# taz.de -- Professorin über Formen des Erinnerns: „Ein neues Setting für D… | |
> Eine Konferenz der Hochschule für Bildende Künste Hamburg befasst sich | |
> mit Formen des Erinnerns. Mit dabei ist Professorin Michaela Melián. | |
Bild: Soll künstlerisch überarbeitet werden: Das umstrittene Bismarck-Denkmal… | |
taz: Frau Melián, bei der Konferenz geht es um „Contested Memories in | |
Public Space“. Wer streitet mit wem und warum? | |
Michaela Melián: Die gesamte Erinnerung ist ein Gegenstand des Diskurses: | |
Wer erinnert an wen? Bei der Tagung wollen wir mit vielen Beteiligten ins | |
Gespräch kommen. Denn auch wenn wir Denkmäler wegräumen, wie im | |
Ikonoklasmus … | |
… dem Denkmalsturz … | |
… sind die dahinter liegenden Probleme nicht aus der Welt. Deswegen soll es | |
darum gehen, wie wir mit der Erinnerung umgehen, zum Beispiel mit | |
Gegenmonumenten und Paramonumenten. | |
Was versteckt sich hinter diesen Begriffen? | |
Ein Gegenmonument will gar nicht die Form eines monumentalen Denkmals | |
einnehmen, vielmehr problematisiert es die tradierte Denkmalform. Viele | |
Gegendenkmäler argumentieren mit ihrem Verschwinden – wie das Harburger | |
Mahnmal gegen den Faschismus. | |
Erzählen Sie! | |
Als es 1986 aufgestellt wurde, bestand das Werk aus einer fast 12 Meter | |
hohen Stele aus Blei. Passanten konnten sich am Gedenken beteiligen, indem | |
sie ihre Namen in das weiche Blei schrieben. Nach und nach wurde die Säule | |
im Boden versenkt. Heute ist sie ganz verschwunden. Der Ort bleibt aber | |
weiterhin markiert und erlebbar als Standort des „verschwundenen“ Denkmals. | |
Durch diese Form des Erinnerns wird gleichzeitig problematisiert, wie | |
erinnert werden kann und soll. | |
Und Para-Monumente? | |
Ein Para-Monument nutzt die tradierte monumentale Denkmalform, aber auf | |
solche Weise, dass sie gleichzeitig infrage gestellt wird. So wendet das | |
Para-Monument das Augenmerk auf die Form und den Diskurs eines Monuments, | |
man könnte auch sagen, es paraphrasiert oder untergräbt es. | |
Wie kann man denn mit bestehenden umstrittenen Denkmälern umgehen? | |
Auch wir haben dafür kein Rezept, aber wir haben Menschen eingeladen, die | |
viele Ideen dazu haben. In Deutschland gibt es ganze Architekturblöcke, die | |
zum Beispiel mit Symbolen aus der Nazi- oder Kolonialzeit verziert sind. | |
Die alle abzuräumen, halte ich für falsch, weil die Erinnerung damit | |
ausgelöscht wird, das Gedankengut aber bleibt. Stattdessen kann man die | |
Denkmäler in ein neues Setting setzen, in dem man sie kommentiert oder | |
überarbeitet. Wir müssen darüber reden, wie wir bestimmte Wunden weiter | |
thematisieren und wie wir die Power, die hinter manchen Denkmälern steckt, | |
wegnehmen können. | |
In Hamburg gibt es zum Beispiel das Bismarck-Denkmal. | |
Auf der Konferenz wird es nicht explizit um den Hamburger Bismarck gehen, | |
aber ganz Deutschland ist voll mit diesen Bismarck-Türmen. Die müssten | |
konzeptualisiert werden. | |
Wie zum Beispiel? | |
Ich will da keine Idee besonders hervorheben, denn die Hamburger | |
Kulturbehörde ist mitten in einem Prozess, eine künstlerische Überarbeitung | |
zu beauftragen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten: Manche Vorschläge | |
arbeiten mit Projektionen, andere mit Performances, die temporär um das | |
Denkmal stattfinden. Auch Beschriftungen, die im Umfeld angebracht werden, | |
sind eine Option. | |
Wie hat sich die Form der Erinnerung gewandelt? | |
Die Kunst war über die Jahrhunderte mit den Denkmälern eine Art | |
Erfüllungsgehilfe für bestimmte Machtstrukturen. Besonders in der Nazi-Zeit | |
hatte die Erinnerung einen Ewigkeitsanspruch, der sich in einer physischen | |
Manifestation, einer Übergröße und der Bronze, dem ewigen Material, | |
widergespiegelt hat. Durch den Kulturbruch, der mit dem Faschismus | |
stattgefunden hat, hat sich das grundlegend geändert. | |
Und heute? | |
Viele machen sich Gedanken, wie lange die mit einem Denkmal verbundene | |
Äußerung überhaupt stehen soll. Gerade von außen, von Künstler:innen | |
oder Aktivist:innen, wird das problematisiert. Bisher war es häufig so, | |
dass über das Erinnern rein die Politik entschieden hat. Da muss es eine | |
andere Aufmerksamkeit geben, wer im Diskus mitsprechen darf. | |
2 Dec 2021 | |
## AUTOREN | |
Tjade Brinkmann | |
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