| # taz.de -- Präsidentenwahl in der Republik Moldau: Aus dem Grab an die Urne | |
| > Am Sonntag entscheiden die Moldauer auch über die Frage, wo die Reise | |
| > außenpolitisch hingeht. Mit Wahlfälschungen ist zu rechnen. | |
| Bild: Omnipräsent in Chisinau: der sozialistische Kandidat Igor Dodon | |
| Berlin taz | Igor Dodon, Chef der sozialistischen Partei in der Republik | |
| Moldau, scheint wirklich ein Mann der Superlative zu sein. „Es reicht! Igor | |
| Dodon Präsident! Der einzige Politiker, der in der Lage ist, das | |
| gegenwärtige Regime zu beseitigen und das Land zu retten!“, lautet einer | |
| der Wahlwerbesprüche des 41jährigen. | |
| Am kommenden Sonntag sind die Moldauer dazu aufgerufen, einen neuen | |
| Präsidenten zu wählen. Im März dieses Jahres hatte das Verfassungsgericht | |
| ein Gesetz gekippt, wonach der Präsident ab 2000 vom Parlament gewählt | |
| wurde. Die dafür erforderliche Dreifünftelmehrheit wurde häufig nicht | |
| erreicht, was nicht nur einmal zur Auflösung der Kammer und vorgezogenen | |
| Neuwahlen führte. | |
| Von den neun Kandidaten wird Dodon das beste Ergebnis vorausgesagt – | |
| Umfragen sehen ihn bei bis zu 40 Prozent der Stimmen. Dodon, der sich gern | |
| als Anti-Korruptionskämpfer geriert, strebt eine Wiederannäherung der | |
| Republik Moldau an Russland an. Seine erste Reise als Präsident werde ihn | |
| nach Moskau führen, kündigte er unlängst im Wahlkampf an. | |
| Dodons stärkste Konkurrentin ist die ehemalige Bildungsministerin Maia | |
| Sandu. Die Harvard-Absolventin, die von 2010 bis 2012 als Beraterin bei der | |
| Weltbank in Washington tätig war und in diesem Jahr die Partei „Aktion und | |
| Solidarität“ gründete, liegt Umfragen zufolge bei 15 Prozent der Stimmen. | |
| ## Gespaltene Gesellschaft | |
| Dodon gegen Sandu, Ost gegen West: Es ist dieser Gegensatz, der die | |
| Gesellschaft in der seit 1991 unabhängigen Republik Moldau – einem Land | |
| zwischen Rumänien und der Ukraine mit knapp über drei Millionen Einwohnern | |
| – tief spaltet. Seit 2009 wird Moldau von einer rechtsliberalen Koalition | |
| regiert. 2014 wurde ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. | |
| Doch die Hinwendung zum Westen bewertet ein großer Teil der Bevölkerung | |
| mittlerweile eher negativ. Nach wie vor ist Moldau mit einem | |
| Durchschnittslohn von umgerechnet 160 Euro eines der ärmsten Länder | |
| Europas. Wer kann, packt seine Koffer. Allein in Russland fristen 300.000 | |
| Moldauer ihr Dasein als Arbeitsmigranten. Es sind nicht zuletzt ihre | |
| Rücküberweisungen, die ihr Heimatland am Leben erhalten. | |
| 2015 wurde Moldau von einem handfesten Korruptionsskandal erschüttert, der | |
| das Aus für die Regierung unter Valeriu Strelet bedeutete. Mehr als eine | |
| Milliarde Euro, was 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht, | |
| wurden von drei moldauischen Banken illegal ins Ausland transferiert. | |
| Strelets Nachfolger, Pavel Filip, sah sich im vergangenen Januar auf | |
| Massendemonstrationen mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Zielscheibe | |
| der Proteste war auch der Oligarch Wladimir Plachotnjuk – seines Zeichens | |
| Abgeordneter der Regierungspartei Demokratische Partei und einer der | |
| reichsten Männer Moldaus. Ihm wird nachgesagt, an allen entscheidenden | |
| Stellen im Staat die Fäden zu ziehen. | |
| ## Fotos mit Tusk und Merkel | |
| Genau an solchen Leuten wie Plachotnjuk arbeitet sich auch Kandidatin Maia | |
| Sandu ab, den sie beschuldigt, die staatlichen Institutionen politisiert zu | |
| haben. Mitte Oktober warnte sie bei einem Besuch in Brüssel, vor sie sich | |
| publikumswirksam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident | |
| Donald Tusk ablichten ließ, vor der Gefahr massiver Wahlfälschungen. Um | |
| diese zu verhindern zähle sie auf die Hilfe der EU-Institutionen. | |
| Unbegründet sind solche Befürchtungen, trotz der Anwesenheit von | |
| Wahlbeobachtern der OSZE, nicht. So machte die Organisation OCCRP | |
| (Organized Crime and Corruption Reporting Project) auf Friedhöfen in der | |
| Hauptstadt Chisinau interessante Entdeckungen. Mehrere der Toten, die dort | |
| bestattet sind, stehen in Wählerverzeichnissen. So beispielsweise | |
| Constantin Tanase, Vater des derzeitigen Präsidenten des | |
| Verfassungsgerichts. | |
| Doch unabhängig davon, wie viele „tote Seelen“ an der Abstimmung teilnehmen | |
| und wer künftig im Präsidentenpalast residieren wird. Die Frage ist, | |
| inwieweit der oder die neue Amtsinhaber/in die Politik wird beeinflussen | |
| können. | |
| Zwar erhält das Staatsoberhaupt durch die Direktwahl einen höheren Grad an | |
| Legitimität, aber nicht mehr politische Vollmachten. Igor Dodon ist kein | |
| Anhänger des Assoziierungsabkommens mit der EU. Bislang hat er nicht | |
| gefordert, das Abkommen aufzukündigen. Sollte er jedoch Präsident werden, | |
| muss das nicht so bleiben. | |
| ## Problemfall Transnistrien | |
| Auch für den eingefrorenen Konflikt um die von Moldau abtrünnige Region | |
| Transnistrien, die von Russland wirtschaftlich abhängig und wo russisches | |
| Militär stationiert ist, könnte das Wahlergebnis von Bedeutung sein. Eine | |
| weitere Annäherung an den Westen könnte die Friktionen zwischen Chisinau | |
| und Moskau in dieser Frage vertiefen. | |
| Die moldauische Journalistin Mariana Galben glaubt, dass die rechtsliberale | |
| Regierung einen Russland zugewandten Präsidenten Dodon schon werde in | |
| Schach halten können. Und der werde es sich nicht einfallen lassen, das | |
| EU-Abkommen zu annulieren. „Denn ohne finanzielle Hilfen von der EU“, sagt | |
| Galben“, würde unser Land nicht mehr lange existieren.“ | |
| 29 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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