# taz.de -- Parteivorsitz-Wahl beim CDU-Parteitag: Die Reden vor der Wahl | |
> Im Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin haben | |
> sich Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer ein letztes Rededuell geliefert. | |
Bild: Wer wird sich durchsetzen? Merz, Kramp-Karrenbauer und Spahn | |
HAMBURG taz | Um zehn vor zwei tritt Annegret Kramp-Karrenbauer ans | |
Mikrofon. Die KandidatInnen stellen sich in alphabetischer Reihenfolge vor, | |
AKK, wie sie in der Partei genannt wird, beginnt. Sie weiß, sie muss der | |
Partei den Glauben an die eigene Zukunft zurückgeben. Und das tut sie. AKK | |
spricht von Europa und dem Schengenraum, von Busverbindungen im ländlichen | |
Raum, vom starken Staat und den Schulen, von Digitalisierung und | |
Bürokratieabbau. | |
Vor allem aber spricht sie von Mut. Vom Mut, den die Partei braucht, vom | |
Mut, den die Partei hat. Und der dafür sorgen wird, dass die CDU den Weg in | |
die Zukunft schaffen wird. Zurück, das macht AKK ganz klar, will sie nicht. | |
“Das muss die Partei von heute sein, das muss die Partei von morgen sein, | |
dafür trete ich ein“, ruft sie in den Saal. | |
AKK bedankt sich bei Merkel, die die CDU zu dem gemacht habe, was sie heute | |
ist. „Das letzte Einhorn in Europa“, nennt sie das und meint die „letzte | |
starke Volkspartei“ damit. Aber Kramp-Karrenbauer setzt sich auch deutlich | |
von Merkel ab: Ein „Mini“, eine „Kopie“, das sei sie nicht. Auch ein | |
„einfach weiter so“ werde es mit ihr nicht geben. | |
Und dann fährt sie die Erfahrungen auf, von denen sie im Vergleich zu ihren | |
beiden Kontrahenten deutlich mehr vorzuweisen hat: als Mutter, als Innen- | |
und Bildungsministerin, als Ministerpräsidentin. Sie spricht von ihrer | |
Zuhörtour, mit der sie als Generalsekretärin durch die Basis gezogen ist | |
und von ihrem Führungsstil, bei dem sie mehr „auf Stärke, als auf | |
Lautstärke“ setze. | |
AKK, die sich sonst gerne mal sperrig ausdrückt, nimmt die Delegierten mit. | |
Der Applaus ist groß. Am Ende sagt sie: „Ich sage: Wir können das. Wir | |
wollen das. Wir werden das.“ Ganz ähnlich hatte sie es bei ihrer Bewerbung | |
als Generalsekretärin formuliert. Ob es diesmal auch reichen wird? | |
Zwanzig Minuten nach Kramp-Karrenbauer tritt Friedrich Merz ans Mikrofon. | |
Er lässt es langsam angehen. Dankt Angela Merkel und sagt: „Wir richten den | |
Blick in die Zukunft.“ Von diesem Parteitag müsse ein Signal des Aufbruchs | |
und der Erneuerung der CDU ausgehen. Ganz Europa blicke an diesem 7. | |
Dezember auf die CDU, die große Volkspartei. Man habe eine Verantwortung, | |
„die über uns selbst hinausweist“. | |
Dann aber geht er zurück ins Jahr 1994, als die CDU ihren Parteitag | |
ebenfalls in Hamburg abhielt. Damals habe man noch nicht ahnen können, was | |
an Konflikten auf das Land warte; die Zeit der globalen Konflikte schien | |
vorbei. „Wir müssen uns klar sein, dass von diesen Gewissheiten kaum noch | |
etwas geblieben ist. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs.“ | |
Deutschland habe viel erreicht, gleichwohl sackten die Volksparteien Union | |
und SPD ab. „Damit das klar ist: Ich bestreite niemandem den guten Willen, | |
die an die AfD verloren gegangenen Wählerinnen und Wähler zurückzuholen. | |
