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# taz.de -- Prozess in Hamburg geplatzt: Rohrkrepierer der Staatsanwaltschaft
> Gerichtsverfahren gegen einen Journalisten wegen Verstoßes gegen das
> Waffengesetz ist ausgesetzt. Das Bundeskriminalamt soll erst prüfen, ob
> die Staatsanwaltschaft gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen
> hat.
Bild: Der Sachverständige und Journalist Lars Winkelsdorf fand eine BWT 5k, di…
HAMBURG taz | So etwas nennt man Rohrkrepierer: Das mit viel Vehemenz von
der Hamburger Staatsanwaltschaft betriebene Verfahren gegen den
Waffenexperten und kritischen Journalisten Lars Winkelsdorf, dem ein
Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen wird, ist geplatzt. Nun sitzt
die Staatsanwaltschaft auf der Anklagebank.
Nach 16 Verhandlungstagen soll ein Gutachten des Bundeskriminalamtes (BKA)
klären, ob sich die Anklagebehörde womöglich eines Verstoßes gegen das
Kriegswaffenkontrollgesetz schuldig gemacht hat. Da das BKA dafür die
Zustimmung des Wirtschaftsministeriums in Berlin braucht, was mehrere
Monate dauern kann, ist das Verfahren bis auf Weiteres ausgesetzt worden.
Das BKA soll nun prüfen, ob die Staatsanwaltschaft die von einem Gericht
konfiszierten Waffen nicht wieder in Umlauf hätte bringen dürfen, weil sie
dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen. Darunter waren eine
Maschinenpistole BWT 5k, ein Repetiergewehr der Marke Rossi sowie die
Pistolen Glock 17 und Ruger MK II mit Schalldämpfer.
Die Waffen waren 2007 bei Razzien gegen drei Mitglieder des Schützenvereins
Kaltenkirchen sichergestellt worden, gegen die wegen illegalen
Waffenhandels ermittelt wurde. Winkelsdorf hatte den Fall bei Recherchen
für Fernsehmagazine aufgedeckt. Die Sportschützen hatten damit geprahlt,
Waffen ins Rotlichtmilieu und die Rockerszene zu liefern, wo gerade der
Krieg zwischen Hells Angels und Bandidos tobte.
Im Prozess waren die Sportschützen 2010 dann nur als „Waffennarren“ wegen
illegalen Waffenbesitzes verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft ließ den
Vorwurf des Handels überraschend fallen. Die beschlagnahmten Waffen wurden
aber vom Gericht eingezogen.
2013 bekam Winkelsdorf den Tipp, dass sich die eingezogenen Waffen wieder
im Handel befänden und für die verurteilten „Waffennarren“ wieder
zugänglich seien. Die Staatsanwaltschaft hatte sie einem Waffenhändler
überlassen, den sie kurioserweise später wegen Waffenlieferungen nach
Syrien in den Knast bringen musste.
Winkelsdorf erstattete Anzeige bei der Justizbehörde, die sie allerdings
ignorierte. In Begleitung eines Anwalts für Waffenrecht und eines Reporters
transportierte Winkelsdorf deshalb am 7. März 2013 die nicht schussbereiten
Waffen vom Fachgeschäft Waffenhaus Eppendorf in eigens dafür vorgesehenen
verschlossenen Behältnissen vorschriftsmäßig zur Justizbehörde, um der
damaligen Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) die Waffen
demonstrativ zu übergeben. Doch die ließ die Polizei holen.
Die Staatsanwaltschaft fühlte sich auf den Schlips getreten. Vier Jahre
lang ermittelten mehrere Staatsanwälte, um Winkelsdorf, der Inhaber einer
Waffenbesitzkarte ist, einen Verstoß gegen das Waffengesetz nachzuweisen.
Denn trotz der Befugnis aus „journalistischen Gründen“ eine Waffe zu
besitzen, habe ihm für den Transport das notwendige „Bedürfnis“ gefehlt.
Bis zuletzt kämpfte Staatsanwalt Johannes Bryde – offenkundig auf Weisung
seiner Vorgesetzten – um eine Verurteilung Winkelsdorfs. Selbst wenn es zu
einem Fehler beim staatlichen Handeln gekommen sei, habe Winkelsdorf nicht
das Recht zur „Selbstjustiz“ gehabt, um die Waffen aus dem Verkehr zu
ziehen, argumentierte er.
Bei der BWT 5k musste er aufgrund eines Gutachtens des Landeskriminalamtes
allerdings eingestehen, dass dies ein „Grenzfall“ sei. „Niemand ist
aufgefallen, dass es Probleme geben könnte,“ räumte Bryde jetzt ein. Denn
mit handelsüblichen Bauteilen einer Maschinenpistole Heckler & Koch MP 5
hätte sich die BWT 5k schnell zu einer Automatik-Waffe umrüsten lassen.
Winkelsdorfs Verteidiger Uwe Maeffert ist über die Entwicklung erfreut.
„Wir hatten gleich zu Anfang angeboten, dass Verfahren einzustellen,“ sagt
er. Man habe aber ein Exempel an einem Kritiker des staatlichen Umgangs mit
Waffen statuieren wollen. Maeffert geht davon aus, dass die Posse nicht
noch einmal vor Gericht landet – egal wie das Gutachten ausfällt.
29 Jan 2017
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Waffenkontrolle
Staatsanwalt
Investigativer Journalismus
Justiz
Hamburg
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