| # taz.de -- Polnisches Verhältnis zu Deutschland: Bewusste Mythenbildung | |
| > Regierungsnahe Medien hetzen gegen deutsche Zeitungseigentümer im Land. | |
| > So soll die „Repolonisierung“ vorangetrieben werden. | |
| Bild: Getitelt wird unter anderem mit Merkel im Nazi-Look: „Schon wieder woll… | |
| Warschau taz | Besonders dick bekommen es die Deutschen ab. Und | |
| Österreicher, die für Deutsche gehalten werden. Oder Polen, die als | |
| „germanophil“ denunziert werden. Mit ihrer „Repolonisierung“ schürt Po… | |
| nationalpopulistische Regierungspartei PiS schon seit Monaten den | |
| Ausländerhass im eigenen Land. | |
| Der Verlagschef von Ringier Axel Springer wird im Privatsender Republika | |
| als „Gauleiter“ bezeichnet, der glaube, den Polen Vorschriften machen zu | |
| können. Die Journalistin, die in Newsweek Polska die Rezension eines | |
| historischen Buchs zu „polnischen Konzentrationslagern“ veröffentlicht, | |
| wird zum „Deutschenflittchen“ erklärt. Und Mitglieder des kleinen | |
| „Journalisten-Vereins“, die sich in einem offenen Brief für die | |
| antideutsche Medienkampagne der PiS-Anhänger entschuldigen, bekommen | |
| Päckchen mit Gleitcreme zugeschickt, damit sie den Deutschen noch besser in | |
| den Arsch kriechen können. | |
| Schon im Wahlkampf 2015 hatte die PiS angekündigt, den | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk „säubern“ und die restlichen Medien | |
| „repolonisieren“ zu wollen. Tatsächlich gelang es der Partei innerhalb | |
| weniger Monate nach Regierungsantritt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk | |
| abzuschaffen und an seiner Stelle die „Nationalen Medien“ ins Leben zu | |
| rufen. TVP und Polskie Radio mit ihren Haupt-, Neben- und Spartenprogrammen | |
| werden seit Januar 2016 vollständig von der PiS kontrolliert. | |
| Zwar gab es vor allem in Warschau etliche Demonstrationen für Medien- und | |
| Meinungsfreiheit, aber da sich noch zahlreiche Privatsender und Printmedien | |
| einem qualitativ hochwertigen Journalismus verpflichtet fühlten, verebbte | |
| der Protest schnell wieder. Es reichte, das Programm zu wechseln. Das | |
| könnte sich demnächst ändern. | |
| Politiker und Rechtsexperten der PiS arbeiten intensiv an | |
| Gesetzesprojekten, mit denen die angeblich „deutsche Mediendominanz“ in | |
| Polen gebrochen werden soll. Die Verlagshäuser Bauer, Ringier Axel | |
| Springer, Passauer Neue Presse, Burda und andere sind seit Jahren in Polen | |
| aktiv und verdienen Millionen mit ihren Zeitungen, Zeitschriften, | |
| Websites und Radioprogrammen. Damit soll künftig Schluss sein. Doch da das | |
| EU-Recht, das in Polen ebenfalls gilt, die Diskriminierung von Unternehmen | |
| aus anderen EU-Mitgliedsländern verbietet, muss das | |
| „Repolonisierungsgesetz“ so formuliert werden, als ginge es um die | |
| Vermeidung von Monopolbildungen. | |
| ## Kritische Regionalmedien | |
| Als Erstes soll es dem Verlag Polskapress mit dem deutschen Mutterhaus | |
| Passauer Neue Presse an den Kragen gehen. Im Herbst 2018 stehen in Polen | |
| Regionalwahlen an – dabei stehen der PiS die Lokal- und Regionalmedien im | |
| Weg, die relativ kritisch und objektiv berichten. PiS-Politiker und | |
| -Anhänger diffamieren sie deshalb schon seit Monaten als angeblich | |
| „deutschfreundlich“, „unter dem Diktat Berlins stehend“ oder gar als | |
| „Folksdojtsche oder fünfte Kolonne“. | |
| Der Verlag Polskapress gibt zusammen mit dem Verlag Mediapress 23 Lokal- | |
| und Regionalzeitungen heraus. 1989, nach der Wende, hatte der | |
| mittelständische Verlag nach und nach vormals kommunistische Lokal- und | |
| Regionalzeitungen Polens aufgekauft, als diese mangels Geld aus Warschau | |
| vor der Pleite standen. Die tägliche Auflagenhöhe der polnischen Blätter | |
| reicht heute von durchschnittlich knapp 37.000 Exemplaren der Gazeta | |
| Pomorska (Pommersche Zeitung) bis zu knapp 4.000 der Polska Metropolia | |
| Warszawska (Warschauer Metropole Polens). Das Geschäftsmodell funktioniert | |
| mit einer Zentral- und zahlreichen Lokalredaktionen. Die MitarbeiterInnen, | |
