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# taz.de -- Politikerin über Nordirland-Protokoll: „Muss irgendwo eine Grenz…
> Die Politikerin Martina Anderson kämpfte einst in der IRA und saß später
> im EU-Parlament. Ein Jahr nach dem Brexit verteidigt sie die neue
> Zollgrenze.
Bild: Unionisten-Protest gegen das Nordirland-Protokolls in Belfast
taz: Frau Anderson, Nordirlands probritische Unionisten bekämpfen das
[1][an den Brexit-Vertrag angehängte Nordirland-Protokoll], durch das eine
Zollgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland gezogen wurde. Können Sie
als Politikerin der proirischen Sinn Feín den Ärger verstehen?
Martina Anderson: Für die meisten Nordiren sind Covid, Jobs und Bildung
weit wichtigere Themen. Der Brexit musste doch Folgen haben, es muss
irgendwo eine Grenze geben. Meine Aufgabe im EU-Parlament war es, darauf
hinzuwirken, dass es keine Landgrenze in Irland geben würde. Außerdem hat
es doch schon immer Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland
gegeben, vor allem bei Tieren und Tierprodukten, um sicherzustellen, dass
Krankheiten von der Republik Irland ferngehalten würden. Und für die
kleinen und mittleren Unternehmen, die auf den irischen und europäischen
Markt angewiesen sind, ist das Protokoll überlebenswichtig. Trotzdem
verstehe ich natürlich den Ärger der protestantisch-loyalistischen
Menschen. Aber deren politische Führung hat ihnen den Brexit mit Lügen und
Angstmache schmackhaft gemacht. Und dennoch hatten 56 Prozent der Nordiren
dafür gestimmt, in der EU zu bleiben.
Nordirland ja, aber das Vereinigte Königreich, zu dem Nordirland ja gehört,
hat mehrheitlich für den Brexit gestimmt. Muss man das in einer Demokratie
nicht akzeptieren?
Nein, das müssen wir nicht akzeptieren. Beim Brexit geht es um den
britischen Austritt aus der EU, Nordirland kam den Politikern in London
lange Zeit gar nicht in den Sinn. Der Brexit hat natürlich Einfluss auf
Nordirland und das [2][Belfaster Abkommen]. Das Zusatzprotokoll hat
Nordirland vor den schlimmsten Folgen des Brexit bewahrt, und es hat dafür
gesorgt, dass die [3][Teilung der Insel] nicht nur ein irisches Problem
ist, sondern auch ein europäisches. Die innerirische Grenze ist 500
Kilometer lang, es gibt 300 Übergänge. Selbst während des Konflikts waren
die nicht von der britischen Armee zu kontrollieren, und der EU wäre das
erst recht nicht gelungen, außer man hätte eine Mauer wie in Berlin gebaut.
Den Umfragen nach lehnt eine Mehrheit in Nordirland die irische Vereinigung
ab. Glauben Sie, dass Sie ein vereintes Irland erleben werden?
Eine neue Umfrage hat eine Mehrheit für die irische Vereinigung ergeben.
Bei allen Umfragen, die ich kenne, war eine Mehrheit für den Verbleib im
Vereinigten Königreich.
Okay, es gab eine Menge Umfragen, und die Mehrheiten sind fließend. Laut
dem Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 muss es ein Referendum geben,
wenn es den Anschein hat, dass eine Mehrheit für die Vereinigung ist. Die
Frage ist nicht ob, sondern wann ein solches Referendum stattfindet. Irland
hat übrigens für die deutsche Wiedervereinigung sehr viel getan, damals
hatte Irland die EU-Präsidentschaft inne. Helmut Kohl dankte Irland, er
sagte, man werde nie vergessen, was Irland für Deutschland getan habe. Es
ist nun an der Zeit, sich zu revanchieren. Deutschland könnte Irland bei
der Planung der Vereinigung helfen, damit wir besser vorbereitet sind, als
Deutschland es damals war.
Nach dem Brexit haben Sie Ihr Mandat im EU-Parlament verloren und sitzen
nun im nordirischen Regionalparlament. Ihre Partei hat Sie gedrängt, bei
den nordirischen Wahlen im kommenden Mai nicht mehr anzutreten. Liegt das
an den schlechten Wahlergebnissen für Sinn Féin in Derry, oder sind Sie mit
Ihrer IRA-Vergangenheit ein Hemmschuh für Sinn Féins Ambitionen, neue
Wählerschichten zu gewinnen?
Ich war gerade sieben Wochen im Amt, als der erste Coronalockdown kam.
Natürlich fällt der Verlust an Unterstützung für Sinn Féin auf die Führung
in Derry zurück, also auf mich. Aber [4][Mary Lou McDonald, die
Sinn-Féin-Präsidentin], hat von Anfang an deutlich gemacht, dass sie für
mich mit meiner Erfahrung als EU-Abgeordnete eine internationale Rolle
vorgesehen hat. Ich soll im Ausland um Unterstützung für ein vereintes
Irland werben.
30 Dec 2021
## LINKS
[1] /Umstrittenes-britisches-Brexit-Gesetz/!5713511
[2] /10-Jahre-Nordirland-Abkommen/!5184922
[3] /Feier-zum-100-Geburtstag-Nordirlands/!5806052
[4] /Wahl-in-Irland-und-Sinn-Fein/!5662661
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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