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# taz.de -- Mord an Journalist Ján Kuciak: Schmerzhaftes Urteil
> Im Prozess um den Mord am Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten
> gab es einen Freispruch. Angehörige hoffen dennoch auf Gerechtigkeit.
Bild: Der Angeklagte Marián Kočner am Mittwoch vor einem Gericht im slowakisc…
Prag taz | Das Urteil fiel in der 20. Minute: „Das Gericht befindet die
Angeklagten im Mordfall des Journalisten Ján Kuciak und Martina Kušnírová
für nicht schuldig.“ Noch bevor die vorsitzende Richterin Ružena Sabová den
Freispruch der beiden Hauptangeklagten, Marián Kočner und Alena Zsuzsová zu
begründen anhob, verließen die Eltern der beiden Mordopfer den Saal. „Ich
bin entsetzt“, kommentierte Ján Kuciaks Vater Józef den Freispruch. „Blei…
nur zu hoffen, dass die Gerechtigkeit eines Tages siegen wird.“
Das Spezialgericht im kleinen Ort Pezinok, gelegen im Speckgürtel der
Hautstadt Bratislava, das das Verfahren um den [1][Doppelmord an Kuciak und
seiner Verlobten] seit Jahrebeginn führte, urteilte im Sinne des
Rechtsstaats, so Richterin Sabová: „Wenn trotz aller Beweise begründete und
verständliche Zweifel bestehen bleiben, dann wird ein Angeklagter für
unschuldig befunden und so ist das Gericht hier vorgegangen.“
Zwar hatte sie selbst die Schuld Kočners und Zsuzsovás als erwiesen
angesehen, war aber von zwei weiteren Mitgliedern des Gerichts überstimmt
worden. Das, so Beobachter, sei bei einem Mordprozess dieses Kalibers nicht
unüblich. In diesem Fall war sich das Gericht allerdings langfristig uneins
über Schuld oder Unschuld der beiden Hauptangeklagten.
Die Beweislage der Anklage hatte sich vor allem auf Nachrichten gestützt,
die Kočner, der angeklagt war, Auftraggeber des Mordes zu sein, über den
Nachrichtendienst Threema verschickt hatte. Aus denen ging zwar so einiges
hervor, das die mafiösen Verstrickungen in der Slowakei wie auch einen
leichten Größenwahn Kočners offenlegten. Einen klaren Beweis, dass Kočner
den Mord tatsächlich in Auftrag gegeben hatte, lieferten sie aber nicht.
„Die Frage, ob man dem Angeklagten diese Kommunikation in Chiffren und
Phrasen zur Last legen kann, bleibt offen“, sagte Sabová in der
Urteilsbegründung.
## Kočner war besessen davon, Journalisten zu bespitzeln
Schon vor Beginn der Verhandlungen hatten Beobachter, die mit den
Ermittlungen vertraut waren, befürchtet, Kočner könnte wegen mangelnder
Beweise davonkommen. Die einzige Hoffnung, Kočner als Auftraggeber zu
überführen, lag im Kronzeugen des Prozesses, Peter Tóth. Der ehemalige
Nachrichtendienstler hatte Probleme, nach seiner Karriere beim slowakischen
Geheimdienst SIS beruflich Fuß zu fassen und hatte bei Kočner, einem alten
Bekannten, angeheuert.
Kočner, so belegten es die Threema-Nachrichten, war besessen davon,
Journalisten hinterherzuspionieren. „Papparazien“ nannte er die
Bespitzelungen. In Peter Tóth hatte er einen willigen Helfer gefunden.
Dieser beobachtete Kuciak nicht nur, sondern gab dessen Adresse auch an
Kočner weiter. Aber auch Tóth konnte nicht bezeugen, dass Kočner den Mord
an Kuciak angewiesen hatte.
Kočner selbst hatte sich immer wieder damit verteidigt, gar kein Motiv für
den Mord an Kuciak gehabt zu haben. Der hatte die Machenschaften Kočners,
wie Steuerhinterzug, Korruption, Dokumentenfälschung, in Dutzenden von
Artikeln für das Onlinemedium aktuality.sk aufgedeckt. Halb so schlimm
seien die gewesen, wehrte Kočner vor Gericht immer wieder lässig ab. Zudem
habe er unter Journalisten schlimmere Widersacher gehabt als Kuciak.
## 70.000 Euro Entschädigung
Dass das Urteil nicht im Sinne der Anklage, die 25 Jahre für Kočner und
Zsuzsová gefordert hatte, ausfallen könnte, hing seit dem 5. August in der
Luft, als das Gericht die Urteilsverkündung kurzfristig um einen Monat
verschob. Aber auch nachträglich eingereichte Beweise der Anklage, weitere
65 Seiten Threema-Kommunikation, waren nicht ausreichend, um die
Angeklagten einstimmig zu verurteilen. Zu einem freien Mann macht der
Freispruch Marián Kočner aber nicht. Wegen der Fälschung von Schuldscheinen
und Wechselbetrug wurde er bereits 2019 zu einer Freiheitsstrafe von 19
Jahren verurteilt.
Den Familien von Ján Kuciak und Martina Kušnírová hat das Gericht eine
finanzielle Entschädigung zugesprochen. 70.000 Euro, das entspricht genau
der Summe die den Mördern für das Leben von Ján Kuciak bezahlt wurde.
Das Urteil wurde in der Slowakei wie auch international mit Entsetzen
aufgenommen. Gleich nach der Verkündung hat die Anklage Berufung beim
Höchsten Gericht angekündigt. „Wir alle in der Redaktion, aber auch in der
gesamten Gesellschaft hoffen noch immer, dass alle Täter, die sich am Mord
an Ján und Martina beteiligt haben, gerecht bestraft werden“, erklärte der
Axel Springer Verlag, für den Kuciak gearbeitet hatte. [2][Präsidentin
Zuzana Čaputová] reagierte geschockt. Sie müsse das Urteil erst verstehen:
„Ich respektiere es, aber erwarte, dass die Suche nach Gerechtigkeit nicht
endet und beim Höchsten Gericht weitergehen wird.“
3 Sep 2020
## LINKS
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[2] /Praesidentschaftswahl-in-der-Slowakei/!5584346
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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