| # taz.de -- Pakistan vor der Wahl: Militär entscheidet Wahlergebnis | |
| > 240 Millionen Einwohner, aber nur ein denkbares Wahlergebnis: | |
| > Altpolitiker Sharif steht bereit. Der populäre Ex-Premier Imran Khan darf | |
| > nicht antreten. | |
| Bild: Anhänger der Partei PTI des nicht zugelassenen Imran Khan demonstrieren … | |
| MUMBAI | taz | Schon der Wahlkampf begann mit monatelanger Verspätung. Die | |
| Stimmung ist gedrückt. Obwohl die Zeiten historisch sind: Zum dritten Mal | |
| in Folge wird am Donnerstag ein ziviles Parlament gewählt. 128 Millionen | |
| Wähler:innen sind registriert, die Atommacht Pakistan zählt über 240 | |
| Millionen Menschen. Der Wahlsieger gilt als ausgemacht: Nawaz Sharif, | |
| dreimaliger Ex-Premierminister und zuletzt 2017 vom Obersten Gericht | |
| abgesetzt, steht nach seiner Rückkehr aus dem Exil vor seiner vierten | |
| Amtsübernahme. | |
| „Ich habe immer die Sharifs unterstützt“, sagt der 30-jährige Farah Ali a… | |
| der Millionenstadt Rawalpindi nahe der Hauptstadt. Doch dieses Mal sei er | |
| sich nicht sicher, für wen er stimmen möchte, sagt der Bürogehilfe. Die | |
| ärmere Bevölkerung gehe ohnehin leer aus. Das Establishment spiele immer | |
| die führende Rolle, und wer an die Macht komme, brauche immer den Rückhalt | |
| des Militärs. | |
| Nawaz Sharif ist ein Paradebeispiel dafür. Seine Befürworter:innen | |
| setzen darauf, dass der 74-Jährige als erfahrener Politiker Pakistan aus | |
| der Krise führen kann. Im Wahlkampf versprach er Arbeitsplätze, niedrigere | |
| Lebensmittelpreise und eine kostenlose Grundversorgung mit Strom. | |
| Als Umschuldungsauflage des Internationalen Währungsfonds IWF mussten | |
| nämlich die Preise stark erhöht werden – dabei fehlt es nicht nur an | |
| finanziellen Mitteln, sondern auch an der Verfügbarkeit von Strom selbst | |
| für Wohlhabende. Die anhaltende Inflation droht zudem die untere | |
| Mittelschicht in Armut zu stürzen. | |
| Die anstehende Rückkehr Sharifs bedeutet weder eine langfristige Befreiung | |
| des Landes aus dem Griff des Militärs noch ein Ende des massiven Einflusses | |
| der politischen Dynastien, die Pakistan seit fast einem halben Jahrhundert | |
| regieren. Sharif selbst gehört einer einflussreichen Familie an, die die | |
| konservative PML-N (Pakistanische Muslimliga) führt. Sie versucht, sich an | |
| der Wahlurne gegen die von der Familie Bhutto geführte PPP (Pakistanische | |
| Volkspartei) durchzusetzen. | |
| ## Keine Chance für Ex-Premier Imran Khan | |
| Einer der populärsten Kandidaten wäre eigentlich [1][der inhaftierte | |
| Ex-Premierminister Imran Khan]. Der einstige Cricket-Star, dessen Partei | |
| PTI (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) die letzten Wahlen 2018 | |
| gewann, ist aber diesmal von den Wahlen ausgeschlossen. Dies nährt den | |
| Vorwurf der Wahlmanipulation. Der 71-Jährige, der sein Amt 2022 verlor und | |
| 2023 vor Gericht kam, wurde erst vergangene Woche zu mehreren langen | |
| Haftstrafen verurteilt, [2][unter anderem wegen Korruption], der | |
| mutmaßlichen Weitergabe geheimer Dokumente und illegaler Eheschließung, | |
