# taz.de -- Parlamentsvorsitz in Venezuela: Guaidó gewählt – aber nicht nur… | |
> In einer Doppelabstimmung in separaten Sitzungen hat Venezuelas Parlament | |
> erst den Politiker Luis Parra gewählt. Und dann Maduros Erzfeind Juan | |
> Guaidó. | |
Bild: Juan Guaidó beim Versuch, auf das Parlamentsgelände zu kommen | |
Buenos Aires taz | Venezuela hat seit Sonntag zwei Parlamentspräsidenten. | |
In einer turbulenten Sitzung wählten die Abgeordneten den abtrünnigen | |
Oppositionspolitiker Luis Parra zum neuen Vorsitzenden der | |
Nationalversammlung. Wenige Stunden später wurde Juan Guaidó in einer | |
separaten Sitzung ebenfalls als deren Präsident bestätigt. | |
Die Neuwahl des Parlamentspräsidenten war notwendig, da gemäß der | |
Verfassung die Nationalversammlung spätestens am 5. Januar zusammentreten | |
muss, um den Amtsinhaber für ein weiteres Jahr zu bestimmen. Seit der | |
Parlamentswahl Ende 2015 stellt die Opposition mit 112 von 167 Mandaten die | |
Mehrheit. | |
Parra gehörte bis Dezember der Oppositionspartei „Primero Justicia“ („Er… | |
Gerechtigkeit“) an, die Teil des Bündnisses um Guaidó ist. Er wurde von | |
seiner Partei ausgeschlossen, nachdem Oppositionsvertreter ihn des Versuchs | |
beschuldigt hatten, andere Parlamentarier mit hohen Bestechungssummen für | |
Maduro gewinnen zu wollen. | |
Gegen Mittag hatte sich Luis Parra auf einer Sitzung ohne Debatte zum | |
Präsidenten der Nationalversammlung erklärt. Dabei spielten sich im | |
Parlamentsgebäude chaotische Szenen ab. Da die Audiotechnik abgeschaltet | |
war, legte Parra mit dem Megafon in der einen Hand und der Verfassung in | |
der anderen den Eid ab. | |
## Staatliches Fernsehen übertrug die Chaos-Sitzung | |
Wer wollte, konnte live zusehen. Entgegen bisheriger Gepflogenheiten hatte | |
der staatliche Fernsehsender Venezolana de Televisión die [1][Sitzung aus | |
dem Parlamentsgebäude übertragen]. Parra wurde mit der Zustimmung der | |
Sozialistischen Einheitspartei (PSUV) von Staatschef Nicolás Maduro sowie | |
Dissident*innen der Opposition zum Parlamentspräsidenten ernannt. | |
Nach Angaben der PSUV-Fraktion hätten von 150 anwesenden Abgeordneten 81 | |
durch Handheben für Parra votiert. Davon wären rund 30 Stimmen von der | |
Opposition gekommen. | |
Die Angaben wurden von Opposition heftig bestritten. Es sei nicht einmal | |
die für den Sitzungsbeginn notwendige Zahl der Abgeordneten anwesend | |
gewesen, kritisierte Juan Guaidó. Während Luis Parra bereits vereidigt | |
wurde, habe ein Großteil der oppositionellen Abgeordneten versucht, erst | |
einmal überhaupt ins Parlamentsgebäude zu gelangen. Zahlreichen | |
Mandatsträger*innen sowie ihm selbst sei der Zugang zum Parlament verwehrt | |
worden. [2][Videoaufnahmen zeigen, wie Guaidó über einen Zaun klettert, um | |
ins Parlament zu kommen]. | |
Der PSUV-Abgeordnete Francisco Torrealba rechtfertigte die Ernennung | |
Parras. Guaidó habe mit seiner Abwesenheit absichtlich die Sitzung | |
verzögern wollen, da er nicht genug Stimmen für seine Wiederwahl | |
zusammenbekommen habe. Nach den Statuten der Nationalversammlung habe | |
jedoch der anwesende Parlamentsälteste die Kompetenz, die Sitzung zu | |
eröffnen. | |
## Maduro: „Aufstand der Nationalversammlung“ | |
Was Héctor Agüero von der Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) denn | |
auch tat. Dass die PSUV-Fraktion die Ernennung eines Politikers aus den | |
Reihen der Opposition als neuen Präsidenten der Nationalversammlung | |
akzeptierte, erklärte Torrealba auch: „Sie sind immer noch Gegner, aber | |
unserer Meinung nach handeln sie im Interesse des Landes.“ | |
Für den Großteil der Opposition handelte es sich jedoch nicht um eine | |
legitime Sitzung. Zur Begründung nennt der bisherige AN-Vizepräsident | |
Stalin González die Militarisierung des Parlamentsgebäudes und seiner | |
Umgebung. Schnell machte denn auch das Wort vom Putsch gegen das Parlament | |
die Runde. | |
Staatschef Nicolás Maduro sprach dagegen von „einen Aufstand der | |
Nationalversammlung“. „Es hatte sich angekündigt, dass Juan Guaidó von den | |
eigenen Oppositionsmitgliedern vertrieben werden würde“, sagte er und | |
bekräftigte zugleich, dass die Parlamentswahl in diesem Jahr stattfinden | |
werden. | |
Am späten Nachmittag eröffnete dann Juan Guaidó mit der notwendigen Zahl | |
von anwesenden Abgeordneten im Gebäude der Tageszeitung El Nacional eine | |
weitere Sitzung der Nationalversammlung. Dabei wurde der 36-Jährige als | |
dessen Präsident bestätigt. | |
Im Januar 2019 war Juan Guaidó erstmals zum Parlamentspräsidenten gewählt | |
worden. In seiner damaligen Antrittsrede erklärte er, dass das Parlament | |
die einzige legitime gewählte Institution sei und eine zweite Amtszeit von | |
Nicolás Maduro nicht anerkennen werde. Noch im selben Monat hatte er sich | |
deshalb zum Interimspräsidenten ernannt und wurde bisher von 56 Staaten | |
oder dessen Regierungen anerkannt. | |
6 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=SevKhxScvps | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=hajz_t4TvgU | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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