# taz.de -- Parlamentswahlen in Südkorea: Klare Abmahnung an den Präsidenten | |
> Ein Erdrutschsieg der Opposition in Südkorea schwächt die Position von | |
> Präsident Yoon Suk Yeol. Ob er die Legislatur übersteht, ist fraglich. | |
Bild: Oppositionsanhänger*innen in Seoul bejubeln den Wahlsieg | |
SEOUL taz | Als die südkoreanischen Wahllokale um 18 Uhr Ortszeit | |
schlossen, deutete sich der Erdrutschsieg der Oppositionspartei bereits an. | |
Die ersten Auszählungen vom Mittwochabend prognostizierten eine knappe | |
Zweidrittelmehrheit des linksliberalen Lagers: Nahezu 200 der 300 | |
Nationalratssitze würden demnach an die Minjoo-Partei gehen. Es wäre ihr | |
größter Sieg seit mehreren Dekaden. | |
Die [1][Parlamentswahl] bedeutet zweifelsohne einen herben Verlust für den | |
konservativen Präsidenten [2][Yoon Suk Yeol], der noch während des | |
Wahlkampfs auf eine Mehrheit seiner Partei gehofft hatte. Die Resultate | |
haben weitreichende Folgen, da der 63-Jährige offiziell noch drei weitere | |
Jahre im Amt bleiben wird. | |
Schon zuvor war es für Yoon schwierig, seine wirtschaftsfreundliche Politik | |
in Gesetze zu gießen, doch nun muss er sich auf noch deutlich stärkeren | |
Widerstand im Nationalrat einstellen. Wenn die Opposition auf über 200 | |
Sitze kommt, kann sie den Präsidenten nicht nur bei Gesetzesvorhaben | |
umgehen, sondern rein rechnerisch ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn | |
einleiten. Dass Yoon also zur „lahmen Ente“ wird, daran führt kein Weg | |
vorbei. Doch ebenso möglich wäre, dass er seine Legislaturperiode politisch | |
nicht überdauern wird. | |
In jedem Fall wird sich auch die Außenpolitik des ostasiatischen | |
Tigerstaats ändern. Yoon hatte in seinen ersten zwei Jahren einen harten | |
Kurs gegenüber [3][Nordkorea] gefahren, während er mit Japan eine | |
umstrittene Annäherung anvisiert hatte. Letztere wurde insbesondere von der | |
Linken abgelehnt: Denn auch wenn die zwei Nachbarstaaten demokratische | |
Werte teilen und sich kulturell wertschätzen, wiegen die historischen | |
Wunden schwer. Japan hatte die koreanische Halbinsel während der ersten | |
Hälfte des 20. Jahrhunderts kolonialisiert und sich in den Augen vieler | |
Südkoreaner nie glaubwürdig von den Gräueltaten distanziert. | |
## Schillernder Tag für Südkoreas Demokratie | |
Die [4][Polarisierung des Landes] verläuft aber vor allem entlang | |
innenpolitischer Themen. Es gibt starke Kluften zwischen den Geschlechtern, | |
zwischen jung und alt, rechts und links. Bei der Wahl ging es vielen | |
Südkoreanern weniger um eine Stimme für die Opposition, sondern vor allem | |
gegen den Präsidenten. Denn dieser hatte sich im Zuge mehrerer Skandale | |
zunehmend unbeliebt gemacht. Auch in den Medien avancierte Yoon zuletzt zur | |
Persona non grata, denn mehrfach ließ er Razzien in Redaktionen durchführen | |
und Geldstrafen gegen kritische Reporter verhängen. | |
Doch ganz gleich, wie das Resultat auch gedeutet wird; für die Demokratie | |
stellt der Mittwoch einen schillernden Tag dar. Über zwei Drittel der 44 | |
Millionen Stimmberechtigten haben schließlich den Urnengang angetreten. Es | |
ist Südkoreas höchste Beteiligung an einer Parlamentswahl seit 32 Jahren. | |
Erst Ende der 1980er Jahre avancierte die damalige Militärdiktatur zur | |
Demokratie – auch dank des Bluts vieler Studierender und Aktivisten, die | |
sich das freie Wahlrecht auf der Straße erkämpften. Mittlerweile gilt | |
Südkorea als vielleicht vorbildlichste Demokratie Asiens, zumindest jedoch | |
als lebhafteste. | |
Während der letzten Wochen konnte man dies im Stadtbild der Hauptstadt | |
Seoul mit bloßen Augen sehen: Überall warben Politiker im öffentlichen Raum | |
um Stimmen – mit Megafon auf Pick-up-Lastern, in Fußgängerzonen und vor | |
U-Bahn-Eingängen. Das Recht der politischen Mitbestimmung ist nach wie vor | |
für die meisten Südkoreanerinnen und Südkoreaner ein hohes Gut, das es | |
wertzuschätzen gilt. | |
10 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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