| insbesondere die JournalistInnen, sind fast ausschließlich Polen. | |
| Der größte Pressekonzern in Polen ist der deutsche Bauer-Verlag mit | |
| insgesamt 52 Titeln, darunter die Marktführer unter den monatlich | |
| erscheinenden Frauenzeitschriften Kobiety i Życia (Frauen und Leben) mit | |
| einer durchschnittlichen Auflage von rund 355.000 Exemplaren und Swiat | |
| Kobiety (Die Welt der Frau) mit durchschnittlich 292.000 Exemplaren. | |
| An zweiter Stelle folgt der schweizerisch-deutsche Verlagskonzern Ringier | |
| Axel Springer Polska. Mit dem Boulevardblatt FAKT und dem Przeglad Sportowy | |
| (Sportrundschau) gibt er zwei Tageszeitungen heraus, außerdem elf Magazine, | |
| darunter das Nachrichtenmagazin Newsweek Polska und die Monatszeitschrift | |
| Forbes über Wirtschaft, Luxus und Lifestyle. | |
| Nach Polskapress an dritter Stelle folgen etliche polnische Verlagshäuser, | |
| ein Schweizer Konzern, an 11. und 14. Stelle der deutsche Burda-Verlag und | |
| dann fast nur noch polnische Verlage. Der Großteil der insgesamt 314 Titel | |
| in den Segmenten Politik und Wirtschaft, Frauen und Ratgeber wird von | |
| polnischen Verlagen herausgegeben. Dazu zahlreiche Special-Interest-Medien, | |
| ebenfalls zum größten Teil von polnischen Verlagen herausgegeben. | |
| ## „Deutsches Monopol“ | |
| Dennoch behaupten PiS-Abgeordnete wie Elżbieta Kruk, die auch dem | |
| Nationalen Medienrat angehört, dass „Unternehmen mit ausländischem Kapital | |
| 76 Prozent des Medienmarkts in unserem Land kontrollieren. 75 Prozent von | |
| ihnen gehören deutschen Verlagen.“ Die Frage nach den Auswirkungen auf die | |
| öffentliche Meinung in Polen sei „wohl gerechtfertigt“, so Kruk. | |
| Das PiS-nahe Magazin DoRzeczy (Zur Sache) wiederum suggeriert, dass die | |
| Europäische Journalisten Föderation (EJF) einen Bericht vorgelegt hätte, in | |
| dem das „deutsche Monopol“ in Mittelosteuropa kritisiert werde. Danach | |
| zitiert DoRzeczy aus einem „Dokument“, das nicht näher bezeichnet wird, | |
| aber so wirkt, als sei es der Bericht der EJF: „Das alte Monopol des | |
| totalitären Staats wurde in Mitteleuropa in ein Monopol fremden Kapitals | |
| verwandelt, in dem die deutschen Zeitungseigentümer versuchen, [den | |
| Menschen] in Polen, Tschechien und Ungarn ihren Standpunkt – entsprechend | |
| ihrem nationalen Interesse – aufzuzwingen. Das ist eine große Gefahr für | |
| den unabhängigen Journalismus und die Pressefreiheit.“ Dem Wortlaut nach | |
| scheint es sich eher um ein PiS-Regierungsdokument zu handeln. | |
| Doch die Mythenbildung wird ganz bewusst betrieben und zielt auf alte | |
| Ängste und antideutsche Stereotype ab. Im März dieses Jahres stellte die | |
| linksliberale Gazeta Wyborcza in einer Analyse fünf dieser Mythen zusammen: | |
| 1. Von Anbeginn werden die polnischen Medien von einer politischen Option | |
| dominiert, erst von der kommunistischen, dann von einer ausländischen | |
| (sprich deutschen). 2. Polens Medien fielen aufgrund einer Verschwörung in | |
| die Hände der Deutschen. 3. Die „deutschen“ Medien bekämpfen die PiS und | |
| die Rechte in Polen. 4. Die Deutschen steuern durch ihre | |
| medienübergreifende Seilschaft die polnische Politik. Sie diktieren den | |
| polnischen Journalisten, was diese in der Zeitung zu schreiben haben. 5. | |
| „Deutsche“ Medien schreiben unter dem Diktat von Fremden. Echte unabhängige | |
| Medien sind nur die „unbeugsamen Medien“ (also die PiS-nahen). | |
| Zwar analysiert der Autor die fünf Mythen genau, stellt den tatsächlichen | |
| Kontext her und widerlegt sie damit, doch bei der Masse der Bevölkerung | |
| kommen vor allem die ständig wiederholten Slogans an. | |
| Das vom Ministerium für Kultur und Nationalerbe erarbeitete | |
| Repolonisierungsgesetz soll in den nächsten Tagen oder Wochen dem | |
| Parlament vorgelegt werden. Einer Umfrage zufolge, die Anfang April | |
| veröffentlicht wurde, befürworten inzwischen über 60 Prozent der Polen die | |
| „Repolonisierung“ der Medien. | |
| 21 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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