| nachdem seine letzte Hochzeit für unrechtmäßig erklärt wurde. | |
| Bei Pakistans letzten Wahlen 2018 genoss Khan noch die Gunst des Militärs. | |
| Der Populist versprach nach seinem Sieg, den Terrorismus einzudämmen und | |
| die Wirtschaft zu stärken. Stattdessen konzentrierte er die Macht immer | |
| weiter auf sich. Zuletzt begann er das Militär immer deutlicher zu | |
| kritisieren und verärgerte damit die politischen Drahtzieher des | |
| fünftbevölkerungsreichsten Landes der Welt. | |
| Im April 2022 wurde er [3][durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum | |
| abgesetzt] und von einer Koalitionsregierung unter Nawaz Sharifs jüngerem | |
| Bruder Shehbaz ersetzt, der während Nawaz Sharifs Exil die Stellung | |
| gehalten hatte. Die Sharifs setzten sich mit Unterstützung der Eliten | |
| durch. Auch die Bhutto-Familie beteiligte sich und stellte in der Hoffnung | |
| auf politische Mitsprache den Außenminister. | |
| Khans Verhaftung führte zu landesweiten Demonstrationen. Zahlreiche | |
| Anhänger wurden wegen angeblicher Beteiligung an Angriffen auf | |
| Militäreinrichtungen verhaftet. Khan stand kurz davor, die Armee in zwei | |
| Lager zu spalten. | |
| ## Cricketschläger als Wahlsymbol | |
| Khans PTI wirft nun den Behörden vor, ihnen eine faire Wahlteilnahme zu | |
| verweigern. Expert:innen gehen dennoch davon aus, dass die PTI weiterhin | |
| Anziehungskraft hat. Viele jüngere Pakistaner:innen unterstützten die | |
| PTI, sagt Farhan Zaheer vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg. | |
| Sie seien unzufrieden mit der Behandlung durch das Militär. „Es gibt daher | |
| große Frustration“, so Zaheer zur taz. Die Partei „könnte sich als | |
| respektable Oppositionspartei etablieren“. Wenn der Unmut der Bevölkerung | |
| sich nicht zu negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt. | |
| Allerdings fehlt der PTI ihr Wahlsymbol: der Cricket-Schläger, den viele | |
| mit Khan assoziieren. Viele PTI-Kandidat:innen werden formal als Parteilose | |
| kandidieren. Das sei aber kein Hindernis, meint Zaheer und beschreibt die | |
| PTI-Anhänger als technikaffin und gut informiert. Die 29-jährige Laraib aus | |
| Lahore im Punjab hat die PTI noch nicht abgeschrieben: „Ich werde für den | |
| Kandidaten aus seiner Partei stimmen“, sagt sie. | |
| Entscheidend wird eines sein: „Wer im größten Bundesstaat Punjab eine | |
| starke Regierung bildet, bildet auch eine starke Regierung in Pakistan“, | |
| sagt Experte Zaheer. Dies werde derzeit am ehesten Nawaz Sharif zugetraut. | |
| Sowohl das Militär als auch Sharif seien aufeinander angewiesen. Für Sharif | |
| birgt dieser Pakt allerdings ein hohes Risiko: Seine bisherigen Amtszeiten | |
| endeten alle vorzeitig, nachdem seine Beziehungen zur Militärführung in die | |
| Brüche gingen. Keine gewählte Regierung in Pakistan hat bislang die volle | |
| Amtszeit von fünf Jahren durchgestanden. | |
| ## Hinweise auf Wahlmanipulationen | |
| Dennoch hat das Militär Interesse daran, eine zivile Regierung | |
| aufrechtzuerhalten. Zur Vorbereitung der Wahlen übernahm im Sommer 2023 | |
| eine militärnahe Interimsregierung die Amtsgeschäfte. Zu diesem Zeitpunkt | |
