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# taz.de -- Hochwasserschutz vs. Naturschutz: Baumfreunde auf Zinne
> Der grüne Bremer Umweltsenator Joachim Lohse will eine Platanenreihe an
> der Weser fällen, um den Deich ertüchtigen zu können – und bekommt viel
> Gegenwind.
Bild: Wenn sie umfallen, reißen sie ein Loch in den Deich: Platanen an der Wes…
Bremen taz | In Bremen macht eine Bürgerinitiative dem grünen Umweltsenator
Joachim Lohse das Leben schwer. Als Bausenator auch für den
Hochwasserschutz zuständig, will er den Weserdeich südlich der Innenstadt
erhöhen und dafür 133 Platanen fällen, die auf dem Deich stehen. Eine
Bürgerinitiative findet, das Fällen sei unnötig und fatal fürs Stadtklima.
Der Senator warnt, das könnte ein Schuss ins Knie sein – die Neustadt drohe
abzusaufen.
Die meist 50 bis 60 Jahre alten Platanen liegen wie eine Perlenkette auf
dem Deich. Doch der entspricht nicht mehr aktuellen Standards – schon gar
nicht angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen
Sturmflutprognosen: Ein steigender Meeresspiegel wird auch mehr Wasser die
Weser hinauf drücken.
Für so eine künftige Sturmflut ist die Deichkrone nicht hoch genug. Das
Baumaterial besteht zum Teil aus Trümmerschutt, die Flanken sind zu steil.
Außerdem will der Senator die Voraussetzungen dafür schaffen, den Deich
ohne großen Aufwand noch einmal zu erhöhen, sollten sich die schlimmeren
unter den Prognosen über den Anstieg des Meeresspiegels bewahrheiten.
Dazu, wie die Deichertüchtigung aussehen könnte, gibt es ein umfangreiches
Gutachten plus Spezialuntersuchungen. Das Gutachten vergleicht verschiedene
Deichvarianten mit Blick auf den Hochwasserschutz, die Stadt- und
Freiraumplanung, die Verkehrserschließung und „sonstige Aspekte“.
Das Problem für den Senator: Auch die Varianten, die eine Erhaltung eines
großen Teils der Platanen vorsehen, würden ihren Zweck erfüllen – sie wär…
unter der Berücksichtigung aller Aspekte nur nicht so gut wie die von den
Gutachtern ermittelte „Vorzugsvariante“. Das macht das argumentieren mit
jemandem wie Gunnar Christiansen schwer, der vor allem ein Ziel verfolgt:
die Bäume zu erhalten.
„Diese 133 Bäume stellen einen ganz wesentlichen stadtökologischen Faktor
dar“, sagt Christiansen, der für die Piratenpartei im Beirat des Stadtteils
Neustadt sitzt. Die Platanen mit ihren ausladenden Kronen spendeten
Sauerstoff, Schatten, Kühlung und filterten Feinstaub aus der Luft.
Angesichts des Klimawandels und der Belastung der Neustadt sei das gar
nicht zu überschätzen.
In die Wertung des Gutachtens indes geht das Thema Erhaltung oder
Neupflanzung der Bäume nur zu zehn Prozent ein. Unterm Strich erhält die
Vorzugsvariante mit Fällung und Neupflanzung ein Drittel mehr Punkte als
die Varianten mit Erhaltung der Bäume: Sie gewährt einen deutlich besseren
Hochwasserschutz und ermögliche weserseitig den Bau einer breiten
Promenade.
## Eine Drainage für die Wurzeln
Dazu kommt die Frage, ob der Aufwand gerechtfertigt ist, der nötig wäre, um
die Platanen zu erhalten. Denn die Hälfte der vom Baumgutachter Andreas
Block-Daniel untersuchten Bäume ist von dem Massaria-Pilz befallen, dessen
Ausbreitung durch trockenes Wetter begünstigt wird und der Äste absterben
lässt. Der Ausbau des Hochwasserschutzes würde die Bäume zusätzlich unter
Stress setzen.
Denn bei allen Planungsvarianten müsste in mehr oder weniger großem Abstand
vor den Platanen eine Spundwand in den heutigen Deich gerammt werden. „Es
ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Platanen das nicht überleben
werden“, warnt Behördensprecher Jens Tittmann. Denn für das Rammen müssten
die Kronen einseitig stark beschnitten werden. Und damit die Wurzeln nicht
faulen, müsste ein Drainage im Deich verlegt werden. Damit werde eine
Schwachstelle in den Deich gebaut, die schwer zu beherrschen sei, sagt
Tittmann. Bei einer Spundwand mit Drainagelöchern wäre die
Hochwassersicherheit nicht zu garantieren, befürchtet er.
Baumgutachter Block-Daniel geht zwar auch davon aus, dass die Platanen
durch den Umbau unter Stress gesetzt würden. Trotzdem ließe sich der
Massaria-Befall bei guter Pflege unter Kontrolle halten. Ein großer Teil
der Platanen könnte mittel- bis langfristig erhalten werden – was zugleich
für das heutige Stadtbild gilt.
Tittmann führt außerdem noch ins Feld, dass sich der Verkehr bei einer
Neupflanzungs-Variante besser organisieren lasse. Er versichert: „Auch wir
finden es schade, dass wir die Bäume abholzen müssen.“ Schließlich sei
Lohse auch Umweltsenator, Grüner und als ehemaliger Geschäftsführer von
Ökopol sowie des Ökoinstituts ausgewiesener Umweltschützer.
Christiansen von der Bürgerinitiative wirft Lohse gerade das
Verkehrs-Argument vor die Füße: „Die wollen eine Uferpromenade von sechs
Metern haben“, kritisiert er. Dabei wären vier Meter doch auch genug.
Im Übrigen sei die Bürgerbeteiligung eine Farce gewesen, weil nur eine
Variante zur Debatte gestanden habe. Tittmann sieht nicht, dass sich die
Behörde hier etwas vorzuwerfen hätte. Und auch die Beiräte hätten ja
mehrheitlich für die Vorzugsvariante gestimmt. Christiansen sammelt nun
Unterschriften für ein Volksbegehren dagegen.
17 Jan 2019
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Deiche
Naturschutz
Bäume
Joachim Lohse
Bremen
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Grüne Bremen
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