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# taz.de -- Proteste in Hongkong: Von Angst keine Spur
> Seit elf Wochen kommt es in Hongkong immer wieder zu Protesten gegen
> China. Am Sonntag gehen erneut mehr als zwei Millionen Menschen auf die
> Straße.
Bild: Geschätzt über zwei Millionen Menschen gingen am Sonntag in Hongkong au…
Hongkong taz | Fennie Wu und Jasper Li lassen sich nicht von dem heftigen
Regen von ihrer Teilnahme an der Massendemonstration für Demokratie in
Hongkong abbringen. „Wir gehen so lange auf die Straße, bis die Regierung
auf uns hört“, sagt Wu, 36. Li ergänzt: „Wir lassen uns nicht
einschüchtern.“
Auf ihre schwarzen T-Shirts, das Markenzeichen der Demonstranten, haben die
beidem Textilfabrikanten gelbe Aufkleber gepappt. Auf dem einen steht auf
Englisch und Chinesisch „Real Democracy NOW“, wobei NOW in eindringlichem
Rot geschrieben ist. Auf dem zweiten geht es gegen die Polizei, die in den
vergangenen Wochen mit Tränengas und Bean Bags – mit Schrot gefüllte Beutel
– Demonstranten beschossen hatte: „HK Polizei, Schande über euch.“
Schwarze T-Shirts, Aufkleber und Transparente in Gelb und Regenschirme sind
an diesem Sonntag die Ausrüstung der ersten Schätzungen zufolge mehr als
zwei Millionen Demonstranten. Sie lassen sich weder durch die Brutalität
der Polizei noch das Säbelrasseln der chinesischen Armee von ihrem Wunsch
nach Freiheit und Demokratie, von ihrem Nein zur zunehmenden Dominanz von
China in seiner Sonderverwaltungszone Hongkong abbringen.
Obwohl die Polizei nur eine Kundgebung der „Civil Human Rights Front“ im
Victoria Park in Causeway Bay genehmigt hatte, marschieren seit dem späten
Nachmittag in schier endlos scheinenden Kolonnen Hunderttausende Menschen
friedlich zur Admiralty, dem Sitz von Regierung und Parlament.
## Meer von Regenschirmen
Unter einem Meer von Regenschirmen skandieren sie in Sprechchören immer
wieder: „Hongkong bleibt standhaft“ und bringen den Verkehr zum Erliegen.
Die Demonstrationen in den vergangenen Tagen einiger Tausend regierungs-
und chinatreuer Hongkonger waren nicht annähernd so beeindruckend.
Seit elf Wochen kommt es in Hongkong immer wieder zu Protesten gegen die
Regierung und gegen China. Mal sind es Massendemos wie an diesem Sonntag,
mal Aktionen wie die Sit-ins am Flughafen am Montag und Dienstag, die den
Flugverkehr zeitweise zum Erliegen brachten. Immer wieder kam es bei den
Demos auch zu Gewalt, die mal von der Polizei ausging, mal von radikalen
Protestgruppen.
Ein westlicher Diplomat sagt gegenüber der taz: „Der größte Teil der
Polizeieinsätze lief im Rahmen international üblicher Einsätze bei
Demonstrationen ab. Es gab aber auch Einsätze, die brutal waren.“
Als ein Beispiel nennt er die Reaktion der Polizei auf die
[1][Schlägertrupps chinesischer Triaden], die in einem Ort in den New
Territories Demonstranten in einer U-Bahn-Station brutal verprügelt hatten.
„Die lokale Polizei hat nicht eingegriffen, weil die Beamten aus den
gleichen Familienclans stammen wie die Triaden. Eine eigenes mobilisierte
Polizeieinheit aus Central [der Innenstadt Hongkongs, d. Red.] brauchte 40
Minuten bis zum Einsatzort.“
## Einfacher Wunsch
Die Demonstranten haben einen einfachen Wunsch: Sie wollen, dass
Regierungschefin Carrie Lam ihnen zuhört, in einen Dialog über die Zukunft
Hongkongs tritt. Offiziell gilt das bei der Übergabe der Stadt von England
an China 1997 vereinbarte bis 2047 geltende Prinzip „ein Land, zwei
Systeme“. Will heißen: In Hongkong herrscht Demokratie, in China das
kommunistische Einparteiensystem.
Immer offener, so glaubt die Mehrheit der Hongkonger, unterminiere China
jedoch das Prinzip. Die von China eingesetzte Carrie Lam verweigere den
Bürgern den Dialog über demokratische Reformen. „Sie ist eine ‚lame duck�…
die nur noch auf Anweisung der Führung in Peking agiert“, sagt der
Hongkonger Politikwissenschaftler Willy Lam.
Wie weit der Einfluss Chinas reicht, zeigt der Fall der Hongkonger
Fluggesellschaft Cathay Pacific. Auf Druck Chinas musste deren CEO Rupert
Hogg vor wenigen Tagen zurücktreten, nachdem einige Mitarbeiter der Airline
mit der Protestbewegung offen sympathisierten.
„Das hat es noch nie gegeben, dass Großunternehmen den Anordnungen von
Peking gehorchen müssen“, sagt Chinaexperte Willy Lam und fügt hinzu: „Das
ist sehr beunruhigend.“
## „Schlag ins Gesicht“
Die Demo an diesem Sonntag ist ein „Schlag ins Gesicht“ von Carrie Lam, wie
es ein Oppositionspolitiker formuliert. Die klare Botschaft der
Demonstranten: Wir haben weder vor der Polizei noch vor China Angst und:
Die Demonstration vom Sonntag war nicht die letzte.
„Der Weg des Widerstands ist lang“, heißt es in einem offenen Brief der
Civil Human Rights Front an die Hongkonger. Der nächste Termin steht
bereits fest: der 31. August. An dem Tag vor fünf Jahren hatte China der
Einführung des allgemeinen Wahlrechts in Hongkong eine endgültige Absage
erteilt.
18 Aug 2019
## LINKS
[1] /Gewalteskalation-in-Hongkong/!5607867
## AUTOREN
Michael Lenz
## TAGS
Carrie Lam
China
Protest
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