| # taz.de -- Oppositionsführer wird neuer Präsident: Guineas Stunde null | |
| > Die Wahl von Alpha Condé beendet ein halbes Jahrhundert | |
| > Militärherrschaft. Sein Sieg ist ein historischer Kompromiss. Das Land | |
| > aber ist nach der Wahl gespalten. | |
| Bild: Von seinen Unterstützern freudig begrüßt: Guineas neuer Präsident Alp… | |
| BERLIN taz | Für Afrikas Demokraten war es ein historischer Moment: Guineas | |
| langjähriger Oppositionsführer Alpha Condé, unter früheren | |
| Militärdiktaturen rabiat verfolgt, wurde in der Nacht zum gestrigen | |
| Dienstag von der Wahlkommission zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom 7. | |
| November ausgerufen, und die Armee feierte. | |
| Dabei wird Guineas Militär jetzt nach 52 Jahren an der Staatsspitze | |
| entmachtet. Offenbar hat sich Militärjuntachef Sékouba Konaté, der die | |
| Demokratisierung Guineas eingeleitet hatte, mit Condé arrangiert: ein | |
| historischer Kompromiss in Guineas Stunde null. In Condés Hochburgen in der | |
| Hauptstadt wurde die ganze Nacht auf den Straßen getanzt. Die | |
| Freudenschüsse der Soldaten fielen hingegen in Hochburgen des unterlegenen | |
| Kandidaten Cellou Dallein Diallo, wo das Militär massive Präsenz zeigte. | |
| Hier hatten sich Cellous Anhänger noch am Montag Straßenschlachten mit | |
| Sicherheitskräften geliefert. | |
| Condés Wahlsieg ist also eine zwiespältige Krönung für Guineas | |
| Demokratisierung. Mit 52,5 Prozent siegte der 72-Jährige denkbar knapp, ein | |
| Vorsprung von lediglich 142.000 Stimmen vor Cellou. Dieser ehemalige | |
| Premierminister und Vertreter von Guineas größter Volksgruppe der Peul | |
| konnte sich gegenüber seinen 43 Prozent im ersten Wahlgang im Juni kaum | |
| noch steigern, weil Condé fast alle anderen Ethnien auf seine Seite | |
| gebracht hatte. Und Guinea geht aus dieser Wahl gespalten hervor. Die | |
| Osthälfte ist ausnahmslos Condé-Land, die Westhälfte mit der Ausnahme der | |
| Hauptstadt Conakry steht komplett zu Cellou, vor allem die Peul-Gebiete | |
| Richtung Senegal. | |
| Guineas Peul gelten im Land als wirtschaftlich dominierend, haben aber noch | |
| nie einen Präsidenten gestellt. Zu Condés Ethnie der Malinke gehören | |
| derweil Guineas erster Militärdiktator Sékou Touré, der das Land von 1958 | |
| bis zu seinem Tod 1985 regierte, sowie der heutige Juntachef Sékouba | |
| Konaté. | |
| So sehen sich viele Peul jetzt als Opfer einer gigantischen Verschwörung | |
| des Militärs und des großen Nachbarn Mali, aus dem der Chef der guineischen | |
| Wahlkommission kommt, und lehnen Condés Wahlsieg ab. Noch am Sonntag hatte | |
| auch Cellou gewarnt, er werde die Wahlergebnisse nicht akzeptieren. Jetzt | |
| rief er seine Anhänger zur Ruhe auf und kündigte an, die Wahl vor dem | |
| Obersten Gericht anzufechten. Sporadische Gewalt in Teilen Conakrys und im | |
| Hochland hat seit Montag vier Tote gefordert. | |
| Condé rief derweil zu Einheit und Versöhnung auf. "Heute beginnt für unser | |
| Land eine neue Ära", sagte der Wahlsieger in der Nacht und würdigte | |
| "unseren langen Kampf für Demokratie und Entwicklung", der jetzt zum | |
| Abschluss gekommen sei. Er sei "der Präsident aller Guineer" und "der | |
| Präsident der nationalen Versöhnung und des Fortschritts". Jetzt sei es an | |
