# taz.de -- Polizeiopfer Lorenz A.: Oberbürgermeister vergisst Mitgefühl für… | |
> Statt zu der Trauerkundgebung zu gehen, warb Oldenburgs OB um Verständnis | |
> für die Polizei. Die wiederum warnte Schüler:innen davor, zur Demo zu | |
> gehen. | |
Bild: Demonstration gegen die Tötung von Lorenz in Oldenburg am 25. April | |
Oldenburg taz | Am Freitag sind in der [1][Oldenburger Innenstadt 10.000 | |
Menschen für den von einem Polizisten von hinten erschossenen Lorenz A.] | |
auf die Straße gegangen. Viele kannten ihn. Sie trauerten um den | |
21-jährigen Schwarzen, forderten aber auch eine lückenlose Aufklärung und | |
protestierten gegen rassistische Polizeigewalt. Organisiert hatte die | |
Versammlung die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ in enger Abstimmung | |
mit Angehörigen und Familie. | |
„Es ist enttäuschend, dass kaum politische Vertreter:innen anwesend | |
sind,“ sagte eine Sprecherin am Freitag auf der Bühne. Besonders die | |
Anwesenheit von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) hätte sich die | |
Initiative gewünscht. „Als Zeichen von Verantwortung und Dialog, gerade in | |
Zeiten, in denen Vertrauen in staatliche Institutionen bröckelt, wäre ihre | |
Anwesenheit wichtig gewesen.“ | |
Krogmann begründete seine Abwesenheit im NDR damit, dass es auch Aufrufe | |
zur Demo gab, die den Vorfall „ein bisschen sehr einseitig“ eingeordnet | |
hätten. Was damit gemeint war, hatte der OB im Vorfeld der Demo in einer | |
Pressemitteilung deutlich gemacht. | |
In dem Schreiben verurteilte er Stimmen, die auf Rassismus in der Polizei | |
hinweisen und stellte sie auf dieselbe Stufe mit Online-Postings, in denen | |
die Erschießung von Lorenz A. gelobt wurde. | |
## „Polarisierende Debatte“ | |
„Gerade in den sozialen Medien erleben wir eine polarisierende Debatte | |
zwischen den extremen politischen Rändern, die auf der einen Seite den | |
Vorwurf, das Vorgehen der Polizei sei rassistisch motiviert gewesen, | |
propagieren und auf der anderen Seite Lob und Verständnis für ein hartes | |
Durchgreifen und den Schusswaffengebrauch aussprechen.“ | |
Offenkundig lag dem OB besonders am Herzen, Verständnis und Mitgefühl fürs | |
Vorgehen der Polizei einzufordern. Denn deren oberstes Anliegen sei „die | |
[2][Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger]“, so Krogmann. „Für diesen | |
herausfordernden Dienst genießen die Beamtinnen und Beamten meinen großen | |
Respekt.“ Die „aktuelle Situation“ sei auch für die Polizei sehr belaste… | |
Ganz vergessen hatte der OB hingegen, den Angehörigen des erschossenen | |
Bürgers Lorenz A. sein Mitgefühl auszusprechen. Nach der Kundgebung passte | |
die Stadt sein Statement an: „In dieser Version des Textes wurde in | |
Abstimmung mit dem OB der Satz, in dem das Mitgefühl gegenüber den | |
Angehörigen des 21-jährigen Oldenburgers zum Ausdruck gebracht wird, | |
ergänzt“, erklärt sein Pressesprecher auf Nachfrage. Die Initiative | |
„Gerechtigkeit für Lorenz“ kritisierte die Äußerungen Krogmanns. | |
„Der Versuch, [3][Hinweise auf strukturellen Rassismus] als ‚extremen | |
politischen Rand‘ zu diffamieren ist beschämend und gefährlich“, erklärte | |
ihr Sprecher Suraj Mailitafi. „Er negiert die Lebenserfahrungen vieler | |
Menschen, die tagtäglich Rassismus erleben – auch durch staatliche | |
Institutionen.“ Wer von einem ‚extremen Rand‘ spreche, verkenne die | |
Realität von Rassismus in Deutschland. | |
Daher sei „absolut inakzeptabel“ Hinweise auf mögliche strukturelle | |
Probleme abzuwerten: „Niemand von unserer Initiative hat behauptet, dass | |
der Einsatz explizit rassistisch motiviert war.“ Es sei jedoch aufgrund von | |
historischem und strukturellem Rassismus keine Person völlig frei davon. | |
„In dieser Gesellschaft, in der wir leben, ist es niemals egal, welche | |
Hautfarbe du hast“, so Mailitafi. „Deshalb ist es notwendig und legitim, | |
strukturelle Fragen nach Rassismus zu stellen – gerade, wenn ein junger | |
Schwarzer Mensch durch staatliche Gewalt stirbt.“ | |
Dass Krogmann den ermittelnden Behörden sein pauschales Vertrauen | |
ausspricht, kritisiert die Initiative. „Gerade im Umgang mit tödlicher | |
Polizeigewalt gegen marginalisierte Gruppen zeigt die Erfahrung: Zu oft | |
wurde verschleppt, vertuscht oder verharmlost.“ | |
Die Initiative fordert eine „unabhängige Ermittlung, keine rein interne | |
behördliche Selbstüberprüfung.“ Mit den Ermittlungen gegen den Polizisten, | |
der Lorenz A. erschoss, sind jetzt seine Kollegen der benachbarten | |
Polizeiinspektion Delmenhorst betraut. Dort ist 2021 unter bis heute | |
ungeklärten Umständen Qosay Khalaf in Polizeigewahrsam gestorben. | |
## Polizei schreibt an die Schulen | |
Die Oldenburger Polizei zeigte im Vorfeld der Demo ein [4][fragwürdiges | |
Verständnis der Versammlungsfreiheit]. Sie schickte ein Schreiben an alle | |
weiterführenden Schulen der Stadt. Darin forderte sie die Lehrkräfte | |
nachdrücklich auf, die Schüler:innen zu ermahnen, dass der Ort der | |
Versammlung „nicht nur aus bloßer Neugier oder in Erwartung besonderer | |
Eindrücke aufgesucht werden sollte“. | |
Eine Warnung vor der Demoteilnahme? „Das Schreiben verfolgt keinesfalls | |
einen politischen Zweck, sondern dient der Informationsweitergabe und | |
Prävention im schulischen Kontext“, widerspricht die Polizei auf Nachfrage. | |
Sie räumt jedoch ein: „Zu Recht ist zu konstatieren, dass die eine oder | |
andere Formulierung nicht optimal gewählt wurde“. Dieser Umstand werde nun | |
nachbereitet. | |
29 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Demonstration-fuer-Lorenz-A/!6084885 | |
[2] /Nach-toedlichen-Schuessen-in-Oldenburg/!6080673 | |
[3] /Kriminologe-zum-Fall-Lorenz-A/!6080732 | |
[4] https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/staatliche-ordnung/versammlung… | |
## AUTOREN | |
Aljoscha Hoepfner | |
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