# taz.de -- Proteste vor Siemens-Hauptversammlung: Donner statt Gloria | |
> Das Angebot an Luisa Neubauer, bei Siemens einzusteigen, hat die | |
> Klimaaktivisten nicht ablenken können: Bei der Hauptversammlung wird | |
> protestiert. | |
Bild: Für Klimaschutz, gegen Kohle: Greenpeace-Leute protestieren gegen Siemen… | |
MÜNCHEN taz | „How dare you, Joe?“ Plakate mit diesem Schriftzug werden an | |
diesem Mittwoch vor der Münchner Olympiahalle zu sehen sein – und womöglich | |
auch drinnen. Dort hält der Siemens-Konzern seine jährliche | |
Hauptversammlung ab, die diesmal ganz anders ablaufen dürfte als in der | |
Vergangenheit. Wie kannst du es wagen, Joe? Die Frage richtet sich an den | |
Siemens-Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser, der wegen des | |
Kohlebergbau-Geschäfts in Australien zum Hauptgegner von Klimaaktivisten | |
geworden ist. | |
Fridays for Future und andere Gruppen rufen ab 8 Uhr morgens zur Demo auf | |
dem Coubertin-Platz vor der Olympiahalle auf. Geplant sei eine | |
Menschenkette, „um den Start der Versammlung zu begleiten“, heißt es in | |
einer Mitteilung. Die vielen Aktionäre, die da durch müssen, werden | |
Proteste und manch unangenehme Fragen zu hören bekommen. | |
Um 14 Uhr soll es am selben Platz einen „Streik“ der Münchner | |
Fridays-Ortsgruppe geben. Die Initiative hat eigens Aktivisten und | |
Betroffene aus Australien eingeladen und mit ihnen schon am Dienstag eine | |
Pressekonferenz und eine Podiumsdiskussion abgehalten. Darunter sind die | |
17-jährige australische Klimaaktivistin Varsha Yajman und Lindsay Simpson, | |
die sich als Journalistin eingehend mit dem Adani-Konzern beschäftigt, der | |
das Kohlebergbau-Projekt betreibt. | |
Schon seit Wochen demonstrieren Aktivisten weltweit an verschiedenen | |
Siemens-Standorten gegen die Beteiligung des Technologiekonzerns an diesem | |
Projekt. Für 18 Millionen Euro soll Siemens, so der mit Adani | |
abgeschlossene Vertrag, die Signaltechnik für eine neue Zugstrecke liefern, | |
auf der die geförderte Kohle ans Meer gefahren werden soll. Für Siemens ist | |
das ein Mini-Auftrag. Durch die neue Kohlemine würden aber, so kritisiert | |
der Dachverband Kritische Aktionäre, jährlich 700 Millionen Tonnen CO2 | |
freigesetzt werden – eine riesige Schädigung des Klimas. | |
## „Desaströse Strategie“ des Konzernchefs | |
Als „verunglückt“ bis „desaströs“ wurde die Strategie Joe Kaesers, der | |
eigentlich Josef Käser heißt, im Minen-Projekt bewertet. Er und der | |
Vorstand halten weiterhin daran fest, den Vertrag mit Adani nicht zu | |
kündigen. Zum einen aus Gründen der Verlässlichkeit des Unternehmens und | |
zum anderen, weil der Konzern bei einem Vertragsbruch in „unbegrenzte | |
Haftung“ treten müsste. So hat es Kaeser jüngst in einem Interview | |
bestätigt. Würde Siemens damit also in die Pleite getrieben? Konkrete | |
Antworten, welche Folgen ein Ausstieg tatsächlich hätte, gibt es nicht. | |
Als plumpe PR-Maßnahme wurde Kaesers Angebot an die deutsche | |
Fridays-Frontfrau Luisa Neubauer gewertet, einen Job in einem | |
„Aufsichtsgremium“ von Siemens zu übernehmen. Kaeser meinte dabei weniger | |
den über allem stehenden Aufsichtsrat, als vielmehr einen Posten in einem | |
