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# taz.de -- Ausstellung über Titos Bunker: Der Esprit einer unterirdischen Fes…
> Das Phänomen des Bunkers: Der Württembergische Kunstverein nimmt die
> Kunstbiennale in Konjic zum Anlass einer Annäherung.
Bild: Tito zu Lebzeiten
Vermutlich hätten 351 Männer und eine Frau überlebt. Für den Fall, dass
auch sein blockfreies Jugoslawien ins Feld der atomaren Schläge geraten
sollte, ließ Staatslenker Josip Broz Tito in Konjic, unweit von Sarajevo,
eine Bunkeranlage in die Berge treiben. Eine 4,6 Milliarden US-Dollar teure
Lebensversicherung für ihn, seine Gattin und 350 auserwählte Vertreter der
politischen und militärischen Elite. Sie zahlte sich nie aus. Tito starb
ein Jahr nach der Fertigstellung, der Atomkrieg blieb aus, die Nation ging
im Feuer konventioneller Waffen unter. So schlummerte der Bunker bis ins
Jahr 2011, als es dem Künstlerpaar Edo und Sandra Hozic gelang, die Anlage
Stück für Stück mit Kunst zu infiltrieren und hier eine Biennale zu
etablieren.
Die Project Biennal D-0 ARK geht nun in die vierte Runde, diesmal kuratiert
von Iris Dressler und Hans D. Christ, den Direktoren des Württembergischen
Kunstvereins. Parallel dazu zeigen die beiden in Stuttgart eine
Ausstellung, mit der sie den Ort und das, was ihm anhaftet, aus der Distanz
reflektieren wollen. Die Schau „Titos Bunker“ im Württembergischen
Kunstverein nimmt zudem die unterirdische Festung in Kojic als
Inspirationsquelle für eine künstlerische Annäherung an das Phänomen Bunker
an sich.
Ein Rauschen erfüllt den Kunstverein, mal stärker, mal schwächer, manchmal
verstummt es ganz. Es ist die Belüftungsanlage aus Titos Bunker. Jan-Peter
E. R. Sonntag hat den Stollen mit dem Mikrofon erkundet und den Sound der
Räume hierher übertragen. Neben dieser akustischen Dimension geben vier
Fotoserien von Jorge Ribalta ein Bild von Umgebung und Infrastruktur des
Bunkers. Mit seinen Aufnahmen von den Kabel-, Luft-, und Wasserverbindungen
des Bauwerks untergräbt er die Vorstellung vom Atombunker als kapselhaftes,
autarkes System. Wie verletzlich und brüchig scheinbar erhabene Monumente
sein können, machen auch David Brognon und Stéphanie Rollin in ihrer Serie
„Famous People Have No Stories“ deutlich. Sie fotografieren die
Handinnenflächen von Denkmalstatuen berühmter Persönlichkeiten. Zerkratzt
und verwittert tragen sie im Widerspruch zu ihrer Unsterblichkeit die
Wundmale der Zeit.
Ebenso fragil wirken auf einmal auch die offiziellen Fotografien von Tito.
Die serbische Künstlerin Vesna Pavlović hat sie aus dem Archiv geholt und
projiziert sie auf die Falten eines durchlässigen eisengrauen Vorhangs.
Damit löst sich die Ausstellung auch schon bald vom direkten Bezug auf
Persönlichkeit und Bauwerk des schillernden Staatschefs und führt
assoziativ auf weitere Felder. Der Bunker wird unter anderem zum
Referenzobjekt für Gedanken zu Wohnen, musealer Ausstellungspraktik,
Archive, Ökologie oder utopische Räume. Das hat zuweilen etwas Ausuferndes,
wäre da nicht das Feld, auf das die Ausstellung immer wieder zurückführt,
weil es vom Stichwort Bunker nicht zu trennen ist: Krieg.
Eine Werbeanzeige liegt aus: „Schlachtfelder-Rundfahrten im Auto!“ boten
die Basler Nachrichten 1921 ihren Lesern als Reklamefahrt auf die gerade
erst erkalteten Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs an. „600 km Bahnfahrt
II. Klasse. Einen ganzen Tag im bequemen Personen-Auto über die
Schlachtfelder, Übernachten, erstklassige Verpflegung. Wein, Kaffee,
Trinkgelder, Passformalitäten und Visum von Basel bis wieder zurück nach
Basel alles inbegriffen.“ Kommentiert wird die Annonce mit einer
Tonaufnahme von Karl Kraus, der sie in einer sarkastischen Zornrede
zerfetzt. Wer mit dem ansteckenden Feuer dieses großartigen Ausbruchs geht
und sich über die verkorksten Vorfahren erhebt, darf sich gerne auch
fragen, wieviel dekadenter Voyeurismus beim Verfolgen des Kriegsgeschehens
heute in uns steckt.
Wie man überhaupt ein Bild vom Krieg geben kann, das weder verharmlost noch
mit heischenden Schockwirkungen zur weiteren Abstumpfung beiträgt, ist eine
viel diskutierte Problematik. Die Stuttgarter Schau liefert eindrückliche
Beispiele, wie dies gelingen kann.
Da ist Alexander Sokurows Meisterwerk „Spiritual Voices“ von 1995. Mit
seinen dokumentarischen Filmaufnahmen begleitet er russische Soldaten an
der Grenze zu Afghanistan. Die tödliche Gefahr eines plötzlichen Angriffs
liegt genauso in der Luft wie die tödliche Langeweile eines schier endlosen
Abwartens. Die beinahe meditativen Aufnahmen beobachten die Soldaten in
diesem Alltag, konzentrieren sich in langen Einstellungen auf ihre schönen,
feinen und blutjungen Gesichter und erzählen dabei vielleicht mehr vom
Krieg als die Darstellung von Mord und Totschlag.
James T. Hong nähert sich einem chinesischen Bauern, den er in seiner
Lebenswelt zwischen Haus, Feld und Hühnern filmisch porträtiert. In
stoischer Ruhe geht der alte Mann seinen Aufgaben nach, zu denen auch das
Wechseln der Verbände an seinen Füßen gehört. 1942 wurde er von japanischen
Biowaffen infiziert. Er lebt seit 70 Jahren mit den offenen Wunden. Milomir
Kovačević erzählt mit Fotografien von Gegenständen, die ihre Besitzer an
ihre alte Heimat Sarajevo erinnern, ebenso auf stille, aber eindrückliche
Art von den Versehrungen des Krieges.
Schon allein die drei letztgenannten Werke machen die Schau wertvoll. Weil
sie auf eine poetische Weise das Menschliche feinzeichnen, um im Kontrast
dazu – ohne direkte Gewaltdarstellung – noch schärfer das zu zeigen, was
Krieg ist. Sie durchbrechen damit subtil die harten Bunkerwände unserer
medial abgestumpften Wahrnehmungsorgane.
6 Jun 2017
## AUTOREN
Christian Hillengaß
## TAGS
Tito
Bunker
Jugoslawien
Bunker
Bunker
Albanien
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