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# taz.de -- Podcastkritik zu „Hörscript“: Inhalte sind nicht alles
> Der Podcast des transcript Verlags will Wissenschaft Reichweite
> verschaffen. Die gute Idee scheitert aber an Soundqualität und steifer
> Moderation.
Bild: Wer nicht lesen will, muss hören
Da sitzt man als Verlag auf einem riesigen Berg an Wissen, aber kaum jemand
bekommt es mit. Viele der veröffentlichten Ideen und Erkenntnisse versanden
im Karussell der akademischen Wissensproduktion und werden darüber hinaus
kaum wahrgenommen. Das ist deprimierend.
Der Bielefelder transcript Verlag will dem Problem nun mit dem [1][Podcast
„Hörscript“] entgegenwirken. Der Slogan: „Wir geben Wissenschaft
Reichweite“. Seit 1997 veröffentlicht transcript geisteswissenschaftliche
Publikationen – neben Büchern auch Zeitschriften.
Die Idee, Inhalte verständlich aufzubereiten, ist gut. Das publizistische
Angebot von transcript ist vielfältig. Eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit dem Zusammenleben von Mensch und dem nach
Deutschland zurückkehrenden Wolf, ein Glossar zu „Fat Studies“, die sich
mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Übergewicht auseinandersetzen, oder
ein Essay über die Social-Media-Präsenz des Berliner Rappers Fler in einem
Sammelband über Gangster Rap können nebeneinander stattfinden.
Und dass die Arbeit von transcript durchaus auch über den
Wissenschaftsbetrieb hinaus wahrgenommen wird, zeigen Rezensionen der
Bücher in den Feuilletons. Oder der [2][Essay „Der neue Midcult“ von Moritz
Baßler] über den Zustand der Gegenwartsliteratur, 2021 veröffentlicht in
der verlagseigenen POP-Zeitschrift, der damals in allen wichtigen Zeitungen
kontrovers diskutiert wurde. Er wird noch heute herangezogen, wenn es um
eine Einordnung von Rupi Kaurs viel gelesenen Instagram-Gedichten geht.
Doch das sind Ausnahmen.
## Thema ist relevant, aber die Titel unsexy
Der Buchtitel „Vom Arbeiterkind zur Professur – Sozialer Aufstieg in der
Wissenschaft. Autobiographische Notizen und soziobiographische Analysen“
klingt weniger sexy, auch wenn das Thema relevant ist. Mit den Inhalten des
Buchs beschäftigt sich die zweite von aktuell zwei Folgen des
„Hörscript“-Podcasts. Und in der Theorie ist das Konzept gut. Zwei
Moderatorinnen sprechen über den Inhalt des Buches, streuen persönliche
Erfahrungen zum Studium als Arbeiterkind ein und interviewen dazu Markus
Gamper, einen der Herausgeber der Anthologie.
In der Praxis scheitert der Podcast aber an seiner Umsetzung. Die
Soundqualität ist unterirdisch, im Hintergrund rauscht und knirscht es
permanent. Und die Moderation leitet kein angeregtes Gespräch, sondern
wirkt stocksteif, so als würden die Sprechenden das Gesagte von einem Blatt
ablesen. Das macht das Zuhören zu einer größeren Herausforderung als die
Lektüre des Buches, was schade ist.
Denn Gamper macht viel interessante Punkte zu „universitätsfernen Milieus“
und „First Generation Students“. Er spricht zum Beispiel davon, dass diese
Gruppe von Menschen oft eher Studiengänge wählt, die praxisnah und
möglichst kurz sind, und ordnet die Information ein. Oder über das eigene
Scheitern daran, einerseits im universitären Betrieb voranzukommen und
andererseits seiner Mutter verständlich zu machen, was er da genau
arbeitet. „Man beschämt den anderen mit dem Wissen, das man hat“, sagt er.
Die Mischung aus der Vermittlung der Buchinhalte und der eigenen Biografie
könnte also durchaus eine Debatte über Klassismus im Wissenschaftsbetrieb
vorantreiben, wären sie gut aufbereitet worden. Es scheint so, als hätten
die Macher*innen von „Hörscript“ ignoriert, dass zum Format Podcast mehr
gehört als gute Inhalte. Das wirkt arrogant gegenüber den Zuhörenden und
den Inhalten selbst. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Qualität des
Podcasts entwickelt. Die Themen hätten es verdient.
6 Mar 2023
## LINKS
[1] https://blog.transcript-verlag.de/hoerscript-folge-2/
[2] https://pop-zeitschrift.de/2021/06/28/der-neue-midcultautorvon-moritz-bassl…
## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
Podcast
Wissenschaft
Kulturwissenschaft
Podcast-Guide
Lebenshilfe
Kabarett
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