# taz.de -- Publikation „Re:Bunker“: Sicherheit, die Angst macht | |
> Die Bremer Hochschule für Künste und die École Européenne Supérieure | |
> d’Art de Bretagne haben sich gemeinsam mit dem Thema Bunker befasst. | |
Bild: 1.300 Zwangsarbeiter starben beim Bau des Bremer Bunkers Valentin | |
BREMEN taz | Bunker zu bauen, ist sowas wie negative Stadtplanung. Man tut | |
es, weil ihre Umgebung in Schutt und Asche liegen wird – und im Falle der | |
deutschen Weltkriegsbunker auch, damit die Zerstörung weitergehen kann. Sie | |
halten die Moral an der Heimatfront hoch, schützen die eigenen | |
Waffenfabriken und halten jene am Leben, die weiter töten sollen. | |
Ein Bunker ist ein Mahnmal dieser Widersprüche, ein gigantischer | |
Betonklotz, der Stadtbilder über viele Nachkriegsgenerationen weiterhin | |
prägt, obwohl er sich eigentlich unsichtbar zu machen versucht vor | |
feindlichen Bombern. | |
Bei dieser Gemengelage ist es kein Wunder, dass auch die Kunst sich seit | |
einigen Jahren auf die Kriegsarchitektur – sorry – eingeschossen hat. | |
Gerade ist ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt der Bremer | |
Hochschule für Künste (HfK) und der École Européenne Supérieure d’Art de | |
Bretagne (EESAB) zum Thema Bunker zum vorläufigen Abschluss gekommen. | |
Ausgangspunkte waren hier der U-Boot-Bunker „Valentin“ in Bremen-Farge und | |
die U-Boot-Reparaturwerft Brest, die ab 1940 von den Nazis an der | |
französischen Atlantikkünste errichtet wurde. Nach mehreren Jahren | |
Forschung und wechselseitig bespielten Ausstellungen ist nun ihr Buch | |
„Re:Bunker“ erschienen. Herausgegeben haben es Katrin von Maltzahn, | |
Professorin für Freie Kunst an der HfK und Mona Schieren, die hier Theorie | |
und Geschichte der Kunst lehrt. Unter den Autor*innen findet sich auch | |
Natascha Sadr Haghighian, die gerade den deutschen Pavillon für die | |
anstehende Biennale di Venezia kuratiert. | |
Auch in diesem Bunkerbuch geht es zentral um Widersprüche: Architektonisch | |
sind die Bunkeranlagen monumental, dabei aber roh und absolut funktional. | |
Gedacht sind sie zur vorübergehenden Nutzung im Kriegsfall – halten tun sie | |
für die Ewigkeit. Auf 256 Seiten kreisen die Texte und Fotografien um diese | |
unruhige Metaphorik, die Bauweise, Erinnerungskultur und | |
gesellschaftswissenschaftliche Fragen: ein interdisziplinäres Projekt, das | |
bewusst mehrdeutig bleibt. Das Buch „Re:Bunker“ dokumentiert schließlich | |
einen laufenden Prozess. | |
Der Band zeigt etwa die Werke einer Ausstellung im „Denkort Bunker | |
Valentin“, wo junge Künstler*innen den Krieg beleuchten, ohne dass er | |
ausdrücklich vorkäme. Da sind verpixelte Aufnahmen von Kriegsschauplätzen, | |
die auf Stellwänden rückwärts vor der Bunkerwand aufgebaut wurden – und | |
sich und dem Krieg so Sinn und Deutung verweigern. | |
Eine andere Arbeit widmet sich den Fledermauskolonien, die zwischenzeitlich | |
in den Bunker gezogen waren – und erinnert zugleich an Drohnen, die | |
Schreckgespenster aktueller Kriegsführung. Alle diese Arbeiten beziehen den | |
Ausstellungsort nicht nur ein, sondern rücken ihn unmittelbar ins Zentrum. | |
Dieser Bunker in Bremen-Farge war im Zweiten Weltkrieg als U-Boot-Fabrik | |
konzipiert worden, in Zeiten, als Deutschland die Lufthoheit bereits | |
verloren hatte. Im Schutz des Betons sollten Schiffe gebaut werden, um den | |
Krieg im Atlantik zu entscheiden. Als die alliierte Luftwaffe den Baustopp | |
endlich herbeibombte, hatte der Bau bereits mindestens 1.300 Menschenleben | |
