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# taz.de -- Journalist vor Gericht: Staatsanwaltschaft dealt mit Waffen
> Ein Journalist gibt beim Hamburger Justizministerium Waffen ab, die die
> Staatsanwaltschaft unrechtmäßig in den Handel brachte. Und wird dafür
> angeklagt.
Bild: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Sturmgewehre und Maschinenpistolen an …
HAMBURG taz | Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat sich ins eigene Knie
geschossen: Seit zehn Monaten drängt sie in einem Verfahren vor dem
Amtsgericht darauf, dass der Journalist und Waffenexperte Lars Winkelsdorf
wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wird. Nach 15
Prozesstagen sitzt allerdings immer mehr die Staatsanwaltschaft selbst auf
der Anklagebank. Es steht ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz
im Raum.
Als Winkelsdorf am 7. März 2013 in der Hamburger Justizbehörde erschien,
war das eine Demonstration, um auf den fragwürdigen staatlichen Umgang mit
beschlagnahmten Waffen aufmerksam zu machen, die eigentlich aus dem Verkehr
gezogen gehörten. Denn der Journalist hatte Waffen gefunden, die von der
Staatsanwaltschaft nach der Beschlagnahmung wieder in Umlauf gebracht
wurden. Er gab sie ab und wurde daraufhin angeklagt.
Auf die Waffen, darunter Sturmgewehre und Maschinenpistolen war Winkelsdorf
2007 bei seinen Recherchen für ein Fernsehmagazin über illegale
WaffenhändlerInnen im Schützenverein Kaltenkirchen gestoßen. Diese
verfügten über Kontakte zum Rotlichtmilieu und zu der Rockergruppe Hells
Angels Charter Northend Alveslohe bei Norderstedt. Bei Hausdurchsuchungen
fand die Polizei dann auch ein Arsenal an Waffen (taz berichtete).
## Waffen wieder im Handel
Im Prozess gegen drei Beschuldigte im Jahr 2010 ließen Polizei und
Staatsanwaltschaft trotz einer erdrückenden Beweislage den Vorwurf des
illegalen Waffenhandels fallen. Es kam nur zu einer Verurteilung der
„Waffenarren“ wegen illegalen Waffenbesitzes. Die Waffen wurden vom Gericht
konfisziert – so glaubte die Öffentlichkeit. Doch statt die Waffen zu
vernichten, gab ein Staatsanwalt sie wieder für den Handel frei.
Winkelsdorf entdeckte sie 2013 im Waffenhaus Eppendorf, wo sie den
„Waffenarren“ wieder zugänglich waren. Seine Anzeige bei der Justizbehörde
wurde ignoriert.
In Begleitung eines Anwaltes für Waffenrecht und einem Reporter
transportierte Winkelsdorf deshalb am 7. März 2013 die nicht schussbereiten
Waffen zur Justizbehörde in eigens dafür vorgesehenen, verschlossenen
Behältnissen, um sie der damaligen Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD)
demonstrativ zu übergeben. Schiedek ließ die Polizei holen, die das Agieren
Winkelsdorf vor Ort aber als zulässig einstufte.
Doch die Anklagebehörde fühlte sich auf den Schlips getreten und macht
Winkelsdorf, der als Waffensachverständiger eine Waffenbesitzkarte hat, den
Prozess: „Unerlaubter Transport von Waffen“, so der Vorwurf. Winkelsdorf
habe das „Bedürfnis“ zum Befördern gefehlt (siehe Kasten).
## Staatsanwalt in der Bredouille
Doch obwohl Richterin Katrin Fischer mehrfach appellierte, das Verfahren
einzustellen und der Leiter der Hamburger Waffenbehörde Winkelsdorf im
Zeugenstand die Berechtigung zum Befördern attestierte, beharrte
Staatsanwalt Johannes Bryde auf eine Verurteilung – und ist nun selbst in
die Bredouille geraten.
Denn die Staatsanwaltschaft Hamburg hat keinen Experten für das komplexe
Waffenrecht. Winkelsdorf aber kennt sich aus und macht deutlich, dass er
aus „journalistischen Gründen die Befugnis zur Beförderung der Waffen“
gehabt habe. Es habe sich somit nicht um einen verbotenen „Transport“
gehandelt, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft.
Zudem hätte der Staatsanwalt die gerichtlich eingezogenen Waffen wie eine
Pistole Glock 17, eine Ruger MK II mit Schalldämpfer und ein Repetiergewehr
der Marke Rossi nicht ohne Zustimmung des Gerichts wieder in den Handel
bringen dürfen, argumentiert Winkelsdorf.
## Händler im Knast
Und nicht nur das: Ein Gutachten des Landeskriminalamtes Sachgebiet
Schusswaffen, das der taz vorliegt, belegt, dass einige Waffen, darunter
eine Maschinenpistole BWT 5k, unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen,
sodass die Staatsanwaltschaft sie nicht an den Waffenhändler hätte geben
dürfen – zumal dieser später wegen illegalen Waffenhandels nach Syrien im
Knast landete.
Es müsse Klarheit geschaffen werden, warum die Staatsanwaltschaft ein
Verbrechen eines Staatsanwalts nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz
wissentlich nicht verfolgt habe und sein eigenes Verfahren aufgrund
unzutreffender Tatsachenbehauptung derart massiv betreibe, fordert
Winkelsdorf in einem Beweisantrag.
Sein Anwalt Uwe Maeffert ergänzt: „Es wird versucht, einen unbequemen
Kritiker loszuwerden.“ Richterin Fischer kündigte an, dem Sachverhalt
nachgehen zu lassen.
16 Jan 2017
## AUTOREN
Madga Schneider
## TAGS
Justiz
Hamburg
Waffen
Waffenhandel
Waffen
Waffenkontrolle
Hamburg
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