| # taz.de -- Palästinensische Stickkunst: Muster des Widerstands | |
| > Tatreez ist eine jahrhundertealte Stickkunst, die | |
| > Palästinenser:innen weltweit miteinander verbindet – auch im | |
| > Widerstand gegen Flucht und Vertreibung. | |
| Bild: Längst in der Modewelt angekommen: Die jordanische Modedesignerin Farah … | |
| Vor zwei Jahren begleitete Dalal ihre Freundin Mirvat zu einer | |
| Schulteroperation ins Krankenhaus. Als sie auf der Operationsliege lag, | |
| die Narkose wirkte schon, rief Mirvat im Halbschlaf plötzlich: „Nein, nein, | |
| nein, ich sticke nur für Dalal, für niemanden sonst!„Die beiden Frauen | |
| lachen, als sie sich daran erinnern. Sie sitzen im Empfangszimmer von | |
| Dalal. Mindestens einmal die Woche treffen sie sich hier, um zusammen | |
| Tatreez zu sticken; so heißt die traditionelle palästinensische Stickkunst, | |
| die zugleich Symbol des Widerstands gegen die israelische Besatzung ist. | |
| Ein Widerstand, der auch in der palästinensischen Diaspora wie hier in | |
| Jordanien stattfindet. | |
| Es ist ein sonniger Novembermorgen in Baqa’a, dem größten palästinensischen | |
| Flüchtlingslager Jordaniens. Hier leben seit dem arabisch-israelischen | |
| Krieg von 1967 über 130.000 palästinensische Geflüchtete und ihre | |
| Nachkommen. Das Camp liegt in einem Tal etwa 20 Kilometer nördlich der | |
| Hauptstadt Amman, und ein Lager ist es nur noch dem Namen nach: Die Zelte | |
| der Anfangszeit sind über die Jahre durch niedrige Betonhäuser ersetzt | |
| worden, die sich in engen Gassen aneinanderreihen. In einem dieser Häuser | |
| lebt Dalal Abu Schaschih mit einem ihrer fünf Söhne und seiner Familie. Sie | |
| ist 61 Jahre alt und hat ein schelmisches Lächeln. | |
| Im Empfangszimmer des Hauses steht an jeder Wand ein Sofa, auf dem Boden | |
| liegt brauner, mit Schnörkeln gemusterter Teppich. Darauf sitzt Dalal Abu | |
| Schaschih, ein Stück Stoff auf dem angewinkelten Knie und eine Nadel in der | |
| Hand. Sie lehnt sich an das Sofa, auf dem die 15 Jahre jüngere Mirvat | |
| al-Qaisi sitzt; auch sie hat ein Stück Stoff vor sich ausgebreitet. Beide | |
| Frauen tragen schwarze Kopftücher und lange schwarze Gewänder, unter denen | |
| ihre nackten Zehen hervorschauen. Während sie miteinander reden und lachen, | |
| schweben ihre Hände sachte auf und ab, lassen die Nadeln durch den Stoff | |
| gleiten und ziehen anschließend die Fäden empor. | |
| Die Stickkunst Tatreez verbindet palästinensische Frauen in aller Welt. Sie | |
| hat auch die Frauen aus dem Baqa’a-Camp zusammengebracht. Vor sechs Jahren | |
| beschloss Mirvat, damals schon geübte Stickerin, ihr Handwerk zu | |
| verbessern; sie nahm in einem Frauenzentrum des Camps Unterricht bei Dalal. | |
| Seitdem sind die beiden Frauen befreundet. Auch ihren Gästen stellen sie | |
| sich mit Vornamen vor. | |
| Seit Jahrhunderten schon sticken Palästinenserinnen vielfältige Muster in | |
| ihre Thaubs, wie sie die traditionellen Gewänder nennen. Motive und Farben | |
| der Stickereien sind meist von der Natur inspiriert und je nach Region | |
| verschieden: In Jaffa schmücken Frauen ihre Kleider mit Orangenblüten, in | |
| Ramallah mit Palmen und Zypressen, in Hebron tragen sie gerne Monde und in | |
| Gaza Vögel. | |
| Früher ließ sich anhand der Thaubs auch die gesellschaftliche Stellung der | |
| Trägerin ablesen, und ob sie verheiratet oder verwitwet, arm oder reich | |
| war. Die Bäuerinnen aus Hebron trugen ihre Thaubs täglich. Andere legten | |
| sie nur zu besonderen Anlässen an. Und manche ließen sich in ihren | |
