# taz.de -- Reaktionen auf Deal zu Nord Stream 2: Sie fühlen sich verraten | |
> Die USA haben ihren Widerstand gegen Nord Stream 2 durch die Ostsee | |
> aufgegeben. Die EU und Anrainerstaaten protestieren. | |
Bild: Kurz vor der Fertigstellung: Baustelle von Nord Stream 2 in der Region Le… | |
Freude in Berlin, Enttäuschung und Ärger in Kiew und Brüssel: Trotz der | |
Einigung zwischen Kanzlerin Angela Merkel und der US-Regierung im Streit | |
über Nord Stream 2 sorgt das Gaspipeline-Projekt durch die Ostsee weiter | |
für Konfliktstoff. | |
Merkel bezeichnete die Einigung mit Washington am Donnerstag als „guten | |
Schritt“. Sie überwinde zwar nicht alle Differenzen, es sei wichtig, dass | |
die Ukraine ein Gas-Transitland bleibe, sagte sie. Russland habe ihr | |
versprochen, dass Energie nicht dazu benutzt werde, die Ukraine in eine | |
schwierige Situation zu bringen, versicherte sie. Der Text sei nun aber mit | |
der US-Regierung vereinbart. Merkel verwies auf die Möglichkeiten von | |
Sanktionen, falls Russland nicht Wort halte. | |
Jahrelang hatte der Bau der Gasleitung durch die Ostsee für Spannungen | |
zwischen Washington und Berlin gesorgt. Die USA warnten vor einer zu großen | |
Abhängigkeit Westeuropas von russischen Lieferungen und befürchten eine | |
geopolitische Schwächung insbesondere der Ukraine, wenn ein großer Teil | |
des Exports direkt über die Pipeline von Russland nach Deutschland fließt. | |
Die [1][USA verhängten zeitweise sogar Sanktionen]. | |
Am Mittwoch [2][einigten sich beide Seiten]. Die Gasleitung durch die | |
Ostsee kann ohne Sanktionen fertiggestellt werden. Im Gegenzug wird der | |
Gastransit durch die Ukraine um bis zu zehn Jahre verlängert. Zudem zahlt | |
Deutschland in einen Fonds ein, mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien in | |
der Ukraine gefördert wird. | |
## Ukraine und Polen erbost | |
Dort ist der [3][Ärger dennoch besonders groß]. Sofort nach Bekanntwerden | |
der Entscheidung initiierte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba | |
noch am gleichen Abend Konsultationen mit der EU und Deutschland und | |
versendete entsprechende Verbalnoten nach Brüssel und Berlin. Die | |
Vereinbarung von Washington, so Kuleba, bedrohe die Sicherheit der Ukraine | |
und verletze das in der Energieunion der EU festgehaltene Prinzip der | |
Diversifizierung. | |
Wenig später veröffentlichte Kuleba mit seinem polnischen Kollegen Zbigniew | |
Rau eine gemeinsame Erklärung, in der sie ankündigten, dass man mit | |
Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten werde, um die Inbetriebnahme der | |
Pipeline doch noch zu verhindern. Die Entscheidung von Washington, so die | |
beiden Außenminister, bedeute für die Ukraine und Zentraleuropa zusätzliche | |
politische, militärische und energetische Bedrohungen. [4][Einziger | |
Nutznießer dieser Entscheidung sei Russland], so die beiden Außenminister. | |
Verärgert zeigte sich auch Lana Serkal, Beraterin des ukrainischen | |
Energieministeriums. Es sei nicht korrekt, von möglichen Sanktionen gegen | |
Russland für den Fall zu sprechen, dass Russland mit der Gaspipeline | |
politischen Druck ausüben wolle. Denn politischen Druck übe Russland doch | |
jetzt schon aus, zitiert die Zeitung Nowoje Wremja Serkal. | |
Und auch Juri Vitrenko, Chef des staatlichen Gaskonzerns Naftogaz, zeigte | |
in einem in der Nowoje Wremja veröffentlichten Artikel Unverständnis vor | |
allem über Deutschlands Versprechen, es könne einen zehnjährigen Transit | |
von russischem Gas über die Ukraine garantieren. „Wenn überhaupt jemand so | |
etwas garantieren könnte, dann doch nur der Produzent dieses Gases, nämlich | |
Russland“, so Vitrenko. | |
## Hypothek im Verhältnis zur Ukraine | |
Parlamentssprecher Dmitrij Rasumkow forderte in einem Schreiben Nancy | |
Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, auf, die Sanktionen gegen | |
Nord Stream 2 beizubehalten und über zusätzliche Sanktionen gegen | |
natürliche und juristische Personen nachzudenken, die am Bau dieser | |
Pipeline beteiligt sind. | |
Auf Kritik stößt das deutsch-russische Projekt aber auch in Brüssel. „Die | |
Energiepolitik der EU ist nicht nur eine nationale Angelegenheit – sie | |
erfordert eine Abstimmung mit der EU und zwischen den Mitgliedstaaten“, | |
sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Seine Behörde beabsichtige daher, mit | |
den Mitgliedstaaten die Details der Umsetzung dieses Abkommens zu erörtern. | |
Darauf verweist auch der Grünen-Abgeordnete im Europaparlament Reinhard | |
Bütikofer. „Dass die USA es für ihre Aufgabe hielten, europäische | |
Energiesicherheit gegen Berlin zu verteidigen, war schon etwas peinlich“, | |
sagte Bütikofer. An der EU-Front sei der Kampf aber noch nicht vorbei. | |
Wenn Nord Stream 2 fertiggestellt sei, müsse es noch die Kriterien der | |
EU-Gasregulierung erfüllen. Und das werde nicht einfach. Zudem bleibe für | |
die künftige Bundesregierung eine schwere Hypothek im Verhältnis zur | |
Ukraine, zu Polen und den anderen Ostsee-Anrainern, die sich von | |
Deutschland verraten fühlten. | |
Zustimmung für die Einigung kommt hingegen von der Linkspartei. Der | |
Wirtschaftsexperte der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, bezeichnete | |
es als „Erfolg“, dass die Pipeline nun fertiggestellt werden könne. Was er | |
hingegen kritisierte: dass die Vereinbarung mit den USA die Möglichkeit von | |
Sanktionen gegen Russland festschreibe. Dies, so Ernst, widerspreche „dem | |
Gedanken der Souveränität Deutschlands und Europas. | |
22 Jul 2021 | |
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[1] /Nord-Stream-2-und-USA/!5745367 | |
[2] /Deal-zum-Bau-von-Nord-Stream-2/!5788631 | |
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[4] /Einigung-um-Pipeline-Nord-Stream-2/!5785130 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Bernhard Clasen | |
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