# taz.de -- Politologe zu Ukraine-Wahlsieger Selenski: „Die wollen echte Ver�… | |
> Erst Komiker, bald Präsident der Ukraine: Wolodimir Selenski wird vieles | |
> ändern, sagt Politologe Wolodimir Fesenko. Doch er muss mit starkem | |
> Widerstand rechnen. | |
Bild: „Poroschenko hat den Wahlkampf vor der Stichwahl schlecht geführt“, … | |
taz: Herr Fesenko, Wolodimir Selenski ist [1][mit über 70 Prozent der | |
Stimmen] zum neuen Präsidenten der Ukraine gewählt worden. Hat Sie das, | |
auch in dieser Höhe, überrascht? | |
Wolodimir Fesenko: Ich hätte das lange Zeit nicht erwartet. Im Februar | |
jedoch war deutlich geworden, dass Selenski der Sympathieträger der | |
Bevölkerung ist. Man wollte in der Gesellschaft genau so einen Kandidaten | |
haben. [2][Zwei Tage vor der Stichwahl] wurde mir klar, [3][wie hoch | |
Selenski gewinnen wird], und so habe ich ein Ergebnis von 70 zu 30 Prozent | |
vorhergesagt. Poroschenko hat einfach den Wahlkampf in den drei Wochen vor | |
der Stichwahl schlecht geführt. Und vor diesem Hintergrund darf man sich | |
über das Ergebnis nicht wundern. | |
Was erwarten Sie vom neuen Präsidenten? | |
Noch ist es schwer, eine Prognose darüber abzugeben, was für ein Präsident | |
er sein wird. Möglicherweise wird er ein schwacher Präsident. Er hat keine | |
politische Erfahrung und ist nicht darauf vorbereitet, diese neue Arbeit in | |
ihrem ganzen Umfang aufzunehmen. Er ist ja immer noch dabei, seine | |
Mannschaft zusammenzustellen. Das sind alles Sollbruchstellen. Gleichzeitig | |
sind die Leute aus seinem Umfeld ehrliche Jungs. Die wollen wirklich echte | |
Veränderungen. Und die werden ganz anders handeln als die derzeitigen | |
Machthaber. Und selbst wenn sie keine großen Veränderungen umsetzen | |
sollten, werden sie so eine Art Katalysator von Veränderungen sein. | |
Poroschenko hat eine mächtige eigene Fraktion im Parlament. Darüber hinaus | |
gibt es auch zahlreiche fraktionslose Abgeordnete, die ihm loyal sind. | |
Selenski hat keine Fraktion im Parlament. Wie soll er mit dem Parlament | |
zusammenarbeiten? | |
Diese Situation erfordert viel Verhandlungsgeschick. Theoretisch kann er | |
zwar das Parlament auflösen. Aber das würde neue Probleme und Konflikte mit | |
sich bringen. Ich weiß, das wird diskutiert, aber ich habe dagegen | |
Bedenken. Das ist nicht gut von der Außenwirkung und auch praktisch kaum | |
umsetzbar. Das Gesetz erlaubt eine Auflösung des Parlaments nur bis sechs | |
Monate vor den Parlamentswahlen. Da diese für den 27. Oktober angesetzt | |
sind, darf eine Auflösung des Parlaments also nur bis zum 27. Mai verfügt | |
werden. | |
Aber irgendwie muss er doch jetzt schon mit dem Parlament konstruktiv | |
zusammenarbeiten. | |
Auch ohne Wahlen wird sich sehr zeitnah eine kleine Gruppe von Abgeordneten | |
finden, die dem neuen Präsidenten loyal gegenüber sind. Und das erleichtert | |
Verhandlungen. Trotzdem: Der neue Präsident muss mit Widerstand rechnen. | |
Und der wird vor allem von Poroschenko und Poroschenko-treuen Politikern | |
kommen. Klar ist: Der neue Präsident wird das Parlament nicht unter seiner | |
Kontrolle haben. Und das heißt, er wird es sehr schwer haben, im Parlament | |
seine Entscheidungen durchzubringen. Das betrifft insbesondere | |
Personalentscheidungen und Gesetzentwürfe. | |
23 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Praesidentschaftswahl-in-der-Ukraine/!5586254 | |
[2] /Kommentar-Stichwahl-in-der-Ukraine/!5590250 | |
[3] /Praesidentschaftswahl-in-der-Ukraine/!5586254 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Petro Poroschenko | |
Wolodymyr Selenskij | |
Wolodymyr Selenskij | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Wladimir Putin | |
Ukraine | |
Wolodymyr Selenskij | |
Wolodymyr Selenskij | |
Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Geht’s noch?: Nicht mehr komisch | |
Wolodimir Selenski, Präsident der Ukraine, meint, die schönen Ukrainerinnen | |
seien ein Markenzeichen seines Landes. Die finden das gar nicht witzig. | |
Krieg in der Ukraine: In Europas Grauzone | |
Im ostukrainischen Hnutove leben die Menschen unter ständigem | |
Schusswechsel. Der neue Präsident Selenski will den Konflikt beenden. | |
Kommentar Russlands aggressive Politik: Déjà-vu im Donbass | |
Der Kreml meint nach den Wahlen in der Ukraine wieder einmal, Fakten | |
schaffen zu müssen. Das ist armselig und brandgefährlich. | |
Kommentar Machtwechsel in der Ukraine: Putins Nadelstiche | |
Der neue Präsident der Ukraine ist noch nicht im Amt, schon wird er vom | |
russischen Staatschef vorgeführt. Der bietet Separatisten an, Russen zu | |
werden. | |
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Russland wartet ab und wundert sich | |
Der Kreml reagiert auf den Sieg von Wolodimir Selenski abwartend. Ein | |
russischer Blogger schreibt, es sei ungewohnt, eine Wahl zu haben. | |
Kommentar Stichwahl in der Ukraine: Der richtige Mann für den Frieden | |
Die Ukraine zeigt Risikofreude. Komiker Selenski mag wenig über praktische | |
Politik wissen, dennoch sollte sich die EU auf den neuen Präsidenten | |
einlassen. | |
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Jetzt ist alles möglich | |
Mit einem überragenden Wahlergebnis gewinnt der unerfahrene Komiker | |
Wolodimir Selenski. Und verbreitet Euphorie und Hoffnung auf Wandel. | |
Kommentar Stichwahl in der Ukraine: Leise Stimme plötzlich laut | |
Alles schien auf einen neuen Sieg Petro Poroschenkos hinzudeuten. Jetzt | |
zeigt sich: In der Ukraine besteht kein Bedarf an nationalistischer | |
Rhetorik. |