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# taz.de -- Halloween: Das tollste Fest von allen
> Halloween hat nichts mit Religionen zu tun, es gibt keinen Braten und die
> Familie muss man auch nicht sehen. Wird es Weihnachten in Zukunft
> ablösen?
Bild: Partys sind möglich, aber nicht zwingend erforderlich: Halloween in New …
Kopfschüttelnd lief ich an all den Häusern vorbei, die mit künstlichen
Spinnennetzen, Skeletten, Grabsteinen und abgeschnittenen Gliedmaßen aus
Gummi dekoriert waren. „Wie kann man bei den ganzen aktuellen Katastrophen
noch [1][Lust auf Halloween haben]?“, fragte ich laut. Ich war mit meinem
Freund Felix unterwegs, der aus dem Jahr 2123 stammt und mich ab und zu in
der Gegenwart besuchen kommt.
Während ich verständnislos schaute, war Felix geradezu entzückt. Er zeigte
auf geschnitzte Kürbisse und drückte voller Begeisterung auf die Knöpfe
einer Zombiepuppe, die daraufhin schauderhaft stöhnte und versprach, bei
der nächsten Gelegenheit sein Gehirn zu verspeisen.
„Einfach großartig!“, rief er.
„Gibt es in hundert Jahren kein Halloween mehr?“, fragte ich.
„Oh doch, natürlich. Halloween ist das wichtigste Fest von allen.“
„Wie konnte das denn passieren?“, fragte ich entgeistert.
„[2][Halloween ist das perfekte Fest für eine individualisierte
Single-Gesellschaft] mit Hang zum Dramatischen. Die Religionen streiten ab,
damit etwas zu tun zu haben, was es zum idealen Fest für alle macht!
Niemand muss beschenkt werden, es gibt keine verpflichtenden
Familienbesuche, Partys sind möglich, aber nicht zwingend erforderlich;
keiner muss gut gelaunt sein, Hässlichkeit, Ekel und Horror werden
gefeiert.
Endlich kann man all seine Online-Fehlkäufe auf einmal anziehen und niemand
wird einen dafür schief angucken. Noch ein Vorteil: Halloween findet bei
Einbruch der Dunkelheit statt, das heißt, Kinder können schon am Nachmittag
loslegen. Und statt endlose Gelage abzuhalten, für die massenweise Tiere
geschlachtet werden, stopfen sich die Menschen mit Süßigkeiten voll. Ach
ja, und die Nachbarn lernt man auch endlich kennen.“
„Hmmm“, murmelte ich, während ich vorsichtig die spitzen Zähne einer
Vampirpuppe befühlte. „Ich fand es bisher befremdlich, dass Menschen Spaß
an Horror haben … [3][wenn ich schlimme Sachen sehen will, guck ich die
Tagesschau].“
„Aber das ist doch der springende Punkt: Die Angst, die wir vor den
wirklich großen Katastrophen haben, findet in unserer Gesellschaft kaum ein
Ventil. Wir können die globalen Probleme nicht selber lösen; verdrängen ist
aber auch fatal – wie man an eurer Zeit gerade sehen kann. Aber an
Halloween können wir all das, wovor wir verlernt haben uns zu fürchten,
wieder aus dem Keller holen und es eine Nacht lang feiern.“
„Weil wir wissen, dass wir es überleben werden“, sagte ich.
„Genau. Angst gehört wie Wut und Trauer zu den Emotionen, die lange Zeit
aus seriösen Diskussionen ausgeschlossen wurden, weil sie vermeintlich
irrational sind. So wurde den Frauen, die wütend gegen die Verletzung
ihrer Rechte protestierten, lange Zeit die Vernunft abgesprochen.
Politiker*innen, die Angst vor Krieg hatten, oder Wissenschaftler*innen,
die um den Verlust intakter Natur trauerten, wurden nicht ernst genommen.
[4][Aber Angst, Wut und Trauer sind starke, berechtigte Antriebe für unser
Handeln.]“
„Deshalb also der Ausdruck Geisteswissenschaften“, sagte ich.
„Das Wortspiel ist furchtbar!“, sagte er kopfschüttelnd.
„Ach Felix, an Halloween musst du solche Schrecken aushalten können.“
30 Oct 2023
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## AUTOREN
Theresa Hannig
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