| # taz.de -- Justiz-Posse in Hamburg: Justiz schießt zurück | |
| > Ein Journalist hat den halbherzigen Umgang der Hamburger | |
| > Staatsanwaltschaft mit beschlagnahmten Waffen angeprangert. Die macht ihm | |
| > nun den Prozess. | |
| Bild: Haufenweise beschlagnahmte Waffen soll die Staatsanwaltschaft wieder frei… | |
| HAMBURG taz | Für den renommierten Hamburger Strafverteidiger Uwe Maeffert | |
| ist das Verfahren gegen seinen Mandanten Lars Winkelsdorf längst zu einer | |
| „Posse“ mutiert. Der Journalist und Waffenexperte steht seit März wegen | |
| Verstoßes gegen das Waffengesetz in Hamburg vor dem Amtsgericht. | |
| Acht Verhandlungstage sind vergangen. Am Donnerstag hätte das Verfahren ein | |
| Ende haben können – wäre da nicht die Hamburger Staatsanwaltschaft. Die | |
| steht Maeffert und seinem Mandanten in diesem Fall nicht nur als | |
| Anklagebehörde gegenüber, sondern auch als „Partei“, ist Verursacher und | |
| Verfolger. | |
| „Es gibt überhaupt kein Vergehen, das sie dem Angeklagten vorwerfen | |
| können“, polterte Maeffert am Donnerstag im Saal 176 des | |
| Strafjustizgebäudes. „Aber es wird versucht, einen unbequemen Kritiker | |
| loszuwerden.“ | |
| ## Sturmgewehre und Maschinenpistolen | |
| Wie er darauf kommt? Der Waffenspezialist Winkelsdorf hatte am 7. März 2013 | |
| mit einer spektakulären Aktion ein Zeichen setzen wollen, gegen einen | |
| „Justizskandal“, wie er es nennt: Winkelsdorf wollte zeigen, dass der Staat | |
| zu leichtfertig mit der Rückgabe von beschlagnahmten Waffen umgeht und die | |
| Gefahren, die von Waffen ausgehen, nicht verringert. | |
| In Begleitung eines Anwaltes für Waffenrecht und einem „Radio | |
| Hamburg“-Reporter stattete Winkeldorf daher der Justizbehörde einen Besuch | |
| ab, um der damaligen Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) fünf | |
| Jahre zuvor von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Waffen demonstrativ | |
| zu übergeben – darunter Sturmgewehre und Maschinenpistolen. Diese waren | |
| damals zwei dubiosen WaffenhändlerInnen ohne Lizenz abgenommen worden. | |
| Doch später hatte die Staatsanwaltschaft die Waffen zum Handel wieder | |
| freigegeben, sie lagerten im Eppendorfer Waffenhaus, sodass sie auch den | |
| beiden „Waffennarren“ – wie die Staatsanwaltschaft die HändlerInnen nann… | |
| – wieder zugänglich waren. Winkelsdorf legte parallel zu der Aktion | |
| Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft | |
| ein. | |
| ## Kein illegaler Waffentransport | |
| Aber anstatt ihm nun für den Hinweis zu danken, ließ die Justizsenatorin | |
| die Polizei holen. Die Anklagebehörde fühlte sich auf den Schlips getreten | |
| und machte Winkelsdorf den Prozess: „Unerlaubter Transport von Waffen“ sei | |
| das gewesen. | |
| Allerdings: Winkelsdorf, der als Waffensachverständiger unter anderem | |
| bereits für die Grünen in den Bundestag geladen war, verfügte über eine | |
| Waffenbesitzkarte und hatte die nicht schussbereiten Waffen in | |
| verschlossenen Behältnissen eigentlich ordnungsgemäß transportiert. | |
| Und so ließ Amtsrichterin Katrin Fischer ihn am Donnerstag selbst eine | |
| halbe Stunde lang an einer herbeigeschafften Tafel im Gericht über die | |
| Facetten des Waffenrechts dozieren: Darüber, dass der von der | |
| Staatsanwaltschaft zugrunde gelegte Paragraf über den illegalen | |
| „Transports“ im Waffengesetz gar nicht zur Anwendung kommen könne. | |
| Seine Aktion sei durch einen anderen Paragrafen abgedeckt, der eine | |
| „Beförderung von Waffen zwecks journalistischer Tätigkeit“ regele. Genau | |
| dafür nämlich hatte sich Winkelsdorf vor der Aktion die Beförderung der | |
| Waffen noch per Mail von einem Sachbearbeiter der Waffenbehörde der Polizei | |
| genehmigen lassen. | |
| Nach dieser Ausführung sagte auch die Amtsrichterin: „Das Verfahren ist | |
| reif für eine Einstellung.“ Doch der Vertreter der Staatsanwaltschaft | |
| durfte einer Einstellung offenbar auf Weisung nicht zustimmen. | |
| ## Rotes Tuch für Polizei und Staatsanwaltschaft | |
| Winkelsdorf ist für Polizei und Staatsanwaltschaft ein Rotes Tuch. Er hatte | |
| 2010 Polizei und Staatsanwaltschaft mit Strafanzeigen wegen | |
| Strafvereitelung im Amt überzogen. Auf seine Veranlassung hin war 2008 ein | |
| Verfahren gegen den Schützenverein Kaltenkirchen eingeleitet worden, weil | |
| Mitglieder, die anonym in zwei seiner Fernsehbeiträgen für Sat.1 und Kabel | |
| 1 aufgetreten waren, Waffen an die Rockerclique Hells Angels Charter | |
| Northend Alveslohe bei Norderstedt verkauft haben sollen. | |
| Bei der Durchsuchung war auch ein enormes Waffenarsenal gefunden worden. | |
| Doch vor Gericht wurde das Verfahren wegen illegalen Waffenhandels auf | |
| illegalen Waffenbesitz reduziert. Die Beschuldigten seien nur | |
| „Waffennarren“ gewesen. | |
| „Es war ein völlig ungewöhnliches Verfahren, das ich in meiner langjährigen | |
| Praxis noch nicht erlebt habe“, sagte damals Winkelsdorfs Fachanwalt für | |
| Waffenrecht, Joachim Streitberger der taz. „Normalerweise wird in solchen | |
| Fällen sehr akribisch ermittelt.“ Auch damals ging der Schuss für | |
| Winkelsdorf nach hinten los: Er wurde wegen falscher Anschuldigung | |
| verurteilt. Der aktuelle Prozess wird am 1. September fortgesetzt. | |
| 16 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Müller | |
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