| # taz.de -- Fridays for Future gegen Konzerne: Euer Haus, euer Auto, euer Boot | |
| > Der Protest gegen Siemens sorgte für Furore. Deshalb denken die | |
| > Klimaschützer*innen darüber nach, verstärkt Unternehmen ins Visier zu | |
| > nehmen. | |
| Bild: Der Protest gegen Siemens könnte ein Auftakt sein für mehr Proteste geg… | |
| HAMBURG taz | Als die Nachricht kam, hätten alle schallend gelacht. Der | |
| Siemens-Vorstand Joe Kaeser bietet Luisa Neubauer einen [1][Posten im | |
| Aufsichtsrat von Siemens Energy] an – LOL. „Es war sofort klar: Das kann | |
| sie auf keinen Fall annehmen“, sagt Jakob Blasel. Der Kieler | |
| Fridays-Sprecher hat trotzdem recherchiert, was Neubauer im Aufsichtsrat | |
| verdient hätte, nur aus Neugier, wie er sagt: 140.000 Euro jährlich | |
| Einstiegsgehalt, aber mit Extrageldern für Sitzungen und anderes wären auch | |
| 300.000 möglich. | |
| Viel Geld für die Klimabewegung, das sie zum Glück nicht braucht. Durch | |
| Spenden sind Fridays for Future finanziell weitgehend unabhängig – | |
| „zumindest in diesem Monat“, sagt Blasel. Im nächsten Monat müssten sie | |
| wieder neu gucken. Dafür sei es fundamental, dass die Aufmerksamkeit nicht | |
| nachlasse. | |
| Die [2][wöchentlichen Streiks] sind über die Winterwochen in vielen Städten | |
| zu klein geworden, um die Öffentlichkeit noch zu interessieren. Zu | |
| kräftezehrend sind sie, dafür, dass sie kaum reale Effekte erzielen. | |
| Deshalb hat Fridays for Future angefangen, sich über neue Strategien | |
| Gedanken zu machen – und Unternehmen in den Fokus der Kritik zu rücken. | |
| Die Idee für die Kampagne gegen Siemens entstand Anfang Januar auf dem | |
| Nordkongress. 300 Aktivist*innen hatten sich in Hamburg zu einer Tagung | |
| mit Workshops und Plena getroffen. Auch dabei: die NGO Urgewald, die sich | |
| mit der Finanzindustrie beschäftigt – aber dazu später. | |
| „Das mit Siemens war ziemlich kurzfristig“, sagt die FFF-Bundessprecherin | |
| Carla Reemtsma. Innerhalb einer Woche ging alles über die Bühne: eine | |
| Mailflut an den Unternehmensvorstand mit Beschwerden über die geplante | |
| Lieferung von Signaltechnik für eine Bahnstrecke zur Carmichael-Mine des | |
| Adani-Konzerns in Australien. Das Treffen zwischen Kaeser und Neubaer mit | |
| der Hoffnung, Siemens würde den Vertrag noch kündigen. Dann die | |
| Enttäuschung und das kuriose Jobangebot. Was bleibt von der Erfahrung, ein | |
| Unternehmen zu adressieren statt die Bundesregierung? | |
| ## Mehr als nur Signalanlagen | |
| Zwar konnten die Schüler*innen den Konzern nicht stoppen. Aber ihnen ist | |
| etwas klar geworden. „Wir haben einen Nerv getroffen“, sagt Blasel. Dass | |
| sich Kaeser überhaupt mit Neubauer getroffen habe, dass er nervös gewesen | |
| sei – das habe deutlich gemacht, dass es für Siemens um mehr gegangen sei | |
| als nur um Signalanlagen. | |
| „Unternehmen sind in vielerlei Hinsicht bessere Adressaten als | |
| Politiker*innen“, sagt Reemtsma, „ihre Entscheidungen sind volatiler.“ | |
| Die wöchentlichen Schulstreiks haben auch gezeigt, wie träge die Politik | |
| reagiert – egal wie viele Menschen ein Thema bewegt. Die | |
| Vertreter*innen der Parteien denken in Legislaturperioden, im Zeitplan | |
| von Ausschuss- und Kommissionssitzungen, und sie halten 2038 für ein | |
| ausreichendes Datum für den Kohleausstieg. | |
| Unternehmenschef*innen hingegen können sofort reagieren, potenzielle | |
| Kund*innen können sich sofort gegen sie entscheiden. Trotzdem denken vor | |
| allem familiengeführte Unternehmen langfristig, schließlich sollen ihre | |
| Unternehmen möglichst in jahrhundertelanger Familientradition an Kinder und | |
| Enkel vererbt werden. Konzernchef*innen sind angreifbarer, besser | |
