# taz.de -- Parkplatz-Schwund in Mitte: Der Kampf um die Fläche | |
> Wenn Mittes grün-rote Zählgemeinschaft hält, was sie verspricht, verliert | |
> der Kfz-Verkehr viel Raum. Aber für manche liegen die Probleme woanders. | |
Bild: Klappt probeweise schon ganz gut: Parkplatzumnutzung beim „Parking Day�… | |
Ob sich die rot-grün-rote Koalitionsvereinbarung auf Landesebene ähnlich | |
progressiv lesen wird? Die Vereinbarung zwischen Grünen und SPD für die | |
Zählgemeinschaft, die am Donnerstagabend in der | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte in Kraft gesetzt werden sollte, | |
enthält gerade im Bereich der Mobilitätswende viele gute Ideen. | |
Besonders weit wagt sich das grün-rote Bündnis bei der Frage der | |
Neuverteilung des Straßenraums aus dem Fenster: Denn am Ende der | |
Wahlperiode im Jahr 2026 sollen „bis zu 25 Prozent“ aller Parkplätze im | |
Bezirk entsiegelt sein und für Baumpflanzungen sowie „als nachbarschaftlich | |
genutzter Stadtraum“ zur Verfügung gestellt werden. | |
Jeder vierte Kfz-Parkplatz weg – das ist nach heutigen Maßstäben eine | |
gewaltige Menge. Hinzu kommen viele andere Maßnahmen, die unter der Ägide | |
der dann für Straßen und Grünflächen zuständigen grünen Stadträtin Almut | |
Neumann umgesetzt würden. So sollen „gut sortierte Abstellmöglichkeiten“ | |
für Fahrräder, Roller und Lastenräder geschaffen werden, unter anderem | |
würden sie an allen Kreuzungen auf den jeweils ersten Pkw-Parkplätzen der | |
sich kreuzenden Straßen entstehen. Das würde gleichzeitig das gefährliche | |
illegale Zuparken der Übergänge und Sichtachsen durch Autos erschweren. | |
Weitere Maßnahmen, auf die man sich verständigt hat, sind die | |
schnellstmögliche Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf den gesamten | |
Bezirk, ein „Konzept für die systematische Umsetzung“ von | |
Kiezblockinitiativen, die Fertigstellung von mindestens 15 Fahrradstraßen, | |
aber auch „praxisnahe Lösungen wie Asphaltbänder oder die Fugenverfüllung, | |
um das Radfahren auf Kopfsteinpflaster erträglicher zu machen“. Straßen vor | |
Schulen sollen nach Möglichkeit für den Pkw-Verkehr teilentwidmet werden, | |
auch die temporäre Sperrung dieser Straßen für Kfz zum Schulanfang soll | |
erprobt werden. | |
Größere Kämpfe um Themen wie den massiven Parkplatzrückbau habe es bei der | |
Aushandlung der Vereinbarung nicht gegeben, sagte der Vorsitzende der SPD | |
Mitte, Yannick Haan, gegenüber der taz. Auch die Sozialdemokraten im Bezirk | |
positionierten sich ganz klar für die Mobilitätswende. Natürlich handele es | |
sich um eine Willensbekundung, die rechtlich nicht bindend sei, aber: „Wir | |
wollen uns schon daran messen lassen.“ | |
## „Erst mal zeigen, was geht“ | |
Wie die Parkraum-Ausdünnung konkret vonstatten gehe – also ob vielleicht | |
die Parkplätze auf kompletten Straßenabschnitten entwidmet werden sollen –, | |
habe man noch nicht im Detail vereinbart. Er denke aber „nicht, dass das | |
gleich ganze Straßen betrifft“, sagt SPD-Bezirkschef Haan. „Es geht erst | |
mal darum zu zeigen, was man mit solchen Flächen machen kann.“ | |
Für verhaltene Freude sorgen die Ankündigungen beim Verein Changing Cities: | |
„25 Prozent weniger Autoabstellplätze und mindestens 15 neue Fahrradstraßen | |
in fünf Jahren sind gute Maßnahmen“, so Sprecherin Ragnhild Sørensen. Das | |
mache die Stadt ein wenig ruhiger, sauberer ud sicherer. Es könne aber „nur | |
der Anfang“ sein: „Das Mobilitätsgesetz sieht einen konsequenten Vorrang | |
des Umweltverbundes vor. Dazu braucht es noch viele weitere Schritte.“ | |
Auch andere halten die Parkplatznummer noch nicht für den großen Durchbruch | |
– oder überhaupt für die Lösung der eigentlichen Probleme im Bezirk. Sabine | |
Weißler (Grüne), bis Donnerstagabend für Straßen und Grünflächen zuständ… | |
Stadträtin im Mitte, sieht an anderer Stelle viel mehr Handlungsbedarf: | |
„Der Erhalt von Grünflächen, das war und ist die dramatische Kampflinie im | |
Bezirk Mitte.“ In ihrer zehnjährigen Amtszeit habe sie die Parks und | |
Grünanlagen im Bezirk nicht nur gegen die CDU, sondern auch gegen die SPD | |
verteidigen müssen, mit der die Grünen schon nach den Wahlen 2016 eine | |
Zählgemeinschaft bildeten. | |
Weißler führt als Beispiel den Moabiter Fritz-Schloss-Park an, der nun | |
gegen den erbitterten Widerstand des Straßen- und Grünflächenamts Fläche an | |
einen Kitaneubau und einen Schulerweiterungsbau verliere. „Da wird einfach | |
Grün weggeschnitten“, sagt Weißler, „gleichzeitig verweigern Schulen, dass | |
ihre Anlagen nach Schulschluss genutzt werden können.“ Auch wenn die | |
Bildungseinrichtungen natürlich notwendig seien – sobald man dafür | |
Stadtgrün opfere, gehe das auch auf die Kosten der Kinder. | |
## Hart erkämpfte Teilsiege | |
Im Volkspark Rehberge habe sie gerade noch verhindern können, dass auf der | |
sogenannten Catcherwiese Sportanlagen und Grillplätze entstehen, sagt | |
Weißler – das hätten CDU und SPD gefordert. Freizeitaktivitäten gab es dort | |
zwar schon früher einmal, nachdem diese Nutzung vor mehr als einem | |
Jahrzehnt aufgegeben wurden, habe sich in dieser Senke aber ein Biotop | |
entwickelt, das bezirks- und wohl auch landesweit seinesgleichen suche. | |
„Mich hat das erschüttert: Rundum tobt der Kampf fürs Klima, und hier wird | |
Politik betrieben, als gäbe es das alles gar nicht“, sagt die – | |
mittlerweile ehemalige – Stadträtin. | |
Ein weiterer, hart erkämpfter Teilsieg war für Weißler die Ausweisung der | |
Ausgleichsflächen, die für den Bau des Besucherinformationszentrums des | |
Bundestags im Tiergarten notwendig wurden. Angeboten wurde dem Land von der | |
bundeseigenen Bima zunächst eine Fläche in Wartenberg, also am Stadtrand. | |
Nun habe man stattdessen eine Grünfläche neben dem Invalidenfriedhof in der | |
Scharnhorststraße und die Nutzung der Freifläche am Centre Francais in der | |
Müllerstraße als Urban Gardening („Rote Beete“) dauerhaft gesichert. | |
4 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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