| der Zeit, "gemeinsam und unverzüglich die vielen Herausforderungen | |
| anzugehen". Daher strecke er seinem "kleinen Bruder" Cellou, der erst 58 | |
| ist, die Hand zur Zusammenarbeit aus, so Condé weiter. | |
| Guineas Herausforderungen sind tatsächlich immens. Das Land besitzt die | |
| größten Bauxitreserven der Welt, das größte Wasserkraftpotenzial | |
| Westafrikas und die drittgrößte Eisenerzmine der Welt, aber 70 Prozent der | |
| neun Millionen Einwohner leben in absoluter Armut. Fünf Jahrzehnte | |
| Militärherrschaft haben in Guinea massive Korruption produziert und | |
| Straflosigkeit im Staatswesen verankert. Milliardeninvestitionen in den | |
| Bergbau sind in der Planung, aber die Realisierung wartete bisher auf die | |
| Einsetzung einer demokratischen Regierung. Nun stellt sich die Frage, ob es | |
| Condé gelingt, in Guinea Vertrauen zu schaffen und die zu erwartenden | |
| Einnahmen aus der Rohstoffförderung sinnvoll einzusetzen. | |
| 17 Nov 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
| ## TAGS | |
| Guinea | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Unruhen in Guinea: Von der Schlägerei zum Krieg | |
| Eine Konfrontation zwischen Jugendlichen führt zu blutigen Unruhen mit | |
| Dutzenden Toten. Hinter einer ethnischen Rivalität stecken politische und | |
| regionale Konflikte | |
| Proteste in Guinea: Ernüchterung bei Demokraten | |
| Vor dem Jahrestag eines Massakers an Demonstranten durch das Militär 2009 | |
| sterben erneut Protestler. Die Kritik an Präsident Condés wächst. | |
| Nach Präsidentschaftswahl: Ausnahmezustand in Guinea | |
| Nach der Präsidentschaftswahl in Guinea sind Unruhen ausgebrochen, die | |
| mehrere Tote forderten. Die Gegner des Siegers werfen der Armee "Genozid" | |
| vor". | |
| Friedlicher Machtwechsel in Guinea: Stunde der Hoffnung | |
| Nach dem Ende der Militärdiktatur hoffen viele auf den friedlichen Wandel. | |
| Doch bei einem neuen ethnischen Konflikt wäre die Armee machtlos, Guinea | |
| braucht die Unterstützung der Nachbarländer. | |
| Präsident Alpha Condé: Guineas Mann für den Wandel | |
| Für seine Kandidatur bei früheren Präsidentschaftswahlen kam er vor das | |
| Militärgericht und wurde zweimal mit der Todesstrafe bedroht. Bei den | |
| ersten freien Wahlen siegt er. | |
| Präsidentschaftswahl in Guinea: Gewaltausbruch nach Absage | |
| Die Stichwahl um das Präsidentenamt ist erneut verschoben – auf unbestimmte | |
| Zeit. Mysteriös ist auch eine Massenvergiftung unter den Anhängern des | |
| zweitplatzierten Kandidaten Condé. | |
| Vor der Präsidentschaftswahl in Guinea: Westafrika zittert um die Demokratie | |
| Ein General aus Mali übernimmt die Wahlkommission Guineas, um die Stichwahl | |
| am Sonntag zu retten. Die ganze Region hofft, dass die Überwindung der | |
| Militärdiktatur gelingt. | |
| Zu wenig Friedensmangagerinnen: Krieg bleibt Männersache | |
| Vor zehn Jahren verabschiedete die UN die "Resolution 1325". Mit ihr | |
| sollten Frauen in Krisengebieten "Friedensmanagerinnen" werden. | |
| Stichwahl in Guinea erneut verschoben: Eine halbe Million Wahlzettel fehlen | |
| Zwei Tote und mehr als 50 Verletzte bei Ausschreitungen in der Hauptstadt | |
| Conakry. Und nun wurde der Stichwahl-Termin für die Präsidentschaftswahl | |
| erneut verschoben. |