Aber es gelingt uns nicht.“ Die rechte Partei sei keine vorübergehende | |
Erscheinung. „Dieser Zustand ist für mich unerträglich.“ Dann holt er geg… | |
die Führung unter Merkel und AKK aus: „Wir brauchen einen Strategiewechsel | |
im Umgang mit Themen, mit den Mitbewerbern und vor allem in der | |
Kommunikation mit den Menschen.“ | |
Zwar habe die Generalsekretärin während ihrer Zuhörtour mit der | |
Mitgliedschaft gesprochen, aber was folge daraus für die Bürgerinnen und | |
Bürger? „Unsere Umweltpolitik ist voller Widersprüche“, wird er deutlich. | |
Diesel, Sicherheit, Staatsvertrauen, Gewalt – „die Bürger erwarten, dass | |
der Staat die Kontrolle über seine Grenzen und auch über die Menschen, die | |
zu uns kommen, behält.“ | |
Er meine deshalb, die CDU brauche „eine Agenda für die Fleißigen“. Da hü… | |
das CDU-Herz. Fleiß, Arbeit, Planbarkeit; es sind große Versprechen, die | |
Friedrich Merz macht. Die Bürger hätten nur eine Bitte: „Lasst uns in Ruhe | |
arbeiten.“ Der Applaus für Merz ist kämpferisch. „Ohne klare Positionen | |
bekommen wir keine besseren Wahlergebnisse.“ | |
Merz holt das gute CDU-Silber raus: Verantwortung des Einzelnen, Zutrauen, | |
Sozialpartnerschaft, Privatwirtschaftlichkeit, unternehmerische | |
Verantwortlichkeit, staatliches Gewaltmonopol. Der Nationalstaat als | |
Heimat, er ist Merz' Narrativ. „Es gibt Grenzen auch unserer | |
Möglichkeiten.“ Er spricht Angela Merkel direkt an und erinnert an den | |
Ukraine-Konflikt. Die Amerikaner bräuchten hin und wieder eine klare | |
Ansage, „die akzeptieren Stärke und nicht Schwäche“. Johlen im Saal. | |
Die CDU müsse Wertkonservativen wieder ein Zuhause geben. Die AfD sei für | |
die Union keine Chance, asymmetrische Mobilisierung durch Nichtbeachtung | |
des politischen Gegners sei aus der Zeit gefallen. Im Osten, wo die rechten | |
Kräfte immer stärker werden, bräuchten die Konservativen wieder eine | |
Heimat. Die Menschen in den ostdeutschen Bundesländern hätten einen | |
Anspruch auf Respekt. Für die dortigen Landtagswahlkämpfe im kommenden Jahr | |
werde die gesamte CDU einstehen, „wir überlassen den Osten nicht den | |
Populisten von links und rechts“. Aus den angesprochenen Landesverbänden | |
ertönt Jubel. | |
Schließlich kommt Merz auf die Mitglieder zu sprechen. Die CDU brauche mehr | |
Frauen, jüngere Parteimitglieder und den Ausgleich zwischen den | |
Generationen. Er geht auf seine Kritiker ein. Spaltung? Auseinanderdriften? | |
„Dazu ein ganz klares Wort: Natürlich geht das gut.“ Erst das Land, dann | |
die Partei, bezieht er sich auf ein Diktum von Angela Merkel. AKK und Jens | |
Spahn sichert er Platz im engsten Führungszirkel eines Vorsitzenden | |
Friedrich Merz zu. | |
## Spahn ist chancenlos, aber er kämpft | |
Applaus brandet auf. Aber Merz erntet nicht mehr Beifall als | |
Kramp-Karrenbauer. Sie hatte sich an die Vorgabe von 20 Minuten Redezeit | |
gehalten, Merz hat überzogen. | |
Dann kommt Jens Spahn. | |
„Eine gute Zukunft braucht Ambitionen und ja, manchmal auch Ungeduld.“ Jens | |
Spahn spricht gleich zu Beginn sein für CDU-Verhältnisse jugendliches Alter | |
an. Es gebe in diesem Saal tausenunddeine Geschichte mit der CDU, im Kern | |
aber laute sie bei allen: „Es ist uns nicht egal, wie sich das Land | |
