mittwoch wird dann der große
Vorplatz durch Absperrungen geteilt sein. Auf der einen Seite Grün, auf der
anderen Seite Hellblau.
Marta Miley bückt sich nach einem grünen Halstuch. Ihre 19-jährige Enkelin
habe die 69-Jährige überzeugt, habe ihr davon erzählt, dass es in
Argentinien zwischen 300.000 und 500.000 klandestine Abtreibungen im Jahr
gebe und dass seit 1983 über 3.000 Frauen an den Folgen eines solchen
Eingriffs gestorben seien.
Am Tag der Abstimmung wollen beide zusammen vor den Kongress kommen. „Meine
Generation hat vielleicht die meisten Schwierigkeiten, das alles zu
akzeptieren.“ Den tief sitzenden Katechismus könne man nicht allein durch
eine Abstimmung über Nacht überwinden. „Aber wir können den Jungen auch
nicht den Weg versperren.“
Marco packt jetzt seine Ware zusammen. Fünf grüne und vier blaue, so die
Bilanz des Nachmittags. Was er nach der Abstimmung mit seinem
Halstuchverkauf mache? „Keine Sorge, dann verkaufe ich orangefarbene.“ Die
seien das Symbol der kürzlich gestarteten Kampagne für eine komplette
Trennung von Staat und Kirche in Argentinien.
6 Aug 2018
## LINKS
[1] /Schwangerschaftsabbruch-in-Argentinien/!5510697
[2] /Papst-kommentiert-Abtreibungen/!5513660
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
Schwerpunkt Abtreibung
Mauricio Macri
Schwangerschaft
Kolumne Stadtgespräch
Argentinien
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Paragraf 218
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