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# taz.de -- Positiv bleiben trotz Krisen: Berufsoptimistin ist ein harter Job
> In krisenreichen Zeiten fällt es schwer, hoffnungsvoll zu sein. Dabei ist
> alles eine Frage der Perspektive, findet unsere Autorin.
Bild: Optimistisch zu bleiben ist in krisenreichen Zeiten nicht einfach
Wenn ich [1][die Nachrichten oder meine Social-Media-Feeds] ansehe, fühlt
es sich oft an, als sei der Weltuntergang ganz nah. [2][Klimawandel],
[3][Krieg], [4][Rechtsruck]. Die Zukunft ist bedrohlich. 2019 hatte ich
schon mal so ein Gefühl des kurz [5][bevorstehenden Untergangs]. Und weil
es niemanden gab, der mir einen positiven Ausblick verschafft hätte,
kümmerte ich mich selbst darum. Ich kombinierte all die guten Ideen, die
ich in Studium, Arbeit und Literatur erfahren hatte, und schrieb eine
Utopie. Meine Utopie: [6][Pantopia].
In ihr entsteht die starke künstliche Intelligenz „Einbug“. Einbug begreift
schnell, dass er, um zu überleben, nicht nur die Menschen besser
kennenlernen, sondern auch die Welt verändern muss. Deshalb gründet er
zusammen mit seinen Programmierer*innen die Weltrepublik Pantopia, in
der alle Menschen gleich, frei und nachhaltig leben können.
Ab und zu bekomme ich E-Mails von Menschen, die das Buch gelesen haben. Sie
erzählen mir von der Hoffnung, die ihnen der Roman geschenkt hat. Das sind
ganz besondere Briefe für mich, denn sie zeigen mir, dass sich die Gefühle,
die ich beim Schreiben hatte, übertragen.
## Algorithmen ziehen uns in eine Negativ-Blase
Der Wunsch nach einer gerechteren Welt, das Bedürfnis, selbst zur
Veränderung beizutragen und die Vorfreude auf das Leben in einer
Gesellschaft, die all das geschafft hat. Durch das Buch bin ich zur
Utopie-Verantwortlichen geworden. Ich bin nun quasi Berufsoptimistin und
werde immer wieder beauftragt, auf Podien positive Zukunftsentwürfe zu
entwickeln.
Das Problem ist nur: Seit ich Pantopia geschrieben habe, sind drei Jahre
vergangen und meine eigene Aufbruchstimmung hat sich verflüchtigt.
Schlimmer noch: Das Buch, das ich aktuell schreibe, hat eine düstere,
aggressive Stimmung, und um diese Stimmung herbeizuführen, muss ich mich
mit Inhalten befassen, die mich selbst emotional mitnehmen. In einer
solchen Situation den Schalter umzulegen und wieder positive Zukünfte zu
ersinnen, fällt mir schwer.
Ich weiß, dass es vielen ähnlich geht: Wir versinken immer tiefer in
schlechten Nachrichten, weil die Algorithmen dafür sorgen, dass wir mehr
von dem sehen, was uns aufregt, nicht mehr von dem, was gut für uns wäre.
Dabei müssen wir uns klar sein, dass nahezu alles, was von
Nachrichtenredaktionen als berichtenswert ausgesucht wird, Ausnahmen sind!
Über die meisten gewaltlosen und erfolgreichen Versammlungen, Beziehungen,
Polizeikontrollen und Kompromisse lesen wir nichts. Das, was gut
funktioniert, nehmen wir als selbstverständlich hin, anstatt es zu feiern.
## Gute Nachrichten findet man überall
Ich denke an die Beispiele, die ich in den letzten Wochen und Monaten
kennenlernen durfte: Das sind [7][Start-ups, die müllfreie
Einwegverpackungen anbieten]; Wissenschaftler*innen, die plastikzersetzende
Enzyme entwickeln; Ehrenamtliche, die Software für Schüler*innen
verbessern; Rentner*innen, die für sichere Radwege im Stadtverkehr kämpfen,
oder ehemalige Karrieristen, die auf Altenpfleger umschulen.
Wenn ich auf diese Ebene blicke, dann sieht es ziemlich gut aus. Dann
kommen doch 30-mal mehr Menschen zur Demo gegen Rechtspopulismus als zur
Kundgebung der Hetzer. Menschen, die etwas verändern wollen, wird oft
erwidert: „Aber das ist doch utopisch!“ Ich würde mich freuen, wenn dieser
Ausspruch in Zukunft nicht mehr abwertend, sondern anerkennend gemeint ist.
Denn die Utopie entsteht erst im Kopf. Und dann verändert sie uns.
9 Jul 2023
## LINKS
[1] /Journalismus-im-Zeitalter-der-Dauerkrisen/!vn5868599
[2] /klima
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[4] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296
[5] /Klimaforscher-ueber-Doomism/!5902230
[6] https://www.fischerverlage.de/buch/theresa-hannig-pantopia-9783596706402
[7] https://gaeastar.com/
## AUTOREN
Theresa Hannig
## TAGS
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