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# taz.de -- Privatisierungswahn in Bayern: Der große Wohnungsdeal
> In Bayern gibt es immer mehr Kritik an dem Verkauf von 33.000 Wohnungen
> aus Landesbesitz. Finanzminister Markus Söder wehrt sich.
Bild: Bayerns Finanzminister Markus Söder findet, alles sei „nach Recht und …
München taz | Es gab einmal 33.000 Wohnungen in Bayern, in denen 85.000
Menschen lebten. Die Miete war sozial vertretbar. Die Wohnungen gehörten
der Bayerischen Landesbank (Bayern-LB) und damit dem Freistaat. Sie wurden
unterhalten von der GBW. Nicht mehr viele wissen noch, für was diese
Abkürzung steht: Gemeinnützige Bayerische Wohnungsaktiengesellschaft.
Gemeinnützig – bis zum Jahr 2013 war dieses Wort auch noch mit Inhalt
gefüllt.
Dann wurde die GBW an ein Investorenkonsortium verkauft, dem der in
Augsburg ansässige Immobilienkonzern Patrizia AG vorsteht. Es war einer der
größten Deals auf dem Wohnungsmarkt Deutschlands. Bayerns Finanzminister
Markus Söder (CSU), der vonseiten des Freistaats Verhandlungsführer war,
sagte nach der Unterschrift unter den Vertrag: „Die GBW bleibt bayerisch.“
Es gibt die GBW weiterhin, allerdings firmiert sie jetzt unter dem Titel
GBW-Gruppe und ist Teil von Patrizia. Nahezu täglich lässt sich nun
beobachten, wie der Wohnungsbestand modernisiert wird – und die Mieten
happig steigen, oftmals um mehr als 30 Prozent. Die meist großen Anlagen
werden zersplittert und die Wohnungen einzeln verkauft: an bisherige
Mieter, wenn diese das Geld dafür haben, oder an Anleger.
Letztere Variante ist die üblichere, was für zahlreiche Mieter insbesondere
im Hochpreisballungsraum München bittere Konsequenzen hat. „Viele sind
gezwungen auszuziehen, teils ist es schlimm“, beklagt der Geschäftsführer
des Mietervereins München, Volker Rastätter.
Nun hat die Opposition den umstrittenen Verkauf wieder auf die Tagesordnung
gesetzt. Der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold meint, die CSU-Regierung
habe die Wohnungen „an eine Finanzheuschrecke“ verkauft, und spricht vom
„größten Wohnungsskandal Bayerns“. Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Mistol
sieht Söder als „Buddy der Finanzbranche und der Wirtschaftsriesen“. Es
wird Aufklärung gefordert. Noch am Donnerstagabend soll sich der Minister
im Landtag erklären, so ein Dringlichkeitsantrag der Opposition.
## Neue Rechercheergebnisse des BR
Ursache der Empörung sind neue Rechercheergebnisse des Bayerischen
Rundfunks (BR). Demnach soll Patrizia schon im Jahr 2008 mit der Landesbank
über einen Kauf der GBW gesprochen haben – und somit möglicherweise an
Informationen gelangt sein, die dem Unternehmen beim Bieterverfahren 2013
Vorteile verschafften.
Zudem will der BR nachweisen können, dass die GBW über das
Patrizia-Imperium so weit verzweigt ist, dass am Ende Gruppen im
Steuerparadies Luxemburg und in den Niederlanden dahinterstecken –
dementsprechend wenig Steuern werden dann gezahlt. Eine vom Sender
veröffentlichte Grafik macht zumindest anschaulich, dass die
Besitzverhältnisse äußerst komplex sind.
Die SPD kritisiert „dubiose Steuersparmodelle“, die auf Anonymität
ausgerichtet sind, und verlangt, dass der Verkauf von 2013 „auf den
Prüfstand“ kommt.
Markus Söder hingegen meint weiterhin, bei den Vorgängen sei alles „nach
Recht und Gesetz“ gegangen. Nähere Informationen über die Patrizia-Struktur
habe es beim Verkauf nicht gegeben. 2,45 Milliarden Euro hatte die
Bayern-LB damals eingestrichen.
## 200 Investoren aus ganz Europa
Patrizia selbst weist die Vorwürfe gar nicht zurück. Man habe rund 200
institutionelle Investoren wie Versicherungen oder
Altersvorsorgeeinrichtungen aus ganz Europa. Um diesen die jeweils
„passende Investitionsplattform“ zu bieten, sei Patrizia mit
Tochtergesellschaften in sieben europäischen Ländern vertreten, darunter
auch Luxemburg und die Niederlande. Die „steuerliche Komponente“ habe aber
„nur sekundäre Bedeutung“.
Schon im Jahr 2013 hatte der GBW-Verkauf für Kritik gesorgt. Die Bayern-LB
war damals überschuldet wegen des in Edmund Stoibers
Ministerpräsidentenzeit fallenden Fehlkaufs der Kärntner Bank Hypo Alpe
Adria. Daraufhin verlangte die EU, dass sich die Bayern-LB von ihren
Wohnungen trennt. Im Bieterverfahren um das Wohnungspaket hatten sich auch
Kommunen unter der Federführung der Stadt München beworben. Allerdings
gingen sie leer aus, weil Patrizia mehr bezahlte.
Der Zuschlag sei korrekt erfolgt, meint Söder, weil nach Europarecht das
wirtschaftlich beste Angebot hätte angenommen werden müssen. Über diese
Entscheidung wachsen nun die Zweifel. Die GBW verkauft weiter ihre
Wohnungen in der Landeshauptstadt mit dem Slogan: „Sichern Sie sich jetzt
Ihre Münchner Steine!“
13 Oct 2016
## AUTOREN
Patrick Guyton
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