entwickelt.“ | |
Die Partei könne nicht noch ein paar Jahre zuwarten. Es müsse einen | |
Unterschied machen, wer morgens aufsteht und zur Arbeit gehe oder liegen | |
bleibe, wiederholt er Sentenzen aus der zurückliegenden Mitgliedertour. | |
Spahn setzt sich für einen „entspannten Patriotismus“ ein. Die Freiheit sei | |
„unter Druck von linken Moralisten und rechten Radikalen und religiösen | |
Fundamentalisten“, steckt er das Gebiet von Friedrich Merz ab. | |
Spahn ist chancenlos, aber er kämpft. „Es fühlt sich richtig an, hier zu | |
stehen. Ich laufe nicht weg, wenn es eng wird“, ruft er. Die CDU brauche | |
Mut, Unterschiede auch mal auszuhalten. „Alles muss auf den Tisch“, sagt | |
Spahn; aber was er damit meint, bleibt schwammig. Zu jeder Debatte gehöre | |
eine Entscheidung, dieser hier stelle er sich. In der Partei habe man in | |
den letzten Wochen eine Bewegung spüren können. „An Tagen wie diesen“ sp�… | |
man den Geist der CDU. | |
„Ich bin, wie ich bin“, sagt er zum Schluss. Als Vorsitzender wolle er jede | |
Sekunde für das Land und die Partei kämpfen, auch wenn es schwierig wird. | |
„Sie können sich auf mich verlassen. Ich werde sagen, was ich denke und | |
mich trotzdem nie einem besseren Argument verschließen.“ Der erste Schritt | |
zum Neustart sei gemacht, für den nächsten bittet er die Delegierten um ihr | |
Vertrauen. Viel freundlicher Applaus schwirrt durch die Messe. Die | |
Botschaft: Jens, versuch's beim nächsten Mal wieder. | |
7 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Sabine am Orde | |
## TAGS | |
CDU-Parteitag | |
CDU | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Friedrich Merz | |
Jens Spahn | |
Annegret Kramp-Karrenbauer | |
Friedrich Merz | |
CDU | |
CDU-Parteivorsitzende | |
Annegret Kramp-Karrenbauer | |
CDU | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Jens Spahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Friedrich Merz' Strategie: Agenda der Verlierer | |
Erst wird Friedrich Merz nicht Parteivorsitzender, jetzt will er ein | |
Ministeramt. Als stünde ihm das zu, als Wiedergutmachung. Das ist anmaßend. | |
Parteitag in Hamburg: CDUnd nun? | |
Annegret Kramp-Karrenbauer ist die neue Parteichefin. Paul Ziemiak neuer | |
Generalsekretär. Fragen und Antworten zur CDU nach der Wahl. | |
Kommentar neue CDU-Chefin: Merkels letzter Sieg | |
Die CDU will keine Neunzigerjahre in Aspik. Das hat sie mit der Wahl von | |
Annegret Kramp-Karrenbauer bewiesen. Doch durch die Partei geht ein Riss. | |
Neue Parteivorsitzende der CDU gewählt: Kramp-Karrenbauer folgt auf Merkel | |
Nach 18 Jahren hat die CDU eine neue Parteivorsitzende. Annegret | |
Kramp-Karrenbauer gewinnt das Rennen und folgt auf Angela Merkel. | |
Merkels Rede auf dem Parteitag: Die perfekte Welle | |
Angela Merkel hält ihre letzte Rede nach 18 Jahren als CDU-Parteichefin. | |
Dabei wird es im Saal plötzlich viel wärmer. | |
Kommentar CDU-Vorsitz: Der Bus ist abgefahren | |
Ein CDU-Vorsitzender Merz würde abtrünnige Wähler nicht von der AfD | |
zurückholen. Dafür ist er zu sehr Elite – und eben doch zu wenig rechts. | |
Der ultimative KandidatInnencheck: CDU sucht den Superstar | |
AKK, Merz und Spahn im taz-Test: Wer ist am stylishsten? Wer kann | |
Konservatismus? Wer wagt mehr Populismus? |