| Hochzeitskleidern, den Malak-Thaubs, beerdigen. | |
| ## Seit 2021 Unesco-Kulturerbe | |
| So vielfältig ist Tatreez, so prägend für die Identität der | |
| Palästinenser:innen, dass die Unesco diese Stickkunst 2021 in die Liste des | |
| immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufnahm. Heutzutage tragen | |
| Palästinenser:innen Tatreez meist in moderne Kleidung gestickt oder | |
| auf Thaubs, in denen die Muster verschiedener Regionen vereint werden, | |
| sodass sie seltener Rückschlüsse auf die Herkunft der einzelnen Trägerin | |
| zulassen. | |
| Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind die Stickereien auch zu einem | |
| Ausdruck gewaltlosen Widerstandes geworden. Die Gründung des Staates Israel | |
| 1948 markierte für die Palästinenser:innen das kollektive Trauma der | |
| Nakba; über 700.000 Menschen wurden damals aus ihren Heimatdörfern | |
| vertrieben. Die Tatreez-Stickereien verweisen bis heute auf diese Dörfer – | |
| und halten so zugleich die Hoffnung der Palästinenser:innen auf | |
| Rückkehr in die alte Heimat wach. Als Israel während der ersten Intifada | |
| 1987 bis 1993 die palästinensische Flagge verbieten ließ, stickten die | |
| Frauen sie auf ihre Kleider. Und diejenigen, deren Männer, Brüder oder | |
| Söhne festgenommen worden waren, stickten Gitter in die Mitte von Rosen. An | |
| einigen Thaubs lassen sich ganze Familiengeschichten ablesen. Auch geheime | |
| Botschaften sollen in Form von Tatreez übermittelt worden sein. | |
| „Tatreez ist unsere Identität“, sagt Dalal, „wir bewahren sie, um zu | |
| zeigen, dass wir ein Land haben, das uns gestohlen wurde.“ Tatreez ist eine | |
| Lebenshaltung, die auf Arabisch mit dem Wort „Sumud“ beschrieben wird – | |
| übersetzt: Standhaftigkeit. Für Palästinenser:innen heißt Sumud etwa, | |
| ein Haus wieder aufzubauen, ungeachtet der Gefahr, dass es von israelischen | |
| Siedlern erneut zerstört werden könnte. Es heißt für sie, in Bildung zu | |
| investieren und in Projekte, die nachhaltige Selbstversorgung fördern. | |
| Sumud praktizieren besonders die Palästinenser:innen in der Diaspora | |
| mit dem Ziel, ihre Kultur trotz aller Widerstände aufrechtzuerhalten. | |
| Dalal war erst drei Jahre alt, als ihre Familie 1967 aus einem kleinen Dorf | |
| in der Nähe von Jericho fliehen musste. Wie viele andere Frauen brachte | |
| auch ihre Mutter ihre bestickten Thaubs mit nach Jordanien. Und natürlich | |
| lehrte sie ihre Tochter das Sticken; schon mit sechs Jahren hielt Dalal | |
| erstmals Nadel und Faden in der Hand. Die Thaubs waren oft das einzig | |
| Wertvolle, das die Frauen besaßen. Ein Gewand ihrer Mutter bewahrt Dalal | |
| bis heute auf. Die Ärmel sind mit Zypressen im Stil von Jaffa bestickt. Von | |
| hier, einem Vorort von Tel Aviv, musste Dalals Mutter schon 1948 nach | |
| Jericho fliehen, bevor sie knapp 20 Jahre später erneut vertrieben wurde. | |
| Mirvats Familie wurde 1948 aus der Region Hebron vertrieben. Sie selbst ist | |
| in Amman geboren und hat Palästina nie betreten. Aber die Erfahrung der | |
| Nakba ist auch für sie bis heute präsent. „Meine Mutter erzählte uns immer, | |
| wie sie nach der Vertreibung eine Banane in kleine Stücke aufgeteilt hat, | |
| um sie über den Tag verteilt zu essen, weil es nichts anderes gab“, sagt | |
| Mirvat. Die Erzählungen halten die Erinnerung an die verlorene Heimat | |
| ebenso aufrecht wie das Sticken; Mirvat hat es von ihren Tanten und ihrer | |
| Großmutter gelernt. | |
| In Jordanien haben über die Hälfte der elf Millionen Einwohner:innen | |
