| # taz.de -- Protest nach Suizid eines Abgeschobenen: Ein Sarg vor dem Innenmini… | |
| > Jamal Nasser M. nahm sich in Afghanistan das Leben, nachdem er | |
| > abgeschoben wurde. AktivistInnen protestierten vor Seehofers Ministerium. | |
| Bild: Mahnwache mit einem symbolischen Sarg und Geburtstagskuchen vor dem Innen… | |
| Berlin taz | Rund 70 Menschen kamen Donnerstagabend vor dem | |
| Innenministerium in Berlin zu einer Mahnwache für den abgeschobenen | |
| Asylbewerber Jamal Nasser M. zusammen. Der Afghane war am Dienstag in Kabul | |
| nach einem Suizid tot aufgefunden worden. Eine Woche zuvor [1][war er aus | |
| Deutschland mit 68 weiteren Afghanen abgeschoben worden]. | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich am Tag vor dem | |
| Bekanntwerden des Suizids erfreut über die ungewöhnlich hohe Zahl der | |
| Abgeschobenen gezeigt: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das | |
| war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt | |
| worden.“ | |
| AktivistInnen trugen deshalb am Donnerstag einen schwarzen Sarg vor das | |
| Bundesinnenministerium und stellten Grablichter auf. Zudem platzierten sie | |
| einen Kuchen mit der Aufschrift „Happy Birthday“ auf dem Sarg und | |
| präsentierten zwei symbolische Geschenkpakete mit den Aufschriften „R.I.P. | |
| Jamal Nasser M.“ und „Glückwunsch Horst“. | |
| „Nach der Meldung über den Suizid des abgelehnten Asylbewerbers habe ich | |
| mich hilflos gefühlt. In einer Impulshandlung habe ich die Mahnwache | |
| angemeldet“, erzählt Raphael Thelen der taz. Thelen ist Journalist und | |
| hatte deshalb Zweifel, ob dieser Schritt richtig ist. „Zuerst aber bin ich | |
| Mensch.“ Während der Mahnwache will er selbst nicht auftreten, ruft nur zu | |
| einer Schweigeminute auf. „Keine Parolen, keine Reden“, steht in seiner | |
| Veranstaltungsankündigung. | |
| „Gleichgültigkeit der Gesellschaft“ | |
| Einer, der reden will, ist Ferdinand Dürr. Er ist Mitgründer der | |
| deutsch-syrischen Initiative Adopt a Revolution, die zivilgesellschaftliche | |
| Arbeit in Syrien unterstützt. „Afghanistan ist kein sicheres | |
| Herkunftsland“, ruft er. Und: „Wir sind entsetzt, dass jemand Innenminister | |
| sein kann, der so für eine absolute Verschärfung eintritt.“ Seehofers | |
| Politik führe dazu, dass der Rechtspopulismus in den Parlamenten eher | |
| stärker als schwächer werde. | |
| Auch das Bündnis Seebrücke und der Sozialistisch-demokratische | |
| Studierendenverband (Die Linke.SDS) beteiligten sich an der Protestaktion. | |
| „Wir kritisieren die Gleichgültigkeit der Gesellschaft, wenn Menschen | |
| sterben“, sagt die SDS-Aktivistin Rhonda Koch zur taz. „Abschiebung kann | |
| Mord bedeuten. Der Fall von Jamal Nasser M. zeigt, dass das nicht nur eine | |
| linksradikale Parole ist.“ | |
| Jamal Nasser M. kam aus der nordafghanischen Provinz Balkh und war 23 Jahre | |
| alt. Er hatte acht Jahre lang in Deutschland gelebt, war also als | |
| Minderjähriger angekommen. Verantwortlich für seine Abschiebung ist die | |
| rot-grün regierte Hansestadt Hamburg, wo der Afghane seinen Asylantrag | |
| gestellt und gelebt hatte. Dort war er unter anderem wegen Diebstahls und | |
| Körperverletzung verurteilt worden. | |
| Warum M. für den Abschiebeflug am 3. Juli ausgewählt wurde, müsse man die | |
| Hamburger Behörden fragen, sagte Seehofer während der | |
| EU-Innenministerkonferenz in Innsbruck. „Die Bundesländer führen uns diese | |
| Personen zu, und wir unterstützen die Bundesländer bei diesen | |
| Abschiebungen.“ Der Suizid sei „zutiefst bedauerlich, und wir sollten damit | |
| auch sachlich und rücksichtsvoll umgehen“. | |
| Demonstrationen für legale Fluchtwege | |
| Das Bündnis Seebrücke will auch in der nächsten Woche seinen Protest gegen | |
| die aktuelle europäische Flüchtlingspolitik auf die Straßen tragen. In ganz | |
| Deutschland wird es über 15 Demonstrationen für legale Fluchtmöglichkeiten | |
| nach Europa geben. „Wir wollen offene Grenzen, ein solidarisches Europa und | |
| ein sofortiges Wiedereinsetzen der Seenotrettung“, sagt Bündnissprecherin | |
| Liza Pflaum zur taz. | |
| Die Demonstrationen werden dabei nicht zentral gesteuert, sondern von | |
| Einzelpersonen und Gruppen aus den jeweiligen Städten organisiert. „Wir | |
| sind total überwältigt, wie sich die neu gegründete Bewegung fortsetzt, an | |
| allen möglichen Orten sprießen Aktionen aus dem Boden“, so Pflaum weiter. | |
| Es sei wichtig, dass von überall deutlich gemacht werde, dass die jetzige | |
| Flüchtlingspolitik nicht unterstützenswert sei. | |
| 13 Jul 2018 | |
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| Frederik Schindler | |
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