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# taz.de -- Waffenhandel: Milde für die Waffensammler
> Schusswaffen im Dutzend, Partys mit den Hells Angels - aber Waffenhändler
> sind die Kaltenkirchener Schützen angeblich nicht. Ein neuer Zeuge wird
> nicht gehört.
Bild: Für das Gericht kein Indiz für Waffenhandel: konfiszierte Waffen von Mi…
HAMBURG taz | Die Beweislage gegen drei Mitglieder des Schützenvereins
Kaltenkirchen bei Hamburg war erdrückend: 60 illegale Schusswaffen – von
Maschinenpistolen über umgebaute Handfeuerwaffen bis zu selbst gebauten
Schießkugelschreibern – hatte das Hamburger Landeskriminalamtes (LKA)
beschlagnahmt, dazu Dokumente und abgehörte Telefonate vorgelegt, die
Verbindungen zu den Hells Angels und ins Rotlicht-Milieu belegten. Doch in
der Hauptverhandlung vor dem Hamburger Amtsgericht ließ die
Staatsanwaltschaft 2010 plötzlich den Vorwurf des illegalen Waffenhandels
fallen. Die Angeklagten seien nur „Waffennarren“ gewesen, die illegal
Waffen gesammelt hätten.
Die zwei Männer und eine Frau kamen mit Bewährungsstrafen davon. Den
Freispruch des mitangeklagten Journalisten und Waffenexperten Lars
Winkelsdorf, der den Komplex ins Rollen gebracht hatte, wollten die
Ankläger dagegen nicht akzeptieren. Denn er habe den Hauptbeschuldigten
fälschlicherweise als Waffenhändler dargestellt.
## Waffen für den Rockerkrieg?
2006 hatte Winkelsdorf den Beschuldigten kennengelernt. Für eine
Fernsehbeitrag für „Sat 1“ stellte er Waffen anonym bereit und
demonstrierte deren Funktionen, 2007 dasselbe noch mal, für Kabel 1. Ein
Jahr später begegnen sie sich wieder. Damals soll er gesagt haben, er
liefere Waffen ins Milieu, wo gerade der Rockerkrieg zwischen Hells Angels
und Bandidos im Norden tobte.
Der Journalist wendet sich an die Polizei. „Die Informationen sind
stimmig“, schreibt damals das LKA in einem Vermerk. Schon 1999 hatte ein
Bordellbesitzer die Polizei auf die Waffen-Aktivitäten von Mitgliedern des
Schützenvereins hingewiesen. Winkelsdorfs Hinweis wog auch deshalb schwer,
weil im Januar 2007 im Schützenverein eingebrochen worden war. Es wurden
Pistolen der Marken Glock und Beretta sowie Revolver der Marke Smith &
Wesson entwendet. Die Kriminalpolizei Norderstedt ging damals von einem
„vorgetäuschten Einbruch“ aus, da die Täter offensichtlich über
Insiderkenntnisse der Alarmanlage verfügten. Eine damals entwendete Glock
17 wurde Monate später bei einer Schießerei im Lokal „Schweinske“ in
Hamburg-Wandsbek eingesetzt, eine weitere im März 2008 bei einer Schießerei
auf St. Pauli.
Gegen den Hauptbeschuldigten leitete das LKA 63 im Mai 2008 umfassende
Ermittlungen ein. „Es besteht der dringende Verdacht, verbotene Waffen
herzustellen … und damit Handel zu treiben“, heißt es in einem LKA-Vermerk,
der der taz vorliegt. Das Amtsgericht genehmigte die Telefonüberwachung und
Observation. Bei Haussuchungen stellen Ermittler später ein umfangreiches
Waffenarsenal sicher. Im Kalender des Beschuldigten finden sie
Terminhinweise auf Partys beim Hells Angels Charter Northend Alveslohe bei
Norderstedt.
## Kehrtwende vor Gericht
Aber vor Gericht bestreitet ein LKA-Beamter 2010 plötzlich, dass
Verbindungen zum Rotlicht-Milieu festgestellt worden seien. Die
Ermittlungen hätten auch keine Hinweise darauf ergeben, dass der
Beschuldigte im großen Umfang mit Waffen gehandelt habe, sagte er nun. Der
Staatsanwalt nahm daraufhin den Vorwurf des Waffenhandels zurück.
Winkelsdorf lässt jedoch nicht locker: Er stellt gegen Polizei und
Staatsanwaltschaft Strafanzeigen wegen Strafvereitelung im Amt. Er
präsentiert einen Zeugen, der selbst früher Mitglied des Schützenvereins
war und bei Partys der Hells Angels mitfeierte. An Eides statt erklärt er
aktuell, dass außer den damaligen Beschuldigten „noch weitere Personen“ aus
dem Verein „mit Waffen handelten“ oder diesen Handel „unterstützt haben�…
Sie seien bis heute im Verein aktiv. Zwei Verdächtige nennt er namentlich.
Zu neuen Ermittlungen führt das aber nicht. „Das Verfahren ist
rechtskräftig abgeschossen“, sagt Nana Frombach, Sprecherin der Hamburger
Staatsanwaltschaft, der taz. Alle Anzeigen von Winkelsdorf gegen Polizisten
und Staatsanwälte seien eingestellt worden. „Wir wollen nicht immer an
diesem Rad neu drehen.“
„Waffenhandel ist etwas, das den Staat sehr interessiert“, sagt
Winkelsdorfs Anwalt Joachim Streitberger der taz. „Normalerweise wird in
solchen Fällen sehr akribisch ermittelt.“ Daher sei dieser Fall „einmalig�…
die Behörden hätten den Vorwurf des Waffenhandels rasch fallen gelassen,
sagt er. Es sei völlig untypisch, dass sich Waffensammler mehrere Exemplare
eines Typs anschafften oder sie veränderten, sagt der auf Waffenrecht
spezialisierte Anwalt. „Es sind alleine 16 gleiche, selbst gebaute
Schießkugelschreiber gefunden worden. Was will man damit, außer zu
handeln?“, fragt Streitberger. „Es war ein völlig ungewöhnliches Verfahre…
das ich in meiner langjährigen Praxis noch nicht erlebt habe“, ergänzt er.
Aus was für Gründen das geschehen sei, „erschließt sich mir nicht“.
16 Mar 2014
## TAGS
Waffenhandel
Waffen
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Justiz
Hamburg
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