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# taz.de -- Proteste in Belarus: „Das ist unsere Stadt“
> Brutale Gewalt gegen Demonstrierende beim „Marsch der Helden“ in Minsk.
> Machthaber Lukaschenko will zeigen, dass er die Lage unter Kontrolle hat.
Bild: Lassen sich nicht vom Machtgebaren ihres Präsidenten abschrecken: Protes…
Dies hier ist meine Stadt, ich bin gegen diese Okkupation und natürlich
gehe ich zur Demo“, sagt Weronika bestimmt. [1][Sie habe alle Angst
abgelegt, sagt die Frau] um die dreißig Jahre alt, nun gälte es nur noch,
den Usurpator zu vertreiben, das sei das Einzige, was zähle.
Der „Usurpator“ ist der Noch-Staatspräsident Alexander Lukaschenko. Vor
seinem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag will er
Moskau beweisen, dass er Herr der Lage in seinem Land ist. Deshalb hat er
schon am frühen Sonntagmorgen auf dem Boulevard der Unabhängigkeit in der
Minsker Innenstadt Armeetechnik auffahren lassen.
Bereits am Vormittag werden seine Schergen aktiv und nehmen in den
Außenbezirken erste Aktivisten oder einfach nur [2][potentielle
Demonstranten fest,] die in die Minsker Innenstadt zum „Marsch der Helden“
ziehen wollen. „Die Oliven machen wieder Jagd, passt bloß auf, sobald ihr
das Haus verlasst!“, wird in den oppositionellen Telegram-Kanälen gewarnt.
Die „Oliven“ sind grün gekleidete Einheiten ohne Kennzeichen, die als
besonders brutal gelten. Niemand weiß, wer sie sind. Es wird darüber
spekuliert, ob es sich dabei nicht um jene von Putin versprochenen
Sonderpolizeieinheiten handeln könnte, die angeblich noch nicht in Belarus
sind, sondern erst auf einen Einsatz warten.
Kleine Aktivistengruppen werden umzingelt und in bereitstehende Busse ohne
Kennzeichen gezerrt. Bis zum Beginn des Marsches sind mindestens 250
Festnahmen zu vermelden. Viele davon sind äußerst brutal. Die
Menschenrechtsorganisation „Wiasna“ hat bisher die Namen von 82
festgenommenen Demonstranten veröffentlicht.
## Zehntausende in verschiedenen Demonstrationszügen
[3][Dennoch lassen sich die Minsker nicht mehr abhalten]. „Das ist unsere
Stadt!“, skandieren Zehntausende und machen sich in verschiedenen
Demonstrationszügen daran, Lukaschenkos Residenz im Minsker Vorort Drozdy
mit einer Menschenkette zu umzingeln. Der Hauptdemonstrationszug ist bis
Redaktionsschluss an der U-Bahn-Station Puschkinskaja angekommen, wo in den
ersten Protesttagen das erste Todesopfer zu beklagen war.
An diesem Sonntag warten laut dem belarussischen Nachrichtenportal tut.by
Innenministeriumstruppen an der Nowosilenski-Straße mit scharfer Munition
auf die Demonstrierenden. Geschossen wird nicht. Dem Regime liegt immer
noch vor allem an der Abschreckung. „Erst wenn das Kriegsrecht ausgerufen
wird, bekomme auch ich Angst und bleibe zu Hause“, sagt Vova, ein weiterer
Demonstrant. Er rechne für diesen Sonntag mit mehr Leuten auf der Straße
als zuvor, „denn nun sind auch die Studierenden und die
Datscha-Sommerurlauber zurück in Minsk“, so Vova. Laut dem oppositionellen,
von Warschau aus arbeitenden und oft etwas gar optimistischen
Internetportal charter97.org waren bei Redaktionsschluss bereits 150.000
Demonstrierende auf ihrem Weg nach Drozdy.
Die Verhaftungen weiterer Koordinationsratsmitglieder in der vergangenen
Woche, allen voran Maria Kolesnikowas, hat die Demonstranten nicht
entmutigt. „Wir brauchen keine Führung, wir organisieren uns selbst“,
erklärt Weronika.
Eine Gruppe, die sich die „Cyber-Partisanen“ nennt, hat unterdessen am
Samstagabend angekündigt, Listen aller Polizisten und Sicherheitstruppen zu
veröffentlichen, die an den brutalen Einsätzen vom 9. bis 12. August
beteiligt waren. Die „Cyber-Partisanen“ wollen interne Listen durch
Hackerangriffe auf das Innenministerium gestohlen haben. „Das ist der
letzte Moment für jeden von euch, sich auf die Seite des Volkes zu
stellen“, schreibt die Gruppe. Veröffentlicht würden Fotos, Privatadressen,
weitere persönliche Details und auch die Autonummern. Ähnliche Listen
kursieren bereits seit über einer Woche in speziellen Telegram-Kanälen.
13 Sep 2020
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## AUTOREN
Paul Flückiger
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