| bereitete sich Nawaz Sharif nach Jahren im Londoner Exil auf seine Rückkehr | |
| vor. Rechtzeitig vor den Wahlen wurde er von Korruptionsvorwürfen | |
| freigesprochen und tritt nun als Kandidat seiner Muslimliga an. | |
| Unterdessen verdichten sich Hinweise auf Wahlmanipulationen durch das | |
| Militär. Die Regierung schränkt das Internet [4][in der Krisenregion | |
| Balutschistan] ein und sperrt Nachrichten-Webseiten. Kandidaten der | |
| oppositionellen PTI sind starken Repressionen ausgesetzt und Proteste auf | |
| den Straßen werden unterdrückt, sagen Beobachter:innen. | |
| Imran Khan, der sich durch seine Inhaftierung kaum öffentlich äußern kann, | |
| ist zum Symbol gegen das politische Establishment geworden. Das verspricht | |
| keine ruhigen Zeiten. Dabei bräuchte Pakistan eine stabile Regierung. Nicht | |
| nur, [5][um den aktuellen Konflikt mit Iran zu bewältigen], sondern auch, | |
| um weiterhin Finanzhilfen und Investitionen zu sichern. Im vergangenen | |
| Sommer konnte Pakistan noch dank eines IWF-Rettungspakets in Höhe von drei | |
| Milliarden US-Dollar den Staatsbankrott abwenden. Die Unterstützung des | |
| Kreditgebers läuft im März aus. | |
| Mitarbeit: Annam Lodhi, Islamabad | |
| 8 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Opposition-in-Pakistan/!5952456 | |
| [2] /Pakistans-Ex-Regierungschef/!5933718 | |
| [3] /Misstrauensvotum-gegen-Premier-Khan/!5848362 | |
| [4] /Terror-in-Pakistan/!5697498 | |
| [5] /Neue-diplomatische-Krise/!5986425 | |
| ## AUTOREN | |
| Natalie Mayroth | |
| ## TAGS | |
| Pakistan | |
| Imran Khan | |
| Benazir Bhutto | |
| Schwerpunkt Iran | |
| Militärregierung | |
| Nawaz Sharif | |
| Militär | |
| Pakistan | |
| Pakistan | |
| Pakistan | |
| Pakistan | |
| Schwerpunkt Iran | |
| Pakistan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Proteste in Pakistan: Polarisierung nach der Wahl | |
| Nach dem Überraschungssieg der nicht zugelassenen Partei von Imran Khan | |
| protestieren ihre Anhänger. Denn regieren dürfen deren Kandidaten nicht. | |
| Wahlen in Pakistan: Mehr Schaden als Nutzen | |
| Der Kampf um die politische Macht in Pakistan wird sich schwierig | |
| gestalten. Ein großer Teil der Bevölkerung hat für einen Richtungswechsel | |
| gestimmt. | |
| Parlamentswahl in Pakistan: Ein Kopf-an-Kopf-Rennen | |
| Teilergebnissen zufolge kann die Opposition bei der Wahl punkten. Klar ist | |
| bereits schon jetzt, dass eine schwierige Regierungsbildung bevor steht. | |
| Pakistan vor der Wahl: Zwischen Terror und Seidenstraße | |
| Die Wahl in Pakistan findet in einer zunehmend unruhigen regionalen | |
| Konstellation statt. Sorge um die Stabilität eint China, Indien und den | |
| Westen. | |
| Neue diplomatische Krise: Iranische Raketen treffen Pakistan | |
| Teheran schießt im Nachbarland auf Stützpunkte separatistischer Rebellen, | |
| Islamabad zieht darauf aus Protest seinen Botschafter zurück. | |
| Politrochade in Pakistan: Nawaz Sharif hat noch nicht genug | |
| Pakistans Ex-Premier wurde dreimal gestürzt. Nun kehrt Nawaz Sharif aus dem | |
| Exil zurück und will erneut regieren. Gibt es einen Deal mit dem Militär? |