Siemens-Kontrollgremium für Umweltfragen. Dass Neubauer dies ablehnte, habe | |
er erwartet. Denn damit hätte sie, so [1][Kaeser in der] [2][Zeit], „nicht | |
mehr dieses deutsche Greta-Gesicht sein können“. | |
Auch in der Olympiahalle werden der Boss und seine Vorstandskollegen (sechs | |
Männer, eine Frau) auf viel Kritik stoßen. Unter anderem ist ein | |
Redebeitrag der Fridays-Vertreterin Helena Marschall vorgesehen. Es gibt | |
acht Anträge von Aktionären und Aktionärsvertretern, Vorstand sowie | |
Aufsichtsrat nicht zu entlasten und den Gremien das Misstrauen | |
auszusprechen. Dies wird etwa damit begründet, dass Siemens | |
„menschenrechtliche Sorgfaltspflichten“ nicht einhalte. | |
Normalerweise sind Hauptversammlungen solcher Unternehmen eher vorhersehbar | |
und daher für Außenstehende äußerst langweilig. Die Vertreter von | |
Großaktionären wie etwa Versicherungen fordern in der Regel hohe Renditen, | |
einen steigenden Aktienkurs und mehr Unternehmenswachstum ein. Die | |
Kleinaktionäre – häufig verrentete Siemensianer – freuen sich über die | |
Gratis-Verpflegung. Das wird diesmal anders. | |
4 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/2020/06/joe-kaeser-siemens-chef-politik-aktivismus-klim… | |
[2] https://www.zeit.de/2020/06/joe-kaeser-siemens-chef-politik-aktivismus-klim… | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Kohle | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Luisa Neubauer | |
Siemens | |
Joe Kaeser | |
Finanzmarkt | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Sandra Scheeres | |
Siemens | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hauptversammlungen während Pandemie: Protest braucht Präsenz | |
Seit Corona halten Firmen ihre Hauptversammlungen online ab. | |
Aktionärsvertreter:innen beklagen nun: Das schränke Kritikmöglichkeiten | |
ein. | |
KlimaschützerInnen bei Siemens-Treffen: Druck wirkt | |
AktivistInnen nutzen die Siemens-Hauptversammlung als Bühne. | |
KleinaktionärInnen haben durch ihre Rederecht einen wichtigen Hebel in der | |
Hand. | |
Fridays for Future in Berlin: Fridays in der Schule | |
Die Fridays-for-Future-Bewegung will mit der Bildungsverwaltung | |
zusammenarbeiten. Ein Ziel sind „Klimaverträge“ mit Schulen. | |
Klimaaktivisten in München präsent: Bei Siemens brennt der Busch | |
Zweiter Tag der Proteste vor der Hauptversammlung von Siemens. Das | |
Unternehmen wird als Beschleuniger für die „Klima-Kriminellen“ | |
gebrandmarkt. | |
Umweltprotest gegen Siemens: Aktivistin stiehlt Kaeser die Show | |
Bei einer Veranstaltung stürmt eine junge Frau die Bühne. Sie hält eine | |
kurze Rede und singt. Der Siemens-Chef demonstriert Gelassenheit. | |
Fridays for Future gegen Konzerne: Euer Haus, euer Auto, euer Boot | |
Der Protest gegen Siemens sorgte für Furore. Deshalb denken die | |
Klimaschützer*innen darüber nach, verstärkt Unternehmen ins Visier zu | |
nehmen. | |
Partner des Weltwirtschaftsforums: Traumschiff Davos | |
Das Weltwirtschaftsforum nimmt Klima und Umwelt in den Fokus. Bei realen | |
Klima-Rankings bekommt aber nur jeder zehnte strategische Partner gute | |
Noten. | |
Wallstreet und die Kohle: ÖkoRock? | |
BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, tüncht sich grün. Warum | |
die Klimabewegung jubelt, obwohl die Ankündigung Schlupflöcher hat. |