# taz.de -- Polizeieinsatz in Hamburg: Im Würgegriff der Staatsgewalt | |
> Was darf die Polizei? Videos über eine gewaltsame Auseinandersetzung | |
> zwischen acht Polizisten und einem Jugendlichen führen zu aufgeregter | |
> Debatte. | |
Bild: Da blieb ihm die Luft weg: Jugendlicher im Würgegriff der Polizei | |
HAMBURG taz | Er bekomme keine Luft mehr, röchelt der 15-Jährige, während | |
ihm die Beamt*innen den Hals zudrücken und ihn dann mit vereinten Kräften | |
zu Boden bringen. Die Szene spielt sich vor einer Hauswand ab, auf der ein | |
Spruch aus der Spraydose steht, der das Geschehen zu untertiteln scheint. | |
„Please, I can´t breathe“ – „Bitte, ich kann nicht atmen“, steht da | |
geschrieben. | |
Polizeigewalt oder nicht? Verhältnismäßig oder ungerechtfertigt? Die | |
Auseinandersetzung, die sich am Montagmittag am Kohlhöfen in der Neustadt | |
zutrug und die mehrere Passant*innen per Handykamera dokumentierten, löste | |
eine heftige Debatte aus. [1][Die Videos sind auf Youtube,] Twitter und | |
Facebook abrufbar. Auf ihnen ist zu sehen, wie ein Jugendlicher erst von | |
vier, später von acht Polizeibeamt*innen eingekreist und nach einer | |
Schubserei in Gewahrsam genommen wird. | |
Laut Polizei hatte der Jugendliche mehrfach mit einem Elektroroller den | |
Gehweg benutzt – eine Ordnungswidrigkeit. Der Einsatz „einfacher | |
körperlicher Gewalt“ gegen den Jugendlichen sei dann erforderlich gewesen, | |
um eine Personalienfeststellung durchzusetzen. „Dem Jugendlichen wurde | |
dabei mehrfach angedroht, dass gegen ihn Pfefferspray eingesetzt wird, was | |
auch geschah“, heißt es in der [2][polizeilichen Erklärung.] | |
Die Polizei habe den Auftrag, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Bei | |
unkooperativem Verhalten könne es notwendig sein, „einen Widerstand mit | |
körperlicher Gewalt zu brechen“, heißt es weiter. Trotzdem werde „das | |
Einschreiten der Polizeibeamten vom Dezernat Interne Ermittlungen | |
überprüft“, teilt die Polizei mit. Gegen den 15-Jährigen sei ein | |
Strafverfahren wegen Widerstands eingeleitet worden. | |
## Die Gewerkschaft kann keine Polizeigewalt erkennen | |
Die Zeug*innen, die sich zu diesem Vorfall öffentlich geäußert haben, | |
beschreiben den Polizeieinsatz als übergriffig. „Er hat einen Schlag auf | |
den Kopf bekommen, nur weil er sich nicht ausweisen konnte“, berichtet ein | |
Passant. Das sei geschehen, bevor die Handykameras gezückt wurden. | |
Eines der Videos, die den Vorfall dokumentieren, wurde auf Facebook | |
innerhalb von 24 Stunden mehr als 12.000 Mal geteilt und von 10.000 | |
Personen kommentiert. Die Spannweite der sachlicheren Kommentare reicht von | |
„Wer sich der polizeilichen Anweisung widersetzt, muss damit rechnen, dass | |
er hart angegangen wird“ bis hin zu „Mit dieser Polizei kann ich mich nicht | |
mehr identifizieren. Man sieht genau, dass der Junge unter 18 ist und | |
einfach Panik hat.“ | |
Emotional reagierte auch die Hamburger Gewerkschaft der Polizei (GdP). | |
„Sogenannte Polizeigewalt vermögen wir hier nicht zu erkennen“, heißt es | |
[3][in einer Stellungnahme.] In der Debatte über den Vorfall sieht die | |
Gewerkschaft „Tendenzen, die zu einer Schwächung des Rechtsstaats führen | |
können.“ Auch gegen die Verbreitung der Videos spricht sich die GdP | |
vehement aus: „Kein Polizeibeamter muss es hinnehmen, dass sein Bildnis | |
ohne seine Einwilligung gegenüber einem Millionenpublikum verbreitet wird.“ | |
Während des Vorfalls hatte eine Beamtin vergeblich versucht, die | |
Filmaufnahmen zu verhindern. | |
Ganz anders sieht das der innenpolitische Sprecher der Linken in der | |
Bürgerschaft, Deniz Celik. Er spricht von „roher, unverhältnismäßiger | |
Gewalt“, die „Konsequenzen haben“ müsse. Solche Vorfälle bestärkten die | |
Linke in ihrer Forderung nach einer unabhängige Beschwerdestelle für Opfer | |
von Polizeigewalt. Eine solche Stelle fordert auch die Grünen-Abgeordnete | |
Jennifer Jasberg, die aber beklagt, die Debatte über solche Videos habe | |
„das Potenzial, die Gesellschaft in ihrer Haltung gegenüber dem Rechtsstaat | |
zu spalten“. Der SPD-Innenpolitiker Sören Schumacher hingegen verteidigt | |
die Polizei, für die es bei Widerstandshandlungen „möglich sein“ müsse, | |
„unmittelbaren Zwang anzuwenden“. | |
19 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://youtu.be/zMxdopWBBqc | |
[2] https://www.polizei.hamburg/aktuelles/14215526/information-polizei-hamburg/ | |
[3] https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_GdP-Hamburg-Polizeigewalt-gegen-einen-… | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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