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# taz.de -- Machtkampf in Südkorea: Oppositionsführer im Hungerstreik
> Der geschwächte Oppositionsführer lässt sich nicht vom Hungerstreik
> abbringen. Nun ist er im Krankenhaus. Justiz will ihn anklagen.
Bild: Lee Jae-myung bei einer Demo gegen die Einleitung des Fukushima-Kühlwass…
Berlin taz | Der wichtigste südkoreanische Oppositionsführer Lee Jae-myung
ist am Montagmorgen, am 19. Tag seines Hungerstreiks, gegen 7 Uhr Ortszeit
in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Der Diabetiker leidet nach Angaben
von Parteifreunden unter Schwindelanfällen und sehr niedrigem Blutzucker.
Der linksliberale Politiker sei zwar bei Bewusstsein und nicht mehr in
Lebensgefahr, aber am Rande des Deliriums.
Der 58-Jährige ist Parlamentsabgeordneter und Vorsitzender der
Demokratischen Partei (DPK) und unterlag bei der [1][Präsidentschaftswahl
im März 2022] nur knapp dem heutigen Präsidenten Yoon Suk-yeol. Lee begann
seinen unbefristeten Hungerstreik am 31. August in einem Zelt vor dem
Parlament und verlegte diesen zwei Wochen später in sein Abgeordnetenbüro.
Der Grund der Aktion: Lee fordert eine öffentliche Entschuldigung des
erzkonservativen Yoon für dessen „Missachtung der Demokratie“, dass
Südkoreas Regierung beim Nachbarn Japan gegen dessen Einleitung von
schwach-radioaktivem Wasser aus dem Katastrophenreaktor Fukushima in den
Pazifik protestiert, sowie einen Rücktritt des gesamten südkoreanischen
Kabinetts nach dessen mittlerweile erstem Amtsjahr.
Bisher hat sich Lee auch Aufforderungen zahlreicher Parteifreunde
verweigert, den Hungerstreik zu beenden. Etliche DPK-Abgeordnete waren an
seinem Lager mit entsprechenden Schildern aufgetaucht. Einige von ihnen
kritisierten seine Aktion in den Medien, nicht nur hinter vorgehaltener
Hand. Ein Artikel der englischsprachigen [2][Korea Times] merkte an, dass
die Forderungen Lee keinen Ausweg ließen, bei dem er sein Gesicht bewahren
würde.
## Vurwurf der Korruption und Pflichtverletzung
Nur wenige Stunden nach seiner Verlegung in das Krankenhaus, wo Lee
weiterhin die Nahrung verweigert, beantragte die Staatsanwaltschaft in
Seoul Haftbefehl gegen ihn. Die Vorwürfe: Korruption und Pflichtverletzung.
Seit seiner Wahlniederlage 2922 werden Lee Vorgänge aus seiner Zeit als
Bürgermeister der Stadt Seongnam südlich der Hauptstadt und als Gouverneur
der Provinz Gyeonggi-do vorgeworfen.
So soll er zwischen 2014 und 2017 einem Immobilienunternehmen erlaubt
haben, statt Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu bauen. Als Gouverneur der
an Nordkorea grenzenden Provinz soll er von 2019 bis 2020 über einen
Unterwäschefabrikanten acht Millionen Dollar nach Nordkorea transferiert
haben, um dort einem Kooperationsprojekt zum Durchbruch zu verhelfen.
Lee weist die Vorwürfe zurück. Er wirft der Regierung von Yoon, einem
früheren Generalstaatsanwalt, eine „Diktatur von Staatsanwälten“ vor.
## Abgeordnete wollen Lees Immunität nicht aufheben
Doch die Anklagen gegen Lee werden nur wirksam, wenn die
Nationalversammlung seine Immunität als Abgeordneter aufhebt. Die DPK hat
dort aber eine klare Mehrheit und hatte sich bereits im Februar geweigert,
Anklagen gegen Lee zuzulassen.
Präsident Yoon, dessen [3][Beliebtheit wegen einer missglückten
Kabinettsumbildung gerade in Umfragen weiter gesunken] ist, hat Lees
Hungerstreik bisher nicht kommentiert. Vielmehr flog er am Montag zur
UN-Vollversammlung ins US-amerikanische New York ab. Dort dürfte er die
jüngste Annäherung zwischen Nordkorea und Russland geißeln.
Hungerstreiks Oppositioneller sind in Südkoreas Politik, die reich an
ritualisierter Theatralik ist, nicht selten – und ebenso Versuche der
Regierenden, sich an politischen Gegnern mittels der Justiz zu rächen.
Das Besondere an Lees Hungerstreik ist, dass seine DPK als größte Fraktion
eigentlich über viele Machtmittel verfügt und ein Hungerstreik deshalb
nicht nötig sein sollte. Lees derzeitiger Zustand schützt ihn allerdings
auch vor weiteren Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft.
18 Sep 2023
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Suedkorea/!5840624
[2] https://www.koreatimes.co.kr/www/nation/2023/09/113_359322.html
[3] https://www.koreatimes.co.kr/www/nation/2023/09/113_359418.html?utm_source=…
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Südkorea
Seoul
Opposition
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Spielfilmdebüt
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