| erreichbar und flexibler. | |
| ## Das nächste Ziel | |
| Welches Unternehmen wird Fridays for Future als nächstes adressieren? „Wir | |
| legen uns da noch nicht fest“, sagt Reemtsma. Baustellen gebe es | |
| schließlich viele. RWE will weiter Dörfer wegbaggern, Uniper das neue | |
| Kohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz bringen, Siemens hält an Adani fest. Auch | |
| Blasel will keinen Namen nennen. Aber er sagt: „Wir haben das Vertrauen | |
| verloren, dass die Bundesregierung auch nur einen einzigen Schritt in | |
| Richtung Klimaschutz geht.“ Deshalb werde man sich andere Adressat*innen | |
| suchen – Klimakiller gibt es schließlich genug. | |
| Ein ziemlich großer Klimakiller ist die Finanzindustrie. Über 92 Milliarden | |
| Euro sind laut Recherchen von Urgewald seit der Unterzeichnung des Pariser | |
| Abkommens von europäischen Banken an Firmen geflossen, die neue | |
| Kohlekraftwerke bauen. In Europa gehören dazu Energieriesen wie Uniper, | |
| Fortum aus Finnland oder PGE aus Polen. Die Deutsche Bank, Santander, | |
| Barclays und BNP Paribas investieren in die Kohle-Unternehmen, geben ihnen | |
| Kredite, beraten sie. „Alle deutschen Finanzinstitute sind in | |
| klimaschädliche Geschäfte verwickelt“, sagt die Geschäftsführerin von | |
| Urgewald, Heffa Schücking. | |
| Die Deutsche Bank ist einer der wichtigsten Finanzierer von Uniper und RWE. | |
| Aber auch die Rolle von Versicherungen sei nicht zu unterschätzen: Damit | |
| überhaupt jemand bereit ist, in klimaschädliche Projekte zu investieren, | |
| müssen diese versichert sein. Die Allianz hat zwar ausgeschlossen, | |
| Kohlekraftwerke oder Minen direkt zu versichern. Aber Unternehmen wie RWE | |
| schließen ohnehin keine einzelnen Versicherungen für einzelne Minen ab, | |
| sondern buchen Firmenkomplettpakete inklusive Haftpflicht für | |
| Unternehmensvorstände und den gesamten Fuhrpark – damit wiederum hat die | |
| Allianz kein Problem. | |
| Urgewald hat auf dem Nordkongress zwei Workshops zum Thema „Verstrickung | |
| von Kohle- und Finanzindustrie“ gegeben. Das Thema interessiert die | |
| Schüler*innen. Urgewald stellt Fridays for Future ihr Wissen und ihre | |
| Daten zur Verfügung. | |
| ## Es könnten die Sparkassen werden | |
| Ein Ziel könnte sich dabei geradezu aufdrängen: die Sparkassen. Deren | |
| Investmentsparte Deka-Invest listet ebenfalls viele Fonds, die Anteile an | |
| Adani und anderen Klimakillern enthalten. Nach Angaben von Urgewald hält | |
| Deka-Invest Aktien und Anleihen in Höhe von rund 309 Millionen US-Dollar an | |
| Firmen, die neue Kohlekraftwerke bauen. Sie liegt damit hinter der Allianz | |
| und der Deutschen Bank auf Platz drei der deutschen Investoren in diesem | |
| Sektor. Für Schücking ist das eine Ungeheuerlichkeit: „In gemeinnützige | |
| Kreditinstitute gehören keine Fonds, die Konzernen wie Adani nützen.“ | |
| Das dürften viele ähnlich sehen. Offiziell will niemand bei Fridays for | |
| Future die Sparkassen zum nächsten Ziel erklären. Die Ortsgruppen | |
| entscheiden ohnehin unabhängig, wie sich ihr Protest gestalten und gegen | |
| wen er sich richten soll. Aber Sparkassen gibt es überall in Deutschland. | |
| Und fast jede*r hat dort ein Konto. | |
| „Ich kann nur für mich persönlich sprechen“, sagt Blasel. „Aber ich den… | |
| für die Sparkassen wäre es an der Zeit, aufzuhören, in die Zerstörung des | |
| Planeten zu investieren.“ Ob Sparkassen-Kund*innen wohl zustimmen | |
| würden, wenn man sie fragte, ob sie einverstanden sind, dass ihr Geld in | |
| die Kohleindustrie fließt? Er glaubt es nicht. | |
| 26 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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