| # taz.de -- Quasi-Enteignung der Rosneft-Töchter: Abschied vom russischen Öl | |
| > Auch wenn kein Öl aus Russland fließt: Die Arbeitsplätze der Raffinerie | |
| > Schwedt und die Versorgung Ostdeutschlands will die Regierung | |
| > gewährleisten. | |
| Bild: Der Bund handelt und übernimmt Anteil an der PCK-Schwedt | |
| Berlin taz | Auch ohne russisches Öl sollen die Arbeitsplätze der | |
| Raffinerie im brandenburgischen Schwedt erhalten bleiben. Das sagte | |
| Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitagnachmittag, nachdem die Regierung | |
| morgens zwei hiesige Tochterfirmen des russischen Konzerns Rosneft unter | |
| staatliche Verwaltung gestellt hatte. Die Entscheidung betrifft neben | |
| Schwedt auch die Mineralölraffinerie Oberrhein in Karlsruhe und Bayernoil | |
| in Vohburg. | |
| Als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine soll ab kommenden | |
| Januar [1][kein Rosneft-Öl mehr nach Deutschland fließen]. Die | |
| Quasi-Enteignung dient dazu, die Raffinerien trotzdem am Laufen zu halten. | |
| Vor allem in Schwedt fürchten viele Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze, | |
| Anwohner:innen um ihren Wohlstand. | |
| Die Raffinerie PCK, an der Rosneft mit über 50 Prozent beteiligt ist, | |
| beschäftigt rund 1.200 Leute. Tausende weitere Jobs profitieren von dem | |
| Konzern in einer Region, die mit gut bezahlter Arbeit nicht gesegnet ist. | |
| Scholz versprach ein „Zukunftspaket“ für Schwedt im Umfang von 825 | |
| Millionen Euro. Das beinhaltet die kurzfristige Sicherung der | |
| Arbeitsplätze. „Kündigungen werden vermieden“, sagte der Bundeskanzler. | |
| „Dafür könnten bekannte Instrumente wie die Kurzarbeit infrage kommen oder | |
| auch Finanzhilfen des Bundes“, sagte Wirtschaftsweise Veronika Grimm auf | |
| Anfrage der taz. „Grundsätzlich ist das Geschäftsmodell der Raffinerien | |
| nicht gefährdet. Treibstoff auf Erdölbasis wird weiterhin gebraucht.“ | |
| ## Habeck: „Die Versorgung ist gesichert“ | |
| Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte, dass | |
| [2][„Investitionen in die klimaneutrale Transformation jetzt beginnen“ | |
| würden]. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker die Produktion | |
| [3][synthetischen Kerosins] für Flugzeuge in Schwedt. | |
| Neben diesen Maßnahmen will die Bundesregierung ein Programm im Volumen von | |
| 750 Millionen Euro für die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern | |
| und Sachsen-Anhalt auflegen. Dabei geht es unter anderem um den Ausbau der | |
| Ostseehäfen für Energieimporte. | |
| Zur weiteren Versorgung von Schwedt mit Erdöl sagte Scholz: „Die Pipeline | |
| von Rostock wird ertüchtigt.“ Augenblicklich kann sie nicht genug Rohstoff | |
| transportieren, um die russischen Lieferungen komplett zu ersetzen. | |
| Für den Fall, dass Rosneft den Ölfluss als Reaktion auf die Entscheidung | |
| der Bundesregierung schon in den nächsten Tagen stoppt, erklärte | |
| Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): „Die Versorgung ist | |
| gesichert.“ Die Öllager seien voll und die Verhandlungen mit Polen über | |
| Ersatzlieferungen über den Hafen Gdańsk „weit fortgeschritten“. Polen will | |
| erst liefern, wenn Rosneft mit Schwedt kein Geld mehr verdient – eine | |
| Voraussetzung, die nun erfüllt sein könnte. | |
| „Die Versorgung von Schwedt mit Öl sicherzustellen ist ambitioniert“, gab | |
| Ökonomin Grimm allerdings zu bedenken. „Die Pipeline aus Rostock und | |
| Lieferungen per Schiff über den Hafen Gdańsk reichen eventuell nicht aus“, | |
| sagte die Volkswirtschaftsprofessorin. Infrage kommen aber auch Lieferungen | |
| per Lkw und Zug aus anderen Regionen Deutschlands. | |
| In einigen Jahren könnte außerdem eine neue Pipeline aus Gdańsk helfen. Die | |
| am Freitag verbreitete Information, dass der polnische Ölkonzern Orlen in | |
| Schwedt einsteigen könnte, mag ein Hinweis in diese Richtung sein. | |
| Um Rosneft die Verfügungsgewalt zu entziehen, hat das | |
| Bundeswirtschaftsministerium die Bundesnetzagentur als Treuhänderin über | |
| Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH eingesetzt. | |
| Die Behörde benannte daraufhin Rechts- und Insolvenzanwalt Christoph Morgen | |
| von der Kanzlei Brinkmann & Partner als Geschäftsführer der hiesigen | |
| Rosneft-Firmen. | |
| Die Einrichtung der Treuhandschaft sei auch notwendig gewesen, weil externe | |
| Firmen wegen der Sanktionen gegen Russland keine Geschäfte mehr mit Schwedt | |
| machen wollten, erklärte das Wirtschaftsministerium. Der Entzug der | |
| Verfügungsgewalt ist formal zunächst auf ein halbes Jahr befristet. | |
| 16 Sep 2022 | |
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| Hannes Koch | |
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