| # taz.de -- Problemwölfe im Norden: Abschuss oder Zaun? | |
| > Der Nabu fordert, dass Schafhalter*innen ihre Tiere durch Zäune vor | |
| > Wölfen schützen sollen. Kritiker sehen durch Zäune das Ökosystem der | |
| > Marschlande in Gefahr. | |
| Bild: Zaun ist nicht gleich Zaun: Dieser hier ist garantiert nicht wolfssicher | |
| Rendsburg taz | Tote oder verletzte Schafe auf der Weide, entsetzte | |
| SchäferInnen: Wann immer ein Wolf sich nachts einer Herde genähert hat, | |
| entbrennen aufs Neue die Debatten. Bei ihrer Tagung in Bremen beschloss die | |
| Konferenz der UmweltministerInnen von Bund und Ländern in der vergangenen | |
| Woche, dass es bundesweit einheitliche und klare Regelungen zum Abschuss | |
| „auffälliger“ Wölfe geben solle. Die Bundesregierung habe zugesagt, zügig | |
| dafür zu sorgen, sagte der Bremer Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) als | |
| Vorsitzender des Gremiums. Unter anderem Niedersachsen hatte die „letale | |
| Entnahme“ von Problemwölfen gefordert. | |
| Aber ist Abschuss der richtige Weg? Nein, sagt der Naturschutzbund Nabu in | |
| Schleswig-Holstein. Um Schafe zu schützen, brauche es die richtigen Zäune, | |
| keine Kugeln. Doch viele SchäferInnen würden ihren Herden diesen Schutz | |
| verweigern. „Man gewinnt den Eindruck, dass einzelne Schäfer ihre Tiere | |
| opfern“, sagt der Nabu-Landesvorsitzende Herrmann Schultz. „Damit soll | |
| öffentlicher Druck entstehen, Wölfe zum Abschuss freizugeben.“ | |
| Fritz Heydemann, Wolfs-Experte des Verbandes, verwies auf taz-Anfrage auf | |
| die rechtliche Lage: Wer Nutztiere hält, sei laut der entsprechenden | |
| Tierschutzverordnung verpflichtet, seine Herden vor Beutegreifern zu | |
| schützen. „Das wird einfach so weggewischt“, sagt Heydemann. Selbst in | |
| Gebieten, in denen Wölfe nachgewiesen seien, würden keine wolfssicheren | |
| Zäune aufgestellt. | |
| Reißt ein Wolf Tiere aus der Herde, gibt es eine Entschädigung aus der | |
| Landeskasse, und zwar in der Regel „am oberen Rande“ dessen, was Lämmer, | |
| Muttertiere oder Böcke auf dem freien Markt erbringen würden. „Es kann | |
| nicht sein, dass Schafhalter ihre Herden ungeschützt lassen und daraus | |
| sogar noch Gewinn schlagen“, sagt Heydemann. Der Nabu fordert daher, dass | |
| es künftig Entschädigungen nur noch geben sollte, wenn die HalterInnen ihre | |
| Herde wolfssicher abgezäunt haben. | |
| ## Vorbild Schweden | |
| „Eine Frechheit“, kontert der Förderverein der Deutschen Schafhaltung, | |
| dessen Vorsitzender, der Schäfer Wendelin Schmücker aus Winsen (Luhe), seit | |
| Jahren vor den Gefahren durch Wölfe warnt. Mit dieser | |
| „Katastrophenforderung“ würden „die echte Schäferei und Weidetierhaltun… | |
| Grabe getragen“, so Schmücker. | |
| Sein Verein setzt sich für ein „effektives Wolfsmanagement“ ein: | |
| „Schutzjagden nach dem Vorbild Schwedens“ und „geeignete Habitate“ wie | |
| Nationalparks, in denen die Wölfe „ungestört leben dürfen“, so steht es … | |
| seiner Homepage. Eine Idee, die in Schleswig-Holstein so gar nicht klappt. | |
| Denn hier heißt der wichtigste Nationalpark „Wattenmeer“, und eben an | |
| dessen Rand treffen Wolf und Schaf immer wieder aufeinander. | |
| Auf der Halbinsel Eiderstedt, an deren Spitze der Badeort St. Peter-Ording | |