gekostet: Die Zwangsarbeiter*innen waren unter dem Kommando der | |
„Organisation Todt“ verhungert, erschossen oder bis zur völligen | |
Entkräftung zur Arbeit getrieben worden. | |
## Positive Umdeutung durch Clubkultur | |
„Inwiefern schreibt sich Geschichte in die Materialität des Betons ein?“, | |
ist eine der Leitfragen von „Re:Bunker“ und klingt irritierend nüchtern | |
angesichts der Dimensionen des Tötens. Aber tatsächlich kommt es genau | |
darauf an, wenn sich die Kunst heute mit Bunkern beschäftigt. Und das tut | |
sie auf sehr vielfältige Weise: Das Buch handelt etwa von Kunst als Mittel | |
der Gedenkstättenpädagogik – aber auch als von außen Herangetragenes, das | |
den Krieg höchstens subtil oder gar unfreiwillig mitdenkt. Wo die | |
Clubkultur in Bunkeranlagen einzieht, findet eine extreme, positive | |
Umdeutung statt: so wie in Hamburg beim „Übel & Gefährlich“ im Flakturm a… | |
dem Heiligengeistfeld – oder wenn sich in Bremen der linksalternative Club | |
„Zucker“ um den Waller Hochbunker bemüht. | |
Das Buch stellt neben der Ausstellung neun weitere Künstlerpositionen zum | |
Bunker ausführlich vor. Cyprien Gaillard hat sich vor einigen Jahren mit | |
einem Bunker des „Atlantikwalls“ beschäftigt, dem deutschen Versuch, die | |
europäische Westküste gegen die englisch-amerikanische Invasion zu | |
befestigen. | |
Die 8.119 Bunker auf 2.685 Kilometern hielten der Invasion nicht lange | |
stand. Bis heute lässt sich darüber streiten, ob das Megaprojekt Bluff, | |
Propagandalüge oder reine Fehlplanung war. Auch Gaillard löst das nicht | |
auf: Er lässt einen dieser Bunker am Strand vorübergehend ausgraben und | |
fotografiert, wie die im wahrsten Sinne des Wortes verschüttete | |
Kriegsgeschichte zum Publikumsmagneten wird, während im Hintergrund ein | |
ganz anderes Großprojekt entsteht. Dort wird gerade Den Haags Stadtteil | |
Duindorp saniert, aufgewertet, lebenswert gemacht – und teuer. | |
Erstaunlich subtil arbeitet die Kunst hier ein „komisches Gefühl“ heraus, | |
das sich um Bunker unweigerlich einstellt, seit sie Normalität geworden | |
sind. In den mehr als 70 Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg haben sich viele | |
der Klötze als bedeutend langlebiger erwiesen als die Architektur | |
drumherum. Man hat sich arrangiert, sie eben zu Clubs umgewidmet, sie in | |
moderne Bauwerke integriert – mal verschleiernd, oder heute, wo der | |
Brutalismus ein Revival feiert, auch ganz offensiv. | |
Die Beiträge in „Re:Bunker“ sind keine moralische Anklage – weder die | |
vorgestellten Kunstwerke, noch die theoretischen Aufsätze. Aber es zieht | |
sich die Frage durchs Buch, wie viel Krieg im öffentlichen Raum des | |
Nachkriegseuropas noch steckt und was der Strandsand darauf oder die | |
ironisch-kritische Clubfassade daneben wirklich ausmachen. | |
Das sind Fragen, die vielleicht nicht wirklich neu sind, die aber einigen | |
Nachdruck bekommen, wo das Friedensprojekt Europa an allen Ecken und Enden | |
zu zerfallen droht. Die Hochschule für Künste und ihre französischen | |
Partner*innen jedenfalls wollen sich damit im Jahr der Europawahl „aktiv | |
einschalten in die Debatte um neue Faschismen in Europa“. Und das ist | |
vielleicht der wichtigste Widerspruch in dieser Beton gewordenen Metapher: | |
wie selbstverständlich die Verteidigung nach außen umschlägt in die | |
Befestigung und Verhärtung des Inneren. | |
19 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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