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# taz.de -- Proteste in Libyen: „Wir wollen Licht, wollen Wahlen“
> In Libyen protestieren Bürger gegen steigende Preise. In Tobruk brennt
> das Parlament, in der Hauptstadt Tripolis werden bewaffnete Kämpfe
> befürchtet.
Bild: Hitzewelle und hitzige Gemüter: Demonstration in Libyens Hauptstadt Trip…
Tunis taz | Auf dem Märtyrerplatz im Zentrum der libyschen Hauptstadt
Tripolis haben am Wochenende meist junge Libyer gegen die langen Schlangen
vor den Tankstellen, den Wertverlust der Währung – des libyschen Dinar –
und die seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine stark gestiegenen
Lebensmittelpreise auf den Straßen demonstriert.
In der Menge waren mit roten Linien durchgestrichene Fotografien der beiden
[1][rivalisierenden Regierungschefs] Fathi Bashaga und Abdul Hamid Dbaiba
zu sehen.
Ersterer regiert in Ostlybien und wurde am 10. Februar vom Abgeordenetenrat
in der östlichen Stadt Tobruk zum Premierminister ernannt. Letzterer sitzt
in Tripolis, im Westen des Landes, und war ein Jahr zuvor von einer
Wahlkommission für ein Jahr als Übergangspremier eingesetzt worden. Seine
Amtseinführung genoss auch den Segen der Vereinten Nationen. Beide Männer
bestehen auf ihre designierten Ämter.
Als die ursprünglich für letzten Dezember geplanten Wahlen aus
Sicherheitsgründen abgesagt wurden, blieb Dbaiba einfach im Amt. Mit einem
Notfallbudget der Zentralbank erkaufte sich der 63-Jährige die
Unterstützung der vielen Milizen in Tripolis.Neben der grassierenden
Korruption wird vor allem dieser Machtkampf für die Lähmung des
Regierungsapparates – und die damit verbundenen Probleme wie den
Währungsverfall – verantwortlich gemacht.
## Beide Seiten kündigen das Aus des Konkurrenten an
Die Nerven sind derzeit besonders angespannt – auch aufgrund einer
Hitzewelle, die mit für Juni ungewöhnlichen Temperaturen von bis zu 47 Grad
aufwartet.
Brennende Barikaden in mehreren Bezirken von Tripolis wecken schlechte
Erinnerungen: Viele Hauptstädter fürchten die Rückkehr der Gewalt – wie
2019, als die ostlibysche Armee von Feldmarschall [2][Chalifa Haftar] mit
Hilfe der russischen Söldnerfirma Wager versucht hatte, Tripolis
einzunehmen. Mit militärischer Hilfe der Türkei konnte die Regierung in der
Stadt den Angriff nach 18 Monaten zurückschlagen. Ein Alliierter Haftars
ist Bashaga.
Tripolis’ Bürger versperrten daher Zufahrtsstraßen mit Barrieren aus Sand
und mit Lastwägen, um die Ankunft von bewaffneten Gruppen aus dem Umland in
der Hauptstadt zu verhindern.
Zwei Versuche Bashagas, die Amtsgeschäfte von seinem Konkurrenten in
Tripolis zu übernehmen, wurden von den Hauptstadtmilizen verhindert.
Seitdem kündigen beide Seiten ein baldiges Aus des gegnerischen Lagers an
und versuchen das Milizenkartell auf ihre Seite zu ziehen.
Die politische Elite in Tripolis befürchtet Szenen wie solche, die sich
Ende letzter Woche 900 Kilometer entfernt in Tobruk abspielten. Mit einem
Bulldozer hatten Demonstranten die Absperrung vor dem dort tagenden
Parlament durchbrochen. Dann marschierte die Menge langsam zu dem erst im
letzten Jahr gebauten Gebäude und forderten lautstark die Absetzung der
2014 gewählten 200 Parlamentarier. Als die wütende Menge die Eingangstür
aufbrach und in einigen Büros Feuer legte, waren die Politiker bereits
geflohen.
„Wir wollen Licht“ und „Wir wollen Wahlen“, skandierte die Menge in Tob…
die später wieder friedlich abzog. Doch schon am nächsten Tagen
protestierten Bürger im ganzen Land gegen die – auch durch die Hitzewelle
bedingten und bis zu 20 Stunden andauernden – täglichen Stromausfälle.
In Misrata, Sebha oder Ben Walid wurden sogar [3][Gaddafi-Anhänger] sowie
-Gegner mit ihren jeweiligen Fahnen und Parolen gesehen – gemeinsam auf
denselben Demonstrationen.
Wie explosiv die Lage ist, zeigen Gerüchte über einen Angriff auf das
Privathaus von Parlamentspräsident Aguila Saleh, der derzeit als höchster
Vertreter des Landes gilt.
## EU-Botschafter ruft zu Gewaltlosigkeit und Wahlen auf
Saleh hat alle Institutionen aufgefordert, mit dem von ihm bestimmten
Zentralbankschef Ali Al Hibri zu kooperieren. Den langjährigen Bankchef
Siddik Al Kabir hält Saleh für einen Freund der Islamisten. Die Spaltung
der Zentralbank – wie zu Kriegszeiten – könnte Libyens Spaltung nun
endgültig zementieren, warnen politische Beobachter.
[4][Jose Sabadell], Botschafter der EU in Libyen, rief zu Ruhe, Gewaltlosig
der Proteste sowie die verschiedenen Regierenden zu Wahlen auf. Eine
Mischung von Forderungen, die für viele libysche Bürger einfach nicht mehr
zusammenpassen.
3 Jul 2022
## LINKS
[1] /Erneute-Kaempfe-in-Libyen/!5852134
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5841496
[3] /Zwischen-Libyen-und-Suedafrika/!5818630
[4] https://twitter.com/jose_sabadell
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Schwerpunkt Libyenkrieg
Protest
Muammar al-Gaddafi
Tripolis
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