| liegt, werden in jüngster Zeit häufig Schafe gerissen. 14 Mal biss ein Wolf | |
| zwischen Ende Juli und Ende August im Bereich Eiderstedt zu, das ist | |
| landesweit Spitze. In mehreren Fällen ist sogar bekannt, welcher: GW 932m | |
| heißt der junge Rüde, der aus einem Rudel in Dänemark stammt und sich mit | |
| seinem Bruder im nördlichen Schleswig-Holstein herumtrieb. | |
| ## Grasen an den Gräben | |
| Seit längerem seien aber keine Spuren von GW 932m zu finden, teilt die | |
| Wolfsmonitoring-Stelle des Landes mit: „Das kann bedeuten, dass GW 932m | |
| nicht mehr auf Eiderstedt unterwegs ist.“ Alle Schafe, die dem Wolf zum | |
| Opfer fielen, hielten sich „außerhalb einer der vom Land eingerichteten | |
| wolfssicheren Einzäunung“ auf. | |
| Aber Wendelin Schmücker warnt vor einer „Kasernierung der Landschaft durch | |
| immer massivere Wolfschutzzäune“. Olaf Dirks von der vor wenigen Wochen | |
| gegründeten Initiative „Wolfsfreies Eiderstedt“ sieht ein anderes Problem: | |
| Zäune würden verhindern, dass Schafe an den Rändern der Gräben grasen | |
| können, sagte er dem NDR. Damit würden die Gräben, die in den Marschen an | |
| der Westküste für die Entwässerung der Felder sorgen, verschilfen. In der | |
| Folge könnten Wiesenvögel dort nicht mehr nach Nahrung suchen und würden so | |
| nach und nach aus der Gegend verschwinden. | |
| Bisher ist es auf Eiderstedt und in anderen Marschgegenden üblich, gar | |
| keine Zäune zu setzen. Die Schafe werden durch die Gräben auf den Flächen | |
| festgehalten – und die Wölfe haben leichten Zugang. | |
| ## Elektrozäune oder Netze | |
| Fritz Heydemann vom Nabu hält den Gräben- und Vogelschutz für ein | |
| vorgeschobenes Argument: „Die Schäfer fürchten vor allem die Mehrarbeit.“ | |
| Es sei tatsächlich aufwändiger, einen Zaun aufzustellen. Vor allem, wenn er | |
| eine gewissen Höhe haben soll. „Aber viele Menschen müssen sich in ihrem | |
| Berufsleben an neue Gegebenheiten anpassen, warum soll das ausgerechnet für | |
| Schäfer nicht gelten?“, fragt Heydemann. | |
| Als wolfssicher gelten Elektrozäune oder Netze von über einem Meter Höhe, | |
| die zudem ein Stück unter die Erde gehen: „Wölfe graben sich durch“, sagt | |
| der NABU-Experte. Das Land stelle sogar kurzfristig Zäune zur Verfügung. | |
| „Wenn man es den Wölfen nicht so leicht macht, gehen sie wieder“, sagt | |
| Heydemann, der auch am „Runden Tisch“ des Landes zum Wolfsmanagement sitzt. | |
| Aber auch er gibt zu, dass es ein echtes Problem in den Küstenländern gibt: | |
| die Deiche, auf denen Herden über viele Kilometer wandern und dabei das | |
| Gras kurz halten. Hier Zäune aufzustellen, ist technisch nicht einfach. | |
| Das Thema beschäftigt weiterhin die Politik: „Wir sind auf die Beweidung | |
| der Deiche angewiesen“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Hauke Götsch bei | |
| der jüngsten Landtagssitzung zum Wolfsmanagement. „Ohne Schafe bekommen wir | |
| ein Problem mit dem Küstenschutz.“ Götsch schlug vor, über „Vergrämen s… | |
| Entnahme“ nachzudenken. Anfang Dezember will sich der Umwelt- und | |
| Agrarausschuss ausführlich mit dem Thema befassen, zu einer Anhörung sind | |
| alle Seiten eingeladen. | |
| 13 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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