# taz.de -- Justiz in Belarus: „Ein Haftbesuch des Anwaltes ist schon ein Erf… | |
> Die im Exil lebende belarussische Anwältin Ludmila Kazak über die | |
> Schwierigkeiten, politische Gefangene in ihrem Heimatland zu verteidigen. | |
Bild: Ludmila Kazak mit Alexander Kolesnikow, Vater der inhaftierten Opposition… | |
taz: Frau Kazak, können Sie kurz die aktuelle Situation von Anwälten in | |
Belarus beschreiben? Von wie vielen Personen sprechen wir? | |
Ludmila Kazak: Landesweit gibt es ungefähr 1.600 Anwälte. Glücklicherweise | |
sind darunter immer noch einige wenige, die politische Gefangene vertreten. | |
Und das, obwohl diese Arbeit für sie gewisse Konsequenzen haben kann. Sehr | |
viele Anwälte, die früher in diesem Bereich aktiv waren, wurden aus der | |
Anwaltskammer ausgeschlossen. Deshalb ist es heutzutage sehr schwierig, | |
überhaupt Anwälte zu finden, die auch harmlose Verwaltungsverfahren | |
übernehmen, wenn es einen politischen Subtext gibt. | |
Was bedeutet ein Ausschluss aus der Anwaltskammer konkret? | |
Der betreffenden Person wird die Zulassung entzogen. Um jedoch als | |
Rechtsanwalt arbeiten zu können, muss man Mitglied der Kammer sein. | |
Gibt es auch Anwälte, die nach einem Ausschluss wieder in die Kammer zurück | |
kehren? | |
Es gibt einige Fälle, aber die werden nicht an die große Glocke gehängt. | |
Manchmal kommt es vor, dass Anwälte, denen der Entzug ihrer Zulassung | |
angedroht wird, selbst aus dem Anwaltsberuf ausscheiden und ihre Zulassung | |
abgeben. Dann haben sie im Prinzip ein Jahr Zeit, um ohne eine erneute | |
Prüfung in die Kammer zurückzukehren. Wenn einem Anwalt die Zulassung | |
entzogen wird, ist immer entscheidend, aus welchem Grund dies passiert. | |
Können Sie das an einem konkreten Beispiel festmachen? | |
Nehmen wir meine Causa. Ich wurde aus der Anwaltskammer ausgeschlossen, | |
weil ich eine Straftat begangen haben soll, die den Anwaltsberuf | |
diskreditiert. In diesem Fall kann ich mich erst nach drei Jahren und nach | |
einer bestandener Eignungsprüfung für eine erneute Rückkehr qualifizieren. | |
Und dann müssen auch noch das Justizministerium und das Kollegium bereit | |
sein, mich aufzunehmen. Doch davon mal abgesehen: Die Kammer hat mit ihrer | |
eigentlichen Bestimmung nichts mehr zu tun. Deshalb verspürt niemand, der | |
nicht in Belarus lebt, den Wunsch in die Kammer zurückzukehren. | |
Was kann denn ein Rechtsbeistand, der einen politischen Gefangenen | |
verteidigt, für seine Mandanten überhaupt tun? | |
Zu [1][bekannten politischen Gefangenen, wie Maria Kolesnikowa] (2020 eine | |
der wichtigsten Oppositionspolitikerinnen, seitdem in Haft, Anm. d. Red.) – | |
werden Anwälte nicht vorgelassen – trotz aller Versuche, mit der Verwaltung | |
der Strafkolonie zu interagieren und alle rechtlichen Methoden | |
auszuschöpfen. Das ist eine Frage des politischen Willens. Bei anderen | |
politischen Gefangenen sind Besuche von Anwälten prinzipiell möglich. | |
Sie Ihnen Verfahren bekannt, die ein Anwalt gewonnen hat? | |
Generell gesprochen ist das unmöglich. Aber wenn jemand, der eine Strafe | |
verbüßt, seinen Anwalt sehen und mit ihm kommunizieren kann, ist das an | |
sich schon ein Erfolg. Denn alles liegt ja in den Händen der Behörden. Wenn | |
es darum geht, einen Menschen komplett von der Außenwelt abzuschotten, | |
gelingt dies, wie wir sehen, sehr einfach und effektiv. Und dagegen gibt es | |
kein Mittel. | |
Sie leben seit dreieinhalb Jahren in Hamburg. Sind Sie als Juristin tätig? | |
Ich arbeite derzeit in der Flüchtlingsberatung, mein Aufgabenbereich ist | |
die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihre Heimat. Da spielen auch | |
viele juristische Fragen mit hinein. Wenn ich über meine neue Arbeit | |
nachdenke, sage ich mir daher immer, dass das im Prinzip zum Teil dem | |
ähnelt, was ich vorher gemacht habe. Denn ich habe auch jetzt Klienten, die | |
sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Parallel dazu studiere ich | |
Jura an der der Universität. Das ist ein spezielles Masterprogramm für | |
Ausländer. | |
Ist in Ihren neuen Kreise in Hamburg, ja in Deutschland überhaupt, Belarus | |
ein Thema? Wie nehmen Sie das wahr? | |
Aktivitäten sind weniger sichtbar. Das ist anders als vor einigen Jahren, | |
als Belarus noch auf der politischen Agenda stand. Hin und wieder gibt es | |
Medienberichte, aber ich hätte gerne mehr davon. Im Rahmen meiner Arbeit | |
treffe ich auch auf [2][belarussische Geflüchtete], die nach Hamburg | |
kommen. Ich sehe, dass da ein Prozess im Gange ist. Wenn man sich die | |
geopolitische Situation vor Augen führt, ist das alles in allem so schlecht | |
nicht. | |
Tun die westlichen Staaten im Hinblick auf diese Menschen genug? | |
Wir sehen derzeit, dass immer mal wieder politische Gefangene frei kommen. | |
Das schreibe ich den Bemühungen einiger europäischer Staaten zu, die tragen | |
Früchte. Denn da findet irgendeine Art von Kontakt statt. Ich glaube, dass | |
das Maximum dessen, was getan werden kann, auch getan wird. Eine andere | |
Sache ist, dass das gewünschte Ergebnis nicht schnell zu erreichen ist. | |
Doch immerhin: Menschen kommen frei. Das ist das Wichtigste. Leider | |
betrifft das nicht alle politischen Gefangenen. Doch ich habe die Hoffnung, | |
dass auch sie irgendwann herauskommen. Die Kehrseite der Medaille jedoch | |
ist: Um die Freigelassenen zu ersetzen, werden viele andere Menschen | |
inhaftiert. Das folgt der Logik des Regimes. Leider. | |
26 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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