# taz.de -- Parlamentswahl in der Slowakei: Überraschungssieger Matovič | |
> Das slowakische Wahlergebnis ist ein deutliches Votum gegen die in Verruf | |
> geratene Sozialdemokratie. Der Mord an dem Journalisten Kuciak zeigt | |
> Folgen. | |
Bild: Nächtliche Siegesfeier für den slowakischen Wahlsieger Igor Matovic | |
Noch am Abend brachte der slowakische Ex-Präsident Andrej Kiska das | |
Ergebnis der Nationalratswahlen auf den Punkt: „Die Herrschaft des Bösen | |
ist beendet“. Die Stimmverteilung, so Kiska, erlaube nun den demokratischen | |
Parteien, die nächste Regierung zu bilden. Ob er mit seiner frisch | |
gegründeten Partei „Für die Menschen“, die immerhin 5,8 Prozent erhielt, … | |
eine Koalition der Guten einsteigen würde liess er offen. „Das muss Igor | |
entscheiden“. | |
Igor. Gemeint ist Igor Matovič, der Wahlsieger. Niemand hätte dem | |
Unternehmer die 25,02 Prozent an Stimmen zugetraut, mit denen er und seine | |
Anti-Korruptionsplattform OLaNo (Einfache Menschen und unabhängige | |
Persönlichkeiten) bei diesen als schicksalhaft geltenden Wahlen abräumen | |
würden. Zwei Umfragen vor der Wahl sahen Matovič und seine Truppe zuletzt | |
bei 19 Prozent. | |
Das tatsächliche Votum für Matovič ist aber noch deutlicher: Ihm gelang es, | |
die einst übermächtige sozialdemokratische Smer auf den zweiten Platz zu | |
verbannen. Smer büßte zehn Prozentpunkte ein und erhielt nur noch 18,3 | |
Prozent der Stimmen. Ihr Platz werden die Oppositionsbänke sein, wie der | |
scheidende Ministerpräsident Peter Pellegrini nach Bekanntwerden des | |
Wahlergebnisses meinte. | |
An Igor Matovič kommt ohnehin niemand mehr vorbei. “Es wäre eine Schande, | |
wenn wir bei diesem enormen Vertrauen vom Schlachtfeld flüchten würden“, | |
erklärte Matovič in seiner Dankesrede. Und: “Ich verspreche, dass wir | |
zusammen mit den Partnern der demokratischen Opposition versuchen werden, | |
die beste Regierung zu bilden, die wir je hatten“. | |
## Zersplitterte Parteienlandschaft | |
Die demokratische Opposition, das sind Andrej Kiska und seine “Für die | |
Menschen“ (5,8 Prozent) und auch die “Progressive Slowakei“, einst | |
politische Heimat von [1][Präsidentin Zuzana Čaputová] (7 Prozent). | |
Ebenfalls als Koalitionspartner in Frage kommt die neoliberale “Freiheit | |
und Solidarität“, die 6,2 Prozent an Stimmen erhielt. | |
Für eine starke Mehrheit im 150-köpfigen Nationalrat dürfte das angesichts | |
der 53 Sitze, die OLaNo errang, aber nicht reichen. Die wird Matovič aber | |
brauchen, um sein Wahlversprechen wahr zu machen, den Augias-Stall der | |
slowakischen Justiz auszumisten. Wider Erwarten schaffte es zudem die | |
„Progressive Slowakei“, politische Heimat von Präsidentin Zuzana Caputová | |
nicht in den Nationalrat. | |
Matovič wird sich daher auch mit dem [2][Oligarchen Boris Kollar] | |
auseinandersetzen müssen, der, wiedergeboren als Populist, mit seiner | |
Partei “Wir sind Familie“ mit 8,2 Prozent das drittbeste Wahlergebnis | |
errang. Alternativ wäre da noch die “Volkspartei Unsere Slowakei“. Die oft | |
paramilitärisch anmutende Truppe um Marián Kotleba sieht sich als Erben der | |
klerikalfaschistisch-korporativistischen Tradition des Józef Tiso, was | |
ihnen immerhin einen achtprozentigen Stimmanteil gebracht hat. | |
## Kuciak-Mord als Wendepunkt | |
Um effektiv regieren zu können, wird Matovič – auch das ein Ergebnis der | |
Wahlen – eine breite Koalition bilden müssen. Was die Parteien der | |
“demokratischen Opposition“ eint, ist ein konservatives Weltbild. Was sie | |
antreibt, ist der Wille, die mafiösen Verstrickungen im Land zu | |
zerschlagen, die durch [3][den Auftragsmord an dem Journalisten Ján Kuciak | |
und seiner Lebensgefährtin Martina Kušírová] brutal offen gelegt wurden. | |
Die Tat führte zu Massenprotesten, die Langzeitministerpräsidenten Róbert | |
Fico zum Rücktritt zwangen und das Ende der zwölfjährigen Übermacht seiner | |
Partei Smer-Sozialdemokratie einläutete. Wahlsieger Igor Matovič ist sich | |
der Bedeutung des Kuciak-Mords als Wendepunkt wohl bewusst: „Der Tod von | |
Jan und Martina war der entscheidende Moment, in dem sich alles änderte. Da | |
wurden wir uns bewusst, wer in Wirklichkeit über uns herrscht“, betonte er | |
in seiner Dankesrede. | |
1 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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