# taz.de -- Präsidentenwahl in Belarus: Lukaschenko setzt noch einen drauf | |
> Am Sonntag will der Dauerherrscher Alexander Lukaschenko 86,82 Prozent | |
> der Stimmen erhalten haben. Von echten Wahlen kann keine Rede sein. | |
Bild: Protest gegen die Wahlfarce in Belarus am Sonntag in Warschau | |
Berlin taz | Der belarussische Machthaber [1][Alexander Lukaschenko] ist | |
offensichtlich ein Mann der Superlative. Bei der sogenannten | |
Präsidentenwahl am Sonntag kam der 70-Jährige laut der staatlichen | |
Nachrichtenagentur Belta auf 86,82 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren war | |
das offizielle Ergebnis mit 84,38 Prozent angegeben worden. Die | |
Wahlbeteiligung lag bei 85,7 Prozent und übertraf damit ebenfalls den Wert | |
von 2020 (84,38 Prozent). | |
Die anderen vier Kandidat*innen, allesamt stramm auf Lukaschenko-Kurs, | |
landeten alle im einstelligen Bereich. Einer von ihnen, Oleg Gaidukewitsch, | |
hatte bereits vor der Schließung der Wahllokale eine Erklärung abgegeben. | |
Man müsse nicht Nostradamus sein, um zu verstehen, dass der derzeitige | |
Präsident die Wahlen gewinnen werde. Das habe jeder vor den Wahlen gewusst, | |
sagte Gaidukewitsch. Er war bis 2024 Parlamentsabgeordneter und wurde unter | |
anderem von der EU mit Sanktionen belegt. | |
Unabhängige Wahlbeobachter*innen, wie beispielsweise von der OSZE, waren | |
nicht anwesend. Im Ausland lebende Balaruss*innen konnten nicht | |
abstimmen, da dort keine Wahllokale geöffnet hatten. Begründet worden war | |
das mit „fehlenden Sicherheitsmaßnahmen“ und dem Abbau von belarussischem | |
Diplomatenpersonal in einigen Ländern. | |
Auch ansonsten war das Terrain für die „Wahlen“ in bewährter Manier | |
bereitet. So hatten die Behörden umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, | |
über die das Staatsfernsehen ausführlich berichtete. Im Falle von | |
Massenprotesten hatte Lukaschenko zudem damit gedroht, das Internet | |
abzuschalten. Die Behörden hatten das Fotografieren ausgefüllter | |
Stimmzettel verboten. Diese waren 2020 häufig dazu genutzt worden, um | |
Wahlbetrug nachzuweisen. | |
## Abstimmung im Koma | |
Das unabhängige belararussische Internetportal Zerkalo, das der | |
russischsprachige Dienst der BBC zitiert, berichtete, dass es Mitarbeitern | |
von Regierungsbehörden untersagt worden sei, Urlaub zu nehmen. Chefärzte | |
seien verpflichtet worden, Patient*innen erst am Montag, dem 27. | |
Januar, zu entlassen. In die Wählerlisten hätten auch diejenigen | |
aufgenommen werden müssen, die auf der Intensivstation gelegen hätten. | |
„Alle mussten ‚abstimmen‘, auch wenn sie bewusstlos waren“, schreibt | |
Zerkalo. | |
Am Wahltag blieben bei einer Pressekonferenz von Lukaschenko, der seit 1994 | |
an der Macht und ein enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir | |
Putin ist, keine Fragen offen. „Erkennen Sie diese Wahlen an oder nicht: | |
Das ist eine Frage des Geschmacks und es ist mir egal. Die Hauptsache für | |
mich ist, dass die Belaruss*innen diese Wahl anerkennen“, sagte | |
Lukaschenko – eine klare Botschaft an die EU. | |
Einem BBC-Korrespondenten entgegnete er auf die Frage, [2][ob Wahlen als | |
demokratisch angesehen werden könnten, wenn seine politischen | |
Gegner*innen entweder im Gefängnis oder im Exil seien]: „Man hat das | |
Recht, zu wählen, ob man im Gefängnis oder im Exil ist.“ | |
Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 | |