| palästinensische Wurzeln. Mehr als zwei Millionen Palästinenser:innen | |
| sind als Flüchtlinge registriert, viele von ihnen leben nach wie vor in | |
| Camps. Zwar gleichen diese wie Baqa’a längst normalen Stadtvierteln – | |
| zumindest äußerlich. Die Lebensumstände der Bewohner:innen sind jedoch | |
| prekär. Und vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb die Tradition des | |
| Tatreez bis heute nicht nur lebendig ist, sondern populärer denn je. | |
| ## Bricht der Konflikt aus, steigt die Nachfrage | |
| Die Nachfrage steigt vor allem dann, wenn der schwelende Konflikt in der | |
| Region offen ausbricht – so beim Gazakrieg im Jahr 2014. In den Jahren | |
| danach, erinnert sich Dalal, wurde die Stickerei zu einem regelrechten | |
| Trend. Mittlerweile werden die berühmten Kreuzstiche nicht nur auf Kleider, | |
| sondern auch auf Taschen, Kissen, Geldbörsen, T-Shirts oder Pullover und | |
| sogar auf Schuhe gestickt. | |
| Weltweit vertreiben Online-Shops Produkte mit den Stickereien. In Amman | |
| werden sie auch in unzähligen Shops und Märkten angeboten; einige davon | |
| sind industriell gefertigt. Doch palästinensische und jordanische | |
| Modedesigner:innen bevorzugen Handarbeiten. Für ihre Kreationen | |
| kombinieren sie Motive aus unterschiedlichen Regionen. Die Kleider, die so | |
| entstehen, haben ihren Preis: Unter 200 Jordanischen Dinar (JD), | |
| umgerechnet rund 260 Euro, ist kaum ein Modell zu bekommen. Das entspricht | |
| etwa einem Drittel des monatlichen Durchschnittseinkommens. | |
| Die Stickerinnen bekommen nur einen Bruchteil dieser Summe. Ihr Honorar | |
| bemisst sich bei größeren Aufträgen der Modelabels an der Zahl der | |
| Fadenrollen, die sie verbrauchen. Für eine 80 Meter lange Garnrolle | |
| bekommen sie zwischen 3,50 und 5 Jordanischen Dinars; bis zu zehn Rollen | |
| verwenden sie, um ein komplettes Kleid zu bestickten. Die Arbeit dauert | |
| Monate – allein an einem einzelnen Ärmel sitzt eine Stickerin bis zu zwei | |
| Wochen lang. So gering der Verdienst ist, er stellt für die Frauen ein | |
| wichtiges Zusatzeinkommen dar; manche bestreiten damit sogar ihren gesamten | |
| Lebensunterhalt. Allein in Jordanien produzieren Tausende von Frauen | |
| Tatreez-Stickereien für den Markt. Wie viele es genau sind, weiß niemand – | |
| offizielle Statistiken gibt es nicht. | |
| Auch Dalal begann als Stickerin für eine private Organisation im Camp. Doch | |
| vor 20 Jahren fing sie an, ihre Stickereien auf Flohmärkten in Amman selbst | |
| zu verkaufen. Seitdem ist ihr Kundenstamm beständig gewachsen, über | |
| WhatsApp und ihre Facebook-Seite bekommt sie häufig Aufträge von | |
| Modedesigner:innen aus der Hauptstadt, oder auch von Privatpersonen | |
| aus der palästinensischen Diaspora aus Europa und den USA. Weil sie die | |
| Arbeit allein gar nicht mehr schafft, gibt sie einen Teil davon an Frauen | |
| wie Mirvat weiter; mittlerweile sind es 25, die ihr regelmäßig zuliefern. | |
| Dalal ist zu einer erfolgreichen Kleinunternehmerin geworden. Einer, die | |
| respektiert und geschätzt, bei ihren Zuarbeiterinnen aber auch ein bisschen | |
| gefürchtet ist. | |
| „Manchmal bin ich unzufrieden mit der Arbeit der Frauen“, sagt Dalal, „da… | |
| werde ich auch mal laut.“ Selbst die Frauen, die künstlerisch hoch begabt | |
| seien, würden kleine Fehler machen, und das ärgere sie. Mirvat lächelt. | |
| „Dalal ist unsere Ratgeberin“, sagt sie, „wenn ich etwas Schwieriges mach… | |
| muss, frage ich sie.“ – „Ich habe aber auch von Mirvat gelernt“, sagt | |
| Dalal. | |
