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# taz.de -- Neue diplomatische Krise: Iranische Raketen treffen Pakistan
> Teheran schießt im Nachbarland auf Stützpunkte separatistischer Rebellen,
> Islamabad zieht darauf aus Protest seinen Botschafter zurück.
Bild: 16.Januar, Rettungskräfte beseitigen die Schäden eines iranischen Raket…
Berlin taz/ap/dpa | Nach [1][Luftschlägen in Irak] und Syrien hat Iran am
Dienstag auch Ziele in einem dritten Nachbarland angegriffen: Pakistan. Das
führte zu einer diplomatischen Krise. Pakistan zog als Reaktion am Mittwoch
seinen Botschafter aus Teheran zurück und legte dem iranischen Amtskollegen
in Islamabad, der sich gerade in der Heimat aufhielt, nahe, nicht an seinen
Dienstort zurückzukehren.
Die Angriffe mit Raketen und Drohnen am Dienstag ereigneten sich in der
pakistanischen Provinz Belutschistan nahe der Stadt Pandschgur, etwa 50
Kilometer östlich der Grenze mit Iran. Dabei wurden nach Berichten
iranischer Staatsmedien zwei Stützpunkte der islamistischen
iranisch-belutschischen Gruppe Dschaisch ul-Adl (Heer der Gerechtigkeit)
zerstört. Die Gruppe kämpft seit 2012 für die Gleichberechtigung der
Bevölkerungsgruppe der Belutschen in Iran und für einen unabhängigen Staat.
Im Dreiländereck von Iran, Pakistan und Afghanistan verfügt die Gruppe über
Rückzugsgebiete und griff selbst auch schon Polizisten in Pakistan an. In
der Region leben knapp zehn Millionen Belutschen von zunehmend
klimakrisengebeutelter nomadischer Viehzucht und dem Schmuggel von
Drogen und Treibstoff.
Nach pakistanischen Angaben wurden bei den Angriffen zwei Kinder getötet
und drei weitere verletzt. Angaben zu Opfern bei Dschaisch ul-Adl gibt es
bisher nicht.
## Pakistan war wohl vorab informiert
Die Regierung in Teheran hatte Pakistan offenbar bei hochrangigen Treffen
in Islamabad und beim derzeitigen Weltwirtschaftsforum in Davos von den
bevorstehenden Angriffen informiert. Ob Teheran dafür die Zustimmung
erhielt, ist unklar.
Bekannt ist jedoch, dass Pakistan während des Afghanistankrieges zwar
US-Angriffe gegen al-Qaida und Taliban auf seinem Territorium erlaubte, die
Attacken aber offiziell verurteilte.
Während Irans Angriffe auf Kurdengebiete in Irak und die von Aufständischen
kontrollierte Provinz Idlib in Syrien sich in die regionalen Spannungen um
die Kriege in Gaza und Syrien einordnen, stehen die in Pakistan im wenig
bekannten Kontext des Kampfes um Minderheitenrechte.
In Pakistan bilden die Belutschen mit 6,86 Millionen die sechstgrößte
Bevölkerungsgruppe. Auch der derzeitige Interimspremierminister
Anwar-ul-Haq Kakar ist Belutsche.
## Zersplitterte Unabhängigkeitsbegung der Belutschen
Teile der Belutschen kämpfen seit Pakistans Staatsgründung 1947 jedoch für
mehr Autonomie oder Unabhängigkeit. Die ursprünglich säkulare, zeitweilig
von der Sowjetunion unterstützte Bewegung zerfiel inzwischen in eine
Myriade bewaffneter Splittergruppen und nahm teilweise islamistischen
Charakter an.
In Iran sind die etwa zwei Millionen Belutschen neben Kurden, Aseris,
Arabern und Turkmenen eine wichtige ethnische Minderheit. Sie unterscheiden
sich zudem von der Mehrheitsbevölkerung dadurch, dass sie sich zum
sunnitischen Islam bekennen. Irans Regierung, die vom schiitischen Klerus
dominiert wird, beschneidet auch ihre religiösen Rechte.
Zudem waren Irans Angriffe offenbar Vergeltung für zwei jüngste Terrorakte.
Mitte Dezember griff Dschaisch ul-Adl das Polizeihauptquartier der
ostiranischen Stadt Rask an und tötete bei dem stundenlangen Gefecht nach
iranischen Angaben elf Polizisten.
Am 3. Januar töteten zwei Männer in einem [2][doppelten Selbstmordanschlag
im iranischen Kerman] 84 Teilnehmer einer Gedenkfeier für den am gleichen
Tag 2020 in Bagdad durch einen US-Angriff getöteten General der
Revolutionsgarden, Qasim Soleimani. Dazu bekannte sich der ISKP genannte
afghanische Ableger der weltweit agierenden Terrorgruppe „Islamischen
Staat“.
Iran identifizierte einen der Attentäter als einen Tadschiken, der in einem
ISKP-Lager in der Provinz Badachschan im Nordosten des
Taliban-kontrollierten Afghanistan ausgebildet worden sei. Nach dieser
Logik könnte Iran demnächst auch Luftschläge gegen ISKP-Basen in
Afghanistan durchführen.
17 Jan 2024
## LINKS
[1] /Ausweitung-des-Gazakriegs/!5983002
[2] /Explosionen-bei-Gedenkfeier-in-Iran/!5979919
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Pakistan
Raketenangriff
Pakistan
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Proteste in Iran
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