gegen Lukaschenko angetreten war und derzeit im litauischen Exil lebt, | |
hatte ihre Landsleute dazu aufzurufen, bei der Wahl gegen alle zu stimmen | |
oder sich zu enthalten. Die Menschen sollten nicht auf die Straße gehen. | |
„Das ist nur ein Betrug. Dort findet eine militärische Operation statt, | |
eine Show, die das Regime organisiert, um an der Macht zu bleiben“, sagte | |
Tichanowskaja. | |
## Kein legitimer Präsident | |
Auch zahlreiche westeuropäische Politiker*innen hatten sich bereits im | |
Vorfeld zu den Wahlen geäußert. Was heute in Belarus passiere, könne man | |
nicht als Wahlen bezeichnen. Alexander Lukaschenko nutze erneut die | |
Attribute der Demokratie, um an der Macht zu bleiben. „Aber er ist und wird | |
nicht der legitime Präsident von Belarus sein“, schrieb Litauens Präsident | |
Gitanas Nausėda auf X. | |
Polens Außenminister Radosław Sikorski verwahrte sich gegen die Bezeichnung | |
von Lukaschenko als letzten Diktator Europas. „Wladimir Putin hat ihn bei | |
Diebstahl, Unterdrückung und Kriegsverbrechen übertroffen“, schrieb | |
Sikorski auf X. | |
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach von einer eklatanten Beleidigung | |
der Demokratie. Lukaschenko sei illegitim. Am 22. Januar hatte das | |
Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, in der die | |
Präsidentenwahl als Scheinwahl verurteilt wird. | |
Die Wahl in Belarus war am Sonntag von zahlreichen Protesten im Ausland | |
begleitet. Die größte Kundgebung fand in der polnischen Hauptstadt Warschau | |
statt. Die Demonstrant*innen trugen eine große weiß-rot-weiße Flagge | |
durch die Straßen der Stadt. Laut dem russischen unabhängigen Medium SOTA | |
nahmen an dem Marsch auch Vertreter des Regiments Kastus Kalinovsky teil, | |
das auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte gegen die russische Armee | |
kämpft. | |
27 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Diktator-in-Belarus/!6029475 | |
[2] /Oppositioneller-ueber-Wahl-in-Belarus/!6061761 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
## TAGS | |
Belarus | |
Alexander Lukaschenko | |
Präsidentenwahl | |
Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
Belarus | |
Belarus | |
Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mysterium um belarussische Aktivistin: Wo ist Anžalika Mieĺnikava? | |
Die belarussische Oppositionelle Anžalika Mieĺnikava ist vor einigen Tagen | |
spurlos aus Polen verschwunden. Jetzt wurde ihr Handy in Belarus geortet. | |
Pressefreiheit in Belarus: Wahl zwischen Gefängnis und Exil | |
Autokrat Lukaschenko zeigt grenzenlosen Zynismus gegen Medien. Reporter | |
ohne Grenzen hat nun beim Internationalen Strafgerichtshof Klage | |
eingereicht. | |
Justiz in Belarus: „Ein Haftbesuch des Anwaltes ist schon ein Erfolg“ | |
Die im Exil lebende belarussische Anwältin Ludmila Kazak über die | |
Schwierigkeiten, politische Gefangene in ihrem Heimatland zu verteidigen. | |
Politische Gefangene in Belarus: Lebendig begraben und einfach nicht mehr da | |
In Belarus sitzen rund 1.200 politische Gefangene ein. Sollte der Westen | |
mit dem Regime Alexander Lukaschenkos aus humanitären Gründen verhandeln? | |
Diktator in Belarus: Lukaschenko bis zur Bahre | |
Terror, politische Gefangene, Fake-Wahlen – seit 30 Jahren regiert | |
Alexander Lukaschenko in Belarus. Auch noch mit 70 will er sein Volk „nicht | |
im Stich lassen“. |