| Mirvat stickt das Muster einer roten Blume. Auf den Stoff ist ein weißes | |
| Fadengitter genäht, es hilft den Frauen, die Muster ebenmäßig und | |
| symmetrisch zu halten – ähnlich wie Linienblätter in Schreibheften. Die | |
| dünnen weißen Fäden werden am Ende herausgezogen. Dalal stickt ein | |
| geometrisches Muster in Grün auf einen lilafarbenen Stoff. Die Hände der | |
| Frauen bewegen sich routiniert. In wenigen Tagen beginnt das Olivenfest; | |
| aus diesem Anlass gibt es einen Markt in Amman, auf dem auch Dalal ihre | |
| Ware anbieten wird. Das ganze Jahr über hat sie sich schon darauf | |
| vorbereitet und bis dahin sind noch einige Stoffe zu besticken. Wer Tatreez | |
| als Geschäft betreibt, muss flink sein und mehrere Stunden täglich auf die | |
| Stickarbeit verwenden. | |
| Aber die beiden Freundinnen machen sich keinen Stress. Sie unterbrechen ihr | |
| Tagwerk, wenn etwas Dringliches dazwischenkommt. Wie etwa der Anruf einer | |
| Bekannten, die erfahren hat, dass es auf dem Markt frische Sesampaste zu | |
| kaufen gibt. Die sei immer schnell ausverkauft, sagt Dalal. Sie schlüpfen | |
| in ihre Slipper und machen sich auf den Weg. | |
| Wer mit Dalal durch die Straßen des Camps geht, erlebt auf Schritt und | |
| Tritt, wie dicht das Netzwerk der Stickerinnen gewebt ist. An jeder zweiten | |
| Ecke grüßt sie eine Helferin oder Freundin – wobei es scheint, dass das oft | |
| ein und dasselbe ist für Dalal. | |
| „Wie läuft es?“, begrüßt sie eine Frau, die im Eingang ihres Hauses steh… | |
| „Willst du es sehen?“ fragt die Frau und holt eine Plastiktüte aus dem | |
| Haus, aus der sie ein Stück blauen, zur Hälfte bestickten Stoffs zieht. Sie | |
| sieht besorgt aus. Dalal legt den Stoff auf ein Auto, das vor dem Haus | |
| parkt, und betrachtet die Muster. | |
| „Es ist gut, wie du es gemacht hast“, sagt Dalal. Die Gesichtszüge der Frau | |
| hellen sich vorsichtig auf. „Wird das Muster darauf passen?“, fragt sie. | |
| Dalal zählt die Quadrate des weißen Netzes, das über dem Stoff liegt. „Ja, | |
| es wird passen“, sagt sie, „Gott möge deine Hände beschützen.“ | |
| Im Weitergehen erzählt Dalal, dass nicht nur die Hände der Frau diesen | |
| Schutz bitter nötig haben. „Sie hat Krebs“, sagt sie und fügt hinzu, dass | |
| sie solche Frauen besonders gern unterstützt: Frauen, die arbeiten müssen, | |
| um zu überleben. | |
| Manchen ihrer Mitarbeiterinnen verschafft die Stickerei nicht nur | |
| finanzielle, sondern auch kleine persönliche Freiräume. Dalal deutet auf | |
| ein grau gestrichenes Haus: „Da wohnen zwei Mädchen, deren Vater nicht | |
| weiß, dass sie sich mit der Stickerei etwas dazuverdienen“, sagt sie. Weil | |
| der Vater sie nicht alleine aus dem Haus gehen lasse, müsse sie immer | |
| warten, bis er das Viertel verlassen habe, bevor sie mit ihnen sprechen | |
| könne. | |
| Mit einem Kilo Sesampaste in einer Plastiktüte, die Dalal auf dem Markt von | |
| Camp Baqa’a gekauft hat, kehrt sie zu ihrem Haus zurück. Dort wohnt auch | |
| ihre jüngste „Mitarbeiterin“: ihre Enkelin Sham, vier Jahre alt. Die Kleine | |
| helfe ihr, die weißen Fäden des Gitternetzes aus den fertig bestickten | |
| Stoffen zu ziehen. Als sie ihre Großmutter sieht, läuft sie ihr entgegen, | |
| zusammen mit ihrem zwölfjährigen Bruder Laith. Der trägt einen roten | |
| Pullover, auf den eine Faust in den Farben der palästinensischen Flagge | |
| gedruckt ist. Daneben steht: Free Palestine. | |
| ## Viele Kinder kennen Palästina nur aus Erzählungen | |
| Die Kinder, die im Flüchtlingslager aufwachsen, kennen Palästina oft nur | |
| noch aus den Erzählungen ihrer Großeltern. Die aber sorgen dafür, dass die | |
| palästinensische Identität von Generation zu Generation weitergegeben wird. | |
| Die Symbole und Parolen des Konflikts sind allgegenwärtig, im Camp noch | |
| mehr als in Amman. Sie sind auf Kinderpullovern zu sehen ebenso wie in | |
| Schaufenstern und auf den Heckscheiben von Autos, auf denen das gesamte | |
| Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan als Palästina eingezeichnet | |
| ist – ohne Israel. Auf einem der Autos steht auf Arabisch: Palästina, | |
| darunter ein Datum: 7. 10. 2023. | |
| [1][Am 7. Oktober vergangenen Jahres überfiel die Hamas Israel], tötete | |
| 1.200 Menschen und nahm rund 250 weitere als Geiseln. Einige | |
| Palästinenser:innen in Baqa’a feiern den Angriff als Teil des | |
| Befreiungskampfes und halten die Angaben zur Brutalität für [2][israelische | |
| Propaganda]. Seit Israel als Antwort darauf Gaza bombardiert, gebe es im | |
| Camp jeden Tag Proteste, erzählt Dalal – zusätzlich zu den regelmäßigen | |
| Freitagskundgebungen im Zentrum von Amman. Der Schmerz über den Verlust der | |
| Heimat sei neu aufgeflammt: „Alle, deren Herz gebrochen ist, gehen | |
| demonstrieren.“ | |
| Auch sie selbst sei immer dabei. Nicht nur die katastrophale [3][humanitäre | |
| Lage in Gaza] beschäftigt Dalal. Sie ist enttäuscht über die proisraelische | |
| Haltung der sogenannten westlichen Welt und sagt, sie verstehe nicht, wie | |
| die USA und Deutschland Israel auch noch mit Waffen unterstützen könnten, | |
| obwohl bekannt sei, dass die meisten Getöteten in Gaza Kinder und Frauen | |
| sind. Im November lag die Zahl der Toten bei 15.000, Anfang Februar war sie | |
| auf über 27.000 angestiegen. | |
| Ein Freitag im November. Dalal läuft wippenden Schritts durch das Zentrum | |
| der Hauptstadt, um die Schultern eine Kufija gelegt, auf die sie ein | |
| Stoffstück mit gelb und braun gemustertem Tatreez genäht hat. Vor einem | |
| Laden gegenüber der Moschee bleibt sie stehen; dort haben sich die Männer | |
| zum Freitagsgebet versammelt. Gleich werden sie niederknien, auf | |
| Kartonstücken, die ein alter Mann aus einer Karre verkauft. Dalal wird | |
| nicht zwischen ihnen stehen können, denn nach den Regeln des Islams beten | |
| Männer und Frauen getrennt. | |
| ## „Al-Sumud“ heißt Standhaftigkeit | |
| Der Besitzer des Ladens bietet ihr und einigen Frauen an, ihr Gebet | |
| zwischen den Kleidern zu verrichten. Sie geht für eine halbe Stunde ins | |
| Innere des Ladens. | |
| Nach dem Gebet kauft Dalal dem Händler ein Stück Stoff ab. „Darauf kann ich | |
| etwas sticken“, sagt sie. Aber erst mal geht sie demonstrieren. Läuft an | |
| der Moschee vorbei direkt in die Mitte der versammelten Menschenmenge, | |
| schreit die Parolen mit und hebt ihr Handy. Sie wird die komplette | |
| Demonstration durchfilmen. | |
| Manchmal verschwindet sie zwischen den Menschen, die größer sind als sie, | |
| dann schaut nur noch ihr Arm mit dem Handy aus der Menge. | |
| Auf einem der Schilder, das die Demonstrant:innen hochhalten, erhebt | |
| sich aus Trümmern von Häusern der Körper einer Frau in einen hellblauen | |
| Himmel. Ihr Kopf, auf dem ein loses weißes Tuch liegt, ist zur Seite | |
| gedreht, der Blick geht in die Ferne, wo die goldene Kuppel des Felsendoms | |
| in Jerusalem zu erkennen ist. Die Frau trägt ein mit Tatreez geschmücktes | |
| Kleid. Auf den Trümmern steht „Gaza“, darunter „al-Sumud“. | |
| 8 